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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz [2013/0068/14]
https://rlp.museum-digital.de/data/rlp/resources/documents/202111/17150418182.pdf (Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir (CC BY-NC-SA)
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"Tags-Neuigkeiten No. 18; 11. August 1833

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Beschreibung

Bröschüre / Zeitung: "Tags-Neuigkeiten No. 18 während den Verhandlungen in der politischen Untersuchung vor dem Assisengerichte in Landau." Landau 11. August 1833, 4 Seiten.

In den "Tags-Neuigkeiten" wurde beinahe "tagesaktuell" über die Schwurgerichtsverhandlungen gegen die Hauptakteure des Hambacher Festes 1832
am Assisenhof in Landau 1833 berichtet.

Schluss der Verteidigungsrede von Siebenpfeiffers Anwalt Golsen.
Siebenpfeiffers angebliche "Aufreizung" nicht direkt und daher gehöre der Fall eher vor ein "Zuchtgericht."
Die Unschuld Siebenpfeiffers kann in der Anklage selbst erkannt werden. Aber sein Mandant will auch moralisch rehabilitiert sein! "Ein freies deutsches Vaterland wollen ist erlaubt!" Seine theoretischen Ideale sind nicht strafbar! Auch der Schluss der Hambacher Rede ist nicht strafwürdig, trotz des Aufrufs zur "Bürgerbewaffnung", der angesichts äußerer Bedrohungen etc. gerechtfertigt sei.
Ermahnt die Geschworenen gerecht zu urteilen oder sie müssen das Urteil der Nachwelt fürchten.

Auszüge aus der Rede von Hochdörfer
Er macht sich keine Illusionen, was die Verurteilung betrifft, aber "freut" sich, eine Bühne für seine Grundsätze etc. zu haben. Von seinen Schriften und Reden will er "keine Sylbe" zurücknehmen. "Die Sache des Volks-und Menschenrechts hat sich vor keinem Strafgesetze zu rechtfertigen! Er und seine Mitangeklagten müssen sich "nur" wegen ihrer Schriften verantworten und die Anklage würde darin "Verbrechen" finden, weil man welche finden will! Er verwahrt sich gegen den Vorwurf der Aufwiegelung. Falls Entsprechendes in seinen Schriften zu finden sei, habe er nur getan, was "Gott, Vernunft und Pflicht heischen." "Denn was ein Verbrechen ist an dem Recht der Menschen, ist nicht werth zu existiren, und es ist Pflicht eines jeden Bürgers es zu vernichten!"

Sitzung vom 10. August
Fortsetzung der Rede Hochdörfers
Hochdörfer referiert über die "sieben Wahrheiten", die die Gleichheit der Menschen, ihre Chancengleichheit, die Freiheit des Individuums aber Völkerverständigung etc. beinhalten und propagieren. Diese Wahrheiten stehen allen zu! Aber immer wieder wurden "Freunde der Wahrheit" von den Mächtigen "dem Schafotte überliefert." Auch jetzt herrsche Rechtsunsicherheit und Willkür. Wer das Recht bestreite von "Völkerwohl" und "Völkerfreiheit" sprechen zu dürfen, "ist unwürdig als Mensch geboren zu sein!"
Nach der "Stimme der Vernunft" will er noch die "Stimme der Religion" zu Wort kommen lassen.

