Original: Deutsch
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- während den Verhandlungen in der politischen Untersuchung vor dem Assisengerichte in Landau.
Nro 7. Landau, den 31. Juli 1833.
Assisensitzung vom 30. Juli 1833.
Um acht Uhr werden die Angeklagten vorgeführt, und die Sitzung eröffnet.
Der Herr Assisenpräsident schlägt vor, ehe man zur Bildung des Geschwornen-Gerichts schreite, von den in der Urne übrig bleibenden Namen der Geschwornen der Hauptliste, noch zwei, als Ergänzungs-Geschworne zu ziehen, und trägt die Angeklagten ob sie damit einverstanden seyen, dagegen erheben sich Dr. Siebenpfeiffer und Dr. Wirth, indem ersterer bemerkte, daß er in die Geschwornen, als solche, alles Vertrauen habe, aber nicht in die Liste.
Hr. Adv. Culmann senior. Da die Angeklagten gesonnen sind, das Reeusations-Recht zu üben, so müssen ja doch am Ende von den Supleanten aufgestellt werden, daher sey es jetzt nicht nöthig.
Hierauf wird zur Ziehung der Loose geschritten;
Das Loos trifft die Herren:
1) Brunner aus Rheinzabern, 2) Henne v. Haßloch, 3) Reckerauer v. Kaltenbach, 4) Georg Klein v. Borrenbach, 5) Schmidt v. Haßloch, 6) Lud. Botta v. Landau, 7) Joh. Fried. Klein v. Kapellen, 8) Lederle v. Maikammer, 9) Degen v. Zahnbrücken, 10) Mayer v. Omers-beim, 11) Lehmann v. Frankenthal und 12) Margraff v. Germersheim.
Recursirt wurden:
Von dem Hrn. Generalproenrator, die Herren: Demontant, Jakob, Westhofen, Mohr, Adt.
Von den Angeklagten, die Herren:
Bettinger, Lichtenberger, Erdmann, Scharnberger, Will, Nebenack.
Nun folgte die Rede des Herrn Assisen-Präsidenten, die, dem Wesentlichen ihres Inhaltes nach, die Aufregungen in Frankreich, Polen und Belgien berührt, in deren
Gefolge auch im Rheinkreise, so wie im übrigen Europa die Grundlagen aller bürgerlichen Ordnung erschüttert zu werden bedroht waren.
Er empfiehlt sodann den Geschwornen die gewissenhafteste Würdigung dieses wichtigen Gegenstandes, mit den schönen Worten: Auf Ihren Ausspruch, meine Herren, kommt es nun an, erwägen Sie bei Ihrem Gewissen die Wichtigkeit Ihres Berufs, und bedenken Sie, das, Ihr Urtheil auf die späteste Nachwelt durch die Annalen der Geschichte kommen wird. Ihre Enkel werden sagen : unsere Ahnen säßen in jener Sache als Richter und sprachen Recht. Das Gericht will nur Gerechtigkeit, so wie die Angeklagten auch nichts als Gerechtigkeit fordern werden, (lebhafte Beistimmung von Seite der Angeklagten.) Noch nie war ein ähnlicher Fall wie dieser war vor den Assisen des Rheinkreises. Prüfen Sie alles, handeln Sie nach Ihrer Ueberzeugung. Die Belege und Schriften, welche man von den Angeklagten in Anzahl hat, werden Ihnen vorgelegt werden. Die andern sollen Ihnen auf der Gerichts, Kanzlei zur Prüfung offen liegen. Scheuen Sie keine Drohung, keine Gefahr, denn die Angeklagten selbst, worunter Männer, welche durch Talente und Kenntnisse ausgezeichnet sind, würden sich entwürdigt fühlen, wenn man solche Mittel zu ihren Gunsten gebrauchen wollte. (Die Angeklagten geben durch Geberden ihre Bestimmung zu erkennen.) An die Angeklagten: Von Ihnen, meine Herren, als Männer, die durch ihre Bildung um eine Stufe höher, als die gewöhnliche Volksklasse stehen; die das Loos hierhergebracht, ist zu erwarten, daß Ihre Vertheidigung nur eigentliche Rechtfertigungsgründe enthalten werde, daß Sie dabei stets die Würde des Gerichts achten, und — wie das Loos auch für Sie fallen möge, Ihr Schicksal mit Geduld tragen werden. An das Publikum: Es wird von dem Publikum erwartet, daß es sich aller Zeichen des Beifalls, der Unzufriedenheit und der Mißbilligung enthalte, damit der Gang der Verhandlungen nicht gestört werde. Von der bekannten Ordnungsliebe der Bewohner des Rheinkreises sey es zu erwarten , daß das Präsidium nicht in den unangenehmen Fall komme, von der ihm zustehenden/Besugniß Gebrauch zu machen, um die Ordnung zu erhalten.
