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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz [2013/0068/04]
https://rlp.museum-digital.de/data/rlp/resources/documents/202111/17135911307.pdf (Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir (CC BY-NC-SA)
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"Tags-Neuigkeiten No. 8; 31. Juli 1833

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Beschreibung

Bröschüre / Zeitung: "Tags-Neuigkeiten No. 8 während den Verhandlungen in der politischen Untersuchung vor dem Assisengerichte in Landau." Landau 31. Juli 1833, 4 Seiten.

In den "Tags-Neuigkeiten" wurde beinahe "tagesaktuell" über die Schwurgerichtsverhandlungen gegen die Hauptakteure des Hambacher Festes 1832 am Assisenhof in Landau 1833 berichtet.

Gerichtssitzung vom 31. Juli: Gerichtspräsident liest jedem Angeklagten "seine" Anklagepunkte vor.
Generalprokurator (Staatsanwalt) wendet sich an die Geschworenen und fasst die Hauptanklagepunkte zusammen. Zu klären sei hier die Frage, ob die Angeklagten direkt oder indirekt zum Umsturz aufwiegeln wollten.
Beginn der Zeugenvernehmung: Erster Zeuge ist der königliche Landkommissar Frhr. von Polnitz, der die Vorgänge beim Hambacher Fest ("altdeutsche" Fahnen, Freiheitslieder, Reden von Wirth, Siebenpfeiffer u. Co., Überreichung des sog. "Frankfurter Schwerts") schildert, aber es habe keine direkte Aufwiegelung gegeben, dafür deutliche Provokationen ("Ausrottung der Fürstenstämme" etc.).
Zeuge Pollnitz über D. Pistor: Aufruf "zu den Waffen", der aber nicht explizit gegen Bayern gerichtet war.
Bezüglich der Ausschreitungen des Militärs am 1. Jahrestag des Hambacher Festes (Soldaten gingen mit Gewalt gegen Besucher vor!) befragt, vermutet Polnitz Provokation durch Zivilpersonen.
Die weiteren an diesem Tag vernommenen Zeugen berichten ebenfalls von den Vorgängen. Einen direkten Aufruf zum Umsturz kann niemand bestätigen.

