Original: Deutsch
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während den Verhandlungen in der politischen Untersuchung vor dem Assisengerichte in Landau.
Nro 26. Landau, den 20. August 1833.
Assisensitzung vom 19. August 1833.
In der Untersuchung gegen Hrn. Melchior Philipp Carl Baumann, Kaufmann zu Pirmasens.
Das Gerichtspersonale ist dasselbe wie verflossene Woche, nur daß statt des Hrn. Ergänzungsrichters Molique, Hr. Bezirksrichter Culmann, als Suppleant beisitzt.
Bildung der Geschwornenliste.
Herauskommen: die Herren Mohr, v. Geinsheim; Lehmann, v. Frankenthal; Degen, v. Zweibrücken; Rebenack, v. Speyer; Jacob, Jacob v. Kaiserslautern ; Lederle, v. Maykammer; Marggraff, v. Germersheim; Schmitt, v. Haßloch; Brunner, v. Rheinzabern; B otta, v. Landau; Gg. Klein, v. Dörnbach, Landkommissariat Kirchheimbolanden; A d t, v. Ensheim.
Reeusirt wurden:
Von dem Hrn. Generalprocurator: die Hrn. Dr. Mrd. Rath Pauli; Neckerauer; Klein, Joh. Friedr.; Henne; Westhoffen; Demontant.
Von dem Angeklagten: die Hrn. Mayer; Bettinger; Erdmann; Dr. Scharnberger; Will; Lichtenberger.
Für den Fall einer Erkrankung, besonders da der Hr. Geschworne Brunner schon einen Krankheitsanfall gehabt, schlägt der Hr. Präsident die Ziehung eines Supleantgeschwornen vor, wozu die Anklagebehörde und der Angeklagte ihre Zustimmung geben.
Nach einstündiger Berathung erklärt der Hr. Präsident:
In Erwägung, daß der Umfang vorliegender Sache es nöthig macht, einen Ergänzungsgeschworenen zu nehmen;
in Erwägung, daß durch die dabei betheiligten Personen die Einwilligung gegeben, und in Erwägung, daß durch die Récusation die Liste der wirklichen Geschworenen gänzlich erschöpft ist.
Aus diesen Gründen verordnet das Assisengericht, daß ein 13. Geschworner aus der Ergänzungsliste gezogen werde.
Verlesung der Liste der Ergänzungs-Geschworenen.
Gesuch des Hrn. Andr. Kern, worin derselbe erklärt, früher mit dem Angeklagten in Handelsverhältnissen gewesen zu seyn, weswegen er nicht füglich in dieser Sache sitzen zu können glaube.
Derselbe wird von dem Hrn. Präsidenten dispensirt.
Gesuch des Hrn. Kaspar Buillot, um Dispentation, zufolge Art. 391, weil er erst im Monat September v. J. als Geschworner gesessen.
Dispensirt,
Hr. L. Clauß, war schon vor der ihm gegebenen Ladung abgereist, also dispensirt.
Heraus kommen :
Hr. Colmar, reeusirt von Hrn. Generalproeurator.
Hr. Rentmeister Müller, dito von dem Angeklagten.
Hr. Apotheker Blauw, welcher als Supleantgeschworner eintritt.
Der Hr. Präsident fragt den Angeklagten Hrn. Baumann um Namen, Grad und Wohnort, und ermahnt den Hrn. Verteidiger, nichts gegen sein Gewissen und die den Gesetzen schuldige Achtung vorzubringen.
Beeidigung der Hrn. Geschwornen.
Verlesung der verschiedenen Ordonnanzen, des Verweisungsurtheils und des Anklageaktes, welchen letztern der Hr. Präsident dem Angeklagten resumirt.
Hr. Generalprocurator. Meine Hrn. Geschwornen: Nur weniges noch habe ich Ihnen über gegenwärtige Sache zu bemerken. Ich mache Sie wiederholt aufmerksam, ganz allein nach Ihrem Gewissen, Ihrer Vernunft und Ueberzeugung zu urtheilen. Die Aussage der Zeugen wird Ihnen das Ganze darthun. Achten Sie auf nichts, weder aus Furcht noch aus Haß denn Sie sind niemanden Rechenschaft über ihren Ausspruch schuldig. Jedoch muß ich Ihnen bemerken, daß die Anklage sich hauptsächlich auf Zeugenaussagen, und nicht wie in der vorher verhandelten Sache auf Druckschriften gründet. Deßwegen seyen Sie aufmerksam auf die Aussage, sowohl der Belastungs- als Entlastungs-Zeugen, welche letztere der Angeklagte zur Entkräftung der Anklage geladen haben wird. Beherzigen Sie Ihren Eid, Ihre Pflicht, Ihr Gewissen, und dann urtheilen Sie!
Verlesung der Zeugenliste.
Der Präsident ermahnt die Zeugen, die Wahrheit ohne Furcht und Haß, die ganze Wahrheit und nichts als Wahrheit zu sagen u. s. w.
Zeugen-Aussagen.
Hr. Landkommissär Haußmann zu Primasens.