Nun erklärt der Herr Präsident die Sitzung für eröffnet, und bemerkt, daß der Erstgezogene von den Herren Geschwornen der Vorstand sey, daß aber, wenn dieser daraus verzichte, es ihnen unbenommen sey, einen Andern unter sich zu wählen.
Herr Anwalt Culmann, sen., fordert, daß die Bemerkung des Hrn. Präsidenten, daß nämlich die Herren Geschworenen die Akten und Schriften auf der Canzlei einsehen könnten, in das Protokoll aufgenommen werde. Der Assisensaal sey der Ort dazu, wo man diese Aktenstücke vor, lesen solle, und die Angelegten wollen auch, daß ihre Schriften öffentlich verlesen, nicht aber aus der Kanzler einstudirt werden.
Diesem Antrage treten die übrigen Herren Vertheidiger bei, und der Herr Präsident steht davon ab.
Dr. Siebenpfeiffer. Ich ersuche die Herren Geschworenen , wenn sie meine Rede bei dem Hambacher Feste lesen, nur jene zu lesen, welche bei meinen Werken abgedruckt ist. Denn nur für meine Arbeiten kann ich verantwortlich seyn, und da meine Rede zu verschiedenen Malen in andern Blättern abgedruckt, und auch mit fremden Zusätzen geschmückt worden, so kann ich für solche Zusätze nicht haften.
Dr. Wirth. Das Gericht habe durch seine gestrigen Jncompetenzerklärungen zur Genüge dargethan, daß es keine Qualität habe ihn zu richten, er brauche daher nicht Rede zu stehen, und könne es als solches nicht anerkennen. Jedoch wolle er eines theils der Individualität der Andern wegen, auf die au ihn gestellten Fragen antworten, in so weit es hier nöthig sey, andern theils um gerade durch die Verhandlung den Beweis aufzustellen, daß das Gericht incompetent sey.
Der Herr Präsident fragt nun die sämmtlichen Angeklagten nach Namen, Stand und letzten Wohnort.
Hiebei erklärt der Angeklagte Scharpf, daß das Gericht nicht competent sey, sie zu richten, weil er die feste Ueberzeugung habe, daß der jetzige Rechts-Zustand in Deutschland nur auf Usurpation beruhe, und weil, nach dem gestrigen Urtheile es deutlich vorliege, daß die k. Regierung gesonnen sey, die Veröffentlichung der Verhandlungen treu und vollständig zu verhindern, und wie könne es möglich seyn, daß Gerichte, die das Gefühl ihrer Incompetenz haben, die Angeklagten in den ihnen zuständigen Rechten zu schützen vermögen. Bei solchem Zustande sey die Aufrechthaltung der Würde des Gerichtes unmöglich, und er, so wie seine Mitangeklagten protestirt gegen alle Censur des Drucks.
Der Hr. Präsident ermahnt nun die Hrn. Vertheidiger, bei ihrem Vertrage in den ihnen gesetzlich angemessenen
Schranken der Mäßigung zu bleiben, und richtet sodann das Wort namentlich an die Herrn Vertheidiger, welche nicht in die Klaffe der Rechtsanwälte gehören, bemerkend, daß auch Sie in den Schranken der Bescheidenheit bleiben, die Würde des Gerichts erkennen, und die Ehre, an der Seite so ausgezeichneter Redner zu seyn, würdigen mögen.
Nun folgt die Beeidigung der HH. Geschworenen.
Der Herr Präsident fordert sodann die Angeklagten so wie die Hrn. Geschworenen auf, aufmerksam zuzuhören, und verordnet die Vorlesung des Verweisungs - Urtheils, welches bis halb 12 Uhr dauert.
Sodann wurde die Sitzung auf eine halbe Stunde suspendirt. Während dieser Unterbrechung wurde den Angeklagten gestattet, in dem neben dem Assisensaal befindlichen Garten sich zu erfrischen.
Um 12 Uhr nimmt das Gerichtspersonale wieder seine Plätze ein, und der Hr. Präsident verordnet die Vorlesung des Anklage-Aktes, welche bis 2 Uhr 15 Minuten dauert, worauf der Hr. Präsident die heutige Sitzung für beendigt erklärt.
Noch muß bemerkt werden, daß vor der Vorlesung des Anklage-Akts einem jeden der Herren Geschworenen ein gedrucktes Exemplar des Verweisungs-Urtheils und des Anklage-Akts zugestellt wurde.
Der Zufluß von Fremden war heute unbedeutend, und die Ruhe und Ordnung sowohl im Innern des Assisensaals, als auch in den Straßen der Stadt wurde nicht im Mindesten gestört.
Vom 29. auf den 30. Juli waren hier über Nacht 44 Personen.
Redakteur und Verleger Carl Georges.