Material/Technik

Papier, weiß; schwarz * bedruckt

Maße

Breite/Länge: 23,5 cm; Höhe: 21 cm; Tiefe: 0,5 cm

Abschrift

Original: Deutsch

Tags - Neuigkeiten, während den Verhandlungen in der politischen Untersuchung vor dem Assisengerichte in Landau. Nro 8. Landau, den 31. Juli 1833. Assisensitzung vom 31. Juli 1833. Morgens 8 Uhr, wie gestern. Der Hr. Präsident eröffnet heute die Sitzung dadurch, daß er, den Anklageakt resumirend, jedem der Angeklagten insbesondere die ihn betreffenden Anklagepunkte vorließt. Hierauf richtet der Herr Generalproenrator an die Herren Geschworenen eine Anrede, ungefähr in folgendem Sinne: Es sey ihre Pflicht nach innerer Ueberzeugung zu urtheilen; zuerst haben sie zu erwägen, ob die That geschehen; sodann in welcher und — ob sie in strafbarer Absicht unternommen worden. Um dieses zu beurtheilen, muffen die Geschworenen allem fremden Einfluß unzugänglich, ohne Zu- noch Abneigung gegen die Person oder Sache der Angeklagten, bloß dem Gewissen folgen, dem sie ganz allein von ihrem Ausspruche Rechenschaft schuldig seyen. Weder falsches Lob, noch Drohungen dürfen den geringsten Einfluß auf den redlichen Geschworenen haben. Hieraus resumirt der Hr. Generalproenrator abermals den Geschwornen die Hauptpunkte der Anklage ohngefähr in folgendem Sinne: Von Ihnen, meine Herren! erwarten die Angeklagten den Anspruch über Ehre, Leben, Glück und Existenz; aber auch der Staat erwartet von Ihrem Ausspruche die Handhabung der Gesetze, die Sicherheit der bestehenden Verfassung und Institutionen, die Garantie des Eigenthums und der Ruhe des Landes. Zwei Punkte sind Ihnen ausdrücklich zu erklären, nämlich die Frage über direkte und indirekte Aufreizung. Ob Hambach der öffentliche Ort gewesen, ob dort direkte Aufreizung statt gefunden, ob diese Aufreizung zum Umsturze der bestehenden Regierungen und Institutionen, zu einer demokratischen Verfassung einem republikanischen Regierungssystem u. dgl., wie die vorliegenden gedruckten und von den Angeklagten selbst anerkannten Reden darthun, eine wirklich direkte Aufreizung gewesen, darüber das Schuldig oder Unschuldig auszusprechen, ist Ihrem Urtheile, Ihren Einsichten, Ihrem Gewissen, Ihrer Ueberzeugung überlassen. Weder die Strenge, noch die Milde der im Falle des Schuldig anzuwendenden Gesetzesstrafe dürfen auf Ihren Einspruch einwirken. Vorrufung der Zeugen und Ermahnung an sie von Seiten des Hrn. Assisenpräsidenten, an ihre Pflicht, an die Heiligkeit des Eides, Wahrheit und nichts als Wahrheit zu sagen, und Erklärung über die Folgen des Meineides: Erster Zeuge, Frhr. v. Pölnitz, k. Landkommissär zu Neustadt, gefragt über die Vorfälle zu Hambach, schildert die Züge der Neustadter und Umgegend mit farbigen Bändern, polnischen u. s. g. altdeutschen Fahnen. Er erkennt eine ihm vorgezeigte große altdeutsche Fahne für die bei dem Feste auf dem Berge, aufgepflanzt gewesene. Er glaube auch eine bayer'sche gesehen zu haben, welche aber gleich wieder verschwand. Es seyen Freiheitslieder gesungen, sodann die durch den Druck bekannten Reden gehalten worden, besonders von Dr. Wirth, Dr. Siebenpfeiffer, Pfarrer Hochdörfer, Brüggemann und Andern. Sodann schildert er die Ueberreichung des Frankfurter Schwerdtes, welches er bei Vorzeigung als dasselbe erkennt. Dr. Wirths Aufruf zum Umsturz der Regierungen, habe übrigens keinen An-klang gefunden, die Aufreizung sey indeß sehr groß gewesen. Auf Befragung deS Angeklagten Dr. Wirth, was er dagegen zu sagen habe? erwiedert derselbe: er behalte sich dieses für seine allgemeine Vertheidigung vor. Auf Verlangen des Hrn. Culmann sen. frägt der Hr. Assisenpräsident den Zeugen: ob er eine Anreizung zur augenblicklichen positiven Handlung in Hrn. Dr. Wirths Rede bemerkt habe? welche Frage dieser mit Nein beantwortet. Hr. Anwalt Mahla macht die Geschworenen aufmerksam, daß der Zeuge keine positive direkte Aufforderung zum Umsturze der k. b. Staatsverfassung gehört habe. Der Hr. Assisenpräsident stellt noch mehrere Fragen über den bekannten Inhalt von Dr. Wirths Rede, die der Zeuge beantwortet, als: von der nothwendigen Reform der deutschen Verfassung , Ausrottung der Fürstenstämme u. s. w., auch den bekannten Fluch in Dr. Wirths Rede, behauptet er, gehört zu haben. Aus der ganzen Rede könneer übrigens keinen andern Sinn als den der Provocation entnehmen. Hr. Culmann sen stellt den Antrag: den Zeugen blos zu fragen, ob etwas Anders als das im Druck erschienene, geredet worden sey? und sagt den Geschwornen: Man werd« beweisen, daß die Schmähungen gegen Fürsten und Regierungen nicht als Aufreizung zum Aufruhr, sondern blos als Beleidigungen qualifizier werden können. Auf die Aufforderung des Hrn. Assisenpräsidenten, weiter zu deponiern, erklärt Zeuge, daß Dr. Pistors Rede den stärksten Eindruck gemacht habe, und daß namentlich auf das Bild von dem armen Mann mit dem hungerigen kranken Kinde, der Ruf: „zu den Waffen" erschallt sey. Jedoch habe er keinen Aufruf gegen Bayern besonders