Aus unmittelbarer Wahrnehmung wisse er gar nichts, Er könne also auch nichts sagen, als was er aus amtlichen Berichten wisse. Uebrigens sey es weltbekannt, daß zur Zeit die Aufregung allgemein gewesen , daß man auf die Masse bei dieser Aufregung wohl durch Flugschriften gewirkt, daß aber auch der damalige Mangel sein Theil dazu beigetragen. Am Charfreitage v. J. sey in Pirmasens ein Tumult entstanden, man sey mit einer Fahne umhergezogen, und die Polizeidiener haben nicht mehr gelangt, um Ruhe zu bewerkstelligen.
Am Ostersonntage habe dieser Auftritt sich erneuert, es habe aber an materieller Kraft gefehlt, um ihn zu unterdrücken. Es seyen Fenster eingeworfen worden. Es habe wohl auch ein Aufruf zum Beitritt zum Preßverein statt gehabt, er wisse aber nicht von wem, gehört habe er aber, daß Hr. Baumann dabei thätig gewesen, und als sich am 30. April das Filialcomite zu Pirmasenz constituirt, habe er Hrn. Baumanns Unterschrift gesehen.
Gegen die Mitte des Monat Mai haben sich die Unruhen vermehrt; auf den Straßen seyen Lieder gesungen worden, deren Inhalt Drohungen gegen jeden Nichtliberalen gewesen, und welche unentgeltich vertheilt worden waren ; von wem? wisse er nicht. Vom 27.—29. Mai seyen viele Anhänger der neuen Theorie nach Hambach, während welcher Zeit es in Pirmasens ruhig gewesen. Nachher seyen viele mit dreifarbiger Cocarde und Bändern geziert gewesen, und man sagte, Hr. Baumann habe selbe unentgeltich verteilt.
Am 30. Nachts sey er durch einen Trompetenstoß aus bem Schlaf geweckt worden, habe aber nichts gehört, als die Worte: Hr. Major, Hr. Oberst! Dieses habe ihn auf die Vermuthung gebracht, als wolle man sich nun militärisch organisiren. — Des Morgens um 6 Uhr habe man einen Freiheitsbaum auf einem Wagen gebracht, geschrien, geschossen; dann sey man auf den Exercierplatz gezogen und habe den Baum gesetzt.
Gegen Mittag sey eine Compagnie Jäger gekommen, von denen nicht allein die Mannschaft, sondern auch der Hauptmann verunglimpft worden sey.
Es seyen immer beängstigende Gerüchte und Drohungen
Am 1. Juni hieß es, Hr. Baumann habe einen Brief von Dr. Grosse bekommen, worin dieser ihm die Besorgnis ausdrückt, er möchte verhaftet werden.
Inzwischen seyen am 6.— 7. Juni die Drohungen gegen die ruhigen Bürger sehr heftig geworden. Es wurde gesagt, man werde in der Nacht Zeichen an die Aristokratenhäuser machen, um selbe zu erbrechen, Die Bürger haben sich vereinigt, um die Ordnung wieder herzustellen, den Freiheitsbaum mit Dr. Grosse zu beseitigen. Dr. Grosse habe sich wegbegeben , der Baum sey umgehauen worden; aber es habe sich dafür eine förmliche Opposition gebildet
Hr. Baumann habe einem Schlosser Sensen geschickt, um selbe gerade zu richten, aber dieser habe sich nicht damit befassen wollen ; ein anderer Schlosser aber habe sie angenommen. Er, Zeuge, sey darauf aufmerksam gemacht worden. Er habe sie auch gesehen, sie seyen abgespitzt und zweischneidig gewesen. Auf seine Frage: zu welchem Zwecke? habe ihm der Schlosser geantwortet: Hr. Baumann habe sie so machen lassen, sie seyen aber gut, bemerkte der Schlosser weiter, um sich zu vertheidigen; und darüber habe er amtliche Anzeige gemacht. Zeuge bemerkt, daß er nur die Sensen und den Freiheitsbaum gesehen habe, daß er alles Andere aber nur auf Anzeigen hin wisse.
Hr. Baumann. Zeuge habe gesagt, die Sensen seyen zweischneidig, man frage deßhalb den Schlosser, welcher sie gerichtet. Was den Auflauf betreffe, so sey keiner gewesen. Erbitterung sey erst dann entstanden, als man so grelle Gewaltmaßregeln ergriffen, und gleichsam die Meinungs-Inquisition aufdringen wollte. Zeuge müsse daher falsch berichtet seyn.
Was das Fenstereinwerfen betreffe, so wurde mir das Fenster an einem Hinterhause eingeworfen, und es sey doch zu glauben, daß der wüthende Pöbel nicht die Fenster an den Hinterhäusern, sondern vielmehr der Vorderhäuser wähle.
Zeuge sagt, daß nur eine Scheibe an dem Fenster eines Hinterhauses eingeworfen worden sey.
Hr. Anwalt Glaser. Ich mache die Hrn. Geschwornen aufmerksam, ihre Aufmerksamkeit nicht auf Nebensachen zu wenden. Derselbe bittet den Hrn. Präsidenten, den Zeugen zu fragen, ob unter den vielen Gerüchten die ihm zu Ohren gekommen, auch ein solches gewesen, daß Baumann zum Umsturze aufgefordert habe?
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur und Verleger Carl Georges.