gehört. — Pfarrer Hochdörfer. DaS Gesetz spricht von einer direkten Aufreizung, daher läßt es auch den Begriff von einer indirekten zu. Er werde in der Folge beweisen, daß die Ausdrücke, Menschenfeinde, Volksfeinde, Verräther u. dgl. zu den indirekten, also nicht als Verbrechen vor das Assisen, sondern als Injurien vor das Zuchtpolizeigericht gehören. Haben wir direkt aufgereitzt, was aber erst dargethan seyn muß, so sind die Herren Geschwornen unsere Richter, und wir müssen ihren Ausspruch respektiren; haben wir indirekt ausgereizt, dann schicke man uns vor das Zuchtgericht, wo wir nach langer Einkerkerung erst unserer Verurteilung oder Freisprechung entgegen sehen. Der Angeklagte Eisler will die Frage gestellt haben, ob Zeuge nicht der Regierung erklärt habe, daß das Verbot des Hambacher Festes gegen die Verfassung sey? Darauf erwiedert der Zeuge, daß seine Stellung als Beamter ihm dieses nicht erlaube. Eisler. Ob dem Zeugen mit dein Befehl über die Straf-barkeit der Verbreitung anonymer Schriften, nicht zugleich von der k. Regierung ein anonymes Flugblatt überschütt worden sey? Dieser Antrag wird als nicht hieher gehörend verworfen. Worauf (Wer sagt, er habe diese Frage bloß gestellt, um zu beweisen, daß gerade die Regierung es sey, die gegen ihre eigenen Anordnungen handle. Hr. Anwalt Culmann, jun., trägt darauf an, den Zeugen über die Vorfälle vom 27. Mai jüngst, in Hambach und Neustadt zu befragen, die er als Blutscenen, Mißhandlungen, Mißbrauch militärischer Gewalt u. s. w. darstellt. Davon giebt Zeuge an, nichts Näheres zu wissen, weil er erst Abends 6 Uhr nach Hause gekommen und nicht mehr ausgegangen sey. Er könne keine Auskunft geben, ob das Militär auf Requisition der Civilbehörde eingeschritten, oder ob es dazu kommandirt worden sey, — und er wisse nicht, ob die Verwundeten das Militär nicht gereizt haben. Dr. Siebenpfeiffer. Das sind die Umstürzer, nicht die Redner des Hambacher Festes! — Auch viele der andern Zeugen werden über die Vorfälle zu Neustadt und Hambach verschiedentlich gefragt, und geben eben so verschiedene Antworten. Der Hr. Assisenpräsident bemerkt, daß Alles, was nach dem Urtheile der Anklagekammer geschehen, nicht daher gehöre. Zweiter Zeuge, der k. Untersuchungsrichter Radinger, von Kaiserslautern : Hr. Anwalt Golsen bemerkt vor der Deposition des Zeugen, selbiger sey der erste Denunciant gegen Dr. Siebenpfeiffer bei der Regierung gewesen. Dr. Siebenpfeiffer. Zeuge habe seine Papiere in Beschlag genommen. Als er sie zurückerhalten, seyen mehrere Stellen in einem gegen ihn gehässigen Sinne unterstrichen gewesen, dieses sey eine Fälschung und ungesetzlich. Zeuge. Das Wort Denunciant treffe ihn nicht, er habe auf Befehl der Regierung seine Schuldigkeit gethan, und die Beschlagnahme der Papiere des Hrn. Dr. Siebenpfeiffer habe er in Beisein des k. Staatsprokurators vorgenommen, selbige aber nicht in Händen gehabt, er wisse also nicht wer sie unterstrichen. Die Aussage dieses Zeugen ist im Wesentlichen dieselbe, wie jene des Ersten. Der Hr. Procurator bemerkt, daß, nachdem Dr. Siebenpfeiffer seine Papiere unversehrt zurück bekommen zu haben erklärt, keine Fälschung statt finde, und daß jedem Untersuchungsrichter die Unterstreichung zustehe. 3. Notär Müller aus Neustadt sagt, er sey Festordner gewesen, habe aber nichts anders gehört, als was in den Reden abgedruckt sey. Diese Reden haben zwar einen sehr freisinnigen Charakter gehabt, allein von Aufreizung, Schmähungen gegen Fürsten u. s w. wisse er nichts. Hochdörfers Rede sey sehr populär, aber nicht aufreizend gewesen. Er, Zeuge, sey aus dem Schlosse gewesen, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, habe aber keine Gelegenheit gesunden, sein Amt zu üben, indem alles in bester Ordnung war. Der Eindruck der Reden scheine ihm nichts weniger als permanent gewesen zu seyn. 4. Michel, Oekonom zu Haardt, alles sey bei dem Feste ruhig abgelaufen. Dr. Siebenpfeiffers Rede besonders, habe, so wie Dr. Wirths Rede den größten Beifall gefunden, ohne jedoch Unordnung zur Folge gebabt u. s. w. Die Aussagen der übrigen Zeugen sind beinahe abwechselnd einander gleich. Von 11 1/2 bis 12 Uhr zieht sich das Gericht zurück, und auch die Angeklagten verlassen unter Bewachung den Saal. Um 2 1/4 Uhr wird die Sitzung geschlossen. Vom 30. aus den 31. Juli waren über Nacht 34 Personen. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Carl Georges.

Literatur

  • Dr. Britta Hallmann-Preuß, Georg Karl Rings, Dr. Fritz Schumann (2009): Johannes Fitz - genannt der Rote. Bad Dürkheim
  • Herausgeber Kulturministerium Rheinland-Pfalz (1982): Hambacher Fest 1832-1982. Neustadt an der Weinstraße
  • Hrsg. Kultusministerium Rheinland-Pfalz (1990): Hambacher Fest 1832 Freiheit und Einheit - Deutschland und Europa (Katalog zur Dauerausstellung). Neustadt an der Weinstraße
  • Kurt Baumann Hrsg. (1982): Das Hambacher Fest - 27. Mai - Männer und Ideen. Speyer
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