Material/Technik

Papier, weiß; schwarz * bedruckt

Maße

Breite/Länge: 23,5 cm; Höhe: 21 cm; Tiefe: 0,5 cm

Abschrift

Original: Deutsch

Tags - Neuigkeiten, wärend den Verhandlungen in der politischen Untersuchung vor dem Assisengcrichte in Landa». Nro 18. Landau, den 11. August 1833. Schluß der Vertheidigungsrede des Hrn. Anw. Golsen. Wenn also auch selbst die Aufreizung wahr wäre, so fehlte ihr noch der wesentliche Umstand, nämlich: mittelbar, und — die Sache eignete sich nicht vor das Assisen-, sondern vors Zuchtgericht. Es müßte sonst jeder, der die Handlungen der Regierung tadelt, vors Assisengericht gestellt werden, denn ein solcher Tadel erregt bei den Beteiligten immer Erbitterung. Betrachten Sie die Anklage, so bedarf es keines andern Mittels, um zu beweisen, daß Hr. Dr. Siebenpfeiffer völlig straflos ist. Diese Straflosigkeit liegt so evident in der Anklage selbst, daß ich nicht mehr nöthig hätte, noch etwas zu sagen. Aber mein Client will auch moralisch gereinigt seyn, und der Welt zeigen, warum man Männer, die nichts verbrochen, in dem Kerker schmachten ließ, und daß cr gerade das Gegentheil von dem wollte, dessen mau ihn beschuldigte. Ein freies, deutsches Vaterland wollen ist erlaubt, Pflicht eines jedem Bürgers. Er will nur heilsame Verfügungen zur Beförderung der Einheit, und der verstockteste Aristokrat muß doch zugeben, daß ein solches Ideal besser ist, als die Gegenwart, denn die Sätze, welche er ansstellt, sind blos theoretische Ideale. Diese Idee als solche ist aber nicht strafbar, und gerade sic erweckte in ihm die Idee zum Hambacher Feste. Auch der Schlußsatz der Hambacher Rede kann keine Anklage begründen. Denn 1813 und 1814 redeten alle Fürste» so, und heute sollte es ein Verbrechen seyn? Eben so die Worte zur Bürgerbewaffnung, zu welchem Zwecke? Gegen einen Ueberfall der nordischen Barbaren. Frankreich hat seine Rationalgarde, das jenseitige Bayern seine Landwehr, warum sollte sic nicht auch Rheinbayern haben dürfen! Durch die bisherigen Erörterungen glaube ich genugsam dargethan zu haben, daß Hr. Dr. Siebenpfeiffer nicht strafbar ist. Dieses fühlte auch die Anklage, und füllte die Mittel aus, indem sie sagte, neben den intellektuellen Mitteln, habe man auch die materiellen anwenden wollen, als Steuerverweigerung und allgemeine Bürgerbewaffnung. Dieses also die Gründe der Anklage. Wendet man nun das anatomische Wesser des positiven Rechtes an, so muß selbe vergehn Die Völker Deutschlands fühlen dasBedürfniß einer politischen Emancipation. Dem Hrn. Dr. Siebenpfeiffer schien allein das 19. Jahr, hundert fähig zur sittlich kräftigen Ausbildung des Volkes. Alle Aufforderungen sind indirekt, und wären sie auch direkt, so verschwände doch alles Ansehen einer Schuld. Sie, meine Herr» , haben den ehrenvollen Ruf, hier zu richten. Der größte Theil der Menschen ist gespannt ans Ihr Urtheil, das Sie über Männer fällen werden, welche ihr eigenes Glück aufs Spiel setzten, für das Wohl der Welt. Erheben Sie sich daher über alle Rücksichten und Borurtheile, nur dann sind Sie würdig, in einer so großen Sache Richter zu seyn. Brechen Sie über diese großen Männer den Stab, so werden sie wahrscheinlich in preußischen und russischen Gefängnissen modern müssen, und gleich jenem blinden, dahin geschleppten Helden, das Tageslicht nicht mehr sehen. Dann, wenn Sie ein ungerechtes Urtheil fällen, mag die späteste Nachwelt über Sie richten, und Ihre Enkel noch werden die Schmach über das ungerechte Urtheil ihrer Ahnen fühlen. — Fragmente aus der Rede des Hrn. Pfr. Hochdörfer. Oft und lebhaft sehnte ich mich nach dieser Stunde, und glücklich bin ich endlich dazu gelangt. Nicht weil ich hoffen könnte, durch sie dem Kerker entnommen zu werden, in welchem die jüngst reformirte Justiz uns so lange vergraben hielt! Nein! unser persönliches Schicksal scheint dadurch kein besseres werden zu wollen. Sprechen Sie uns frei, so werden wir vor das Correctionellgericht gezogen; verurtheilen Sie uns, so werden wir unsere Vaterlandsliebe in preußischen Gefängnissen büßen; und dennoch fühle ich mich hier ans die Bahn meines Berufs gestellt. Bevor ich jedoch zur Erörterung dessen, was der Anklage ihr Entstehen gab, schreite, werke ich mit der rückhaltlosesten Offenheit sprechen, meine politischen Gesinnungen offen bekennen. Der Gedanke, von allem, was in meinen Schriften enthalten ist, nur eine Sylbe zu widerrufen, ist so ferne von mir, als der Himmel von der Erde entfernt ist; eben so wenig werde ich die Worte der Gesetze durch Spitzfindigkeiten zu wenden suchen; denn die Sache des Volks - und Menschenrechts hat sich vor keinem Strafgesetze zu rechtfer tigen. Offen werde ich sprechen, damit, wenn die Geschwornen sich durch ihr Gewissen gedrungen fühlen sollten, ihr Nichtschuldig auszusprechen, sie gerechtfertigt seyen, und — im Falle des Schuldig —ihr Gewissen nicht belastet fühlen. Hr. Pfr. Hochdorfer stellt nun eine Definition des geschworenen Instituts und der Sache. Vorliegender Fall ist nicht ein gewöhnlicher. Wir sind wegen unserer Schriften angeklagt. Tast wir die Verfasser dieser Schriften sind, haben wir nie gelängnet, und es weiß dieses die ganze Welt. Ueber den moralischen Charakter dieser unserer Schriften sollten Sie also sprechen, ob darin Verbrechen ist oder nicht. Nicht nach der Anklage, nicht nach dem Verweisungsurtheile mögen Sie Ihren Maßstab nehmen. Denn was kann die Anklage gegen uns sagen? Nichts als hinlängliche Anzeigen, und wieder hinlängliche Anzeigen! Warum? Antwort: Wir finden Verbrechen darin, weil wir sie finden wollen. — Dieses das System der Anklage. An dem Probiersteine Ihrer Vernunft und Ihres Gewissens, welche Ihnen sagen, was gut oder schlecht, rechtlich oder gesetzwidrig sey, müssen Sie unsere Schriften halten, so wie Alles, was Sie im Lauf dieser Verhandlungen gehört baben oder höre» werden. Thun Sic dieses, dann mag Ihre Vernunft und Ihr Rechtsgefühl unsere Schriften vor Gott und Menschen für verbrecherisch halten. Durch Schriften ausreizen oder mich vorsätzlich in die §§. des Straf-Gesetzbuchs verfangen zu wollen, war nie meine Absicht. Läge dieses aber dennoch in meinen Schriften, so habe ich doch nur gethan, was Gott, Vernunft und Pflicht heischen. Tenn was ein Verbrechen ist an dem Recht der Menschen, ist nicht Werth zu existieren, und es ist Pflicht eines jeden Bürgers es zu vernichten. Sitzung vom 10. August 1833. Fortsetzung der Rede des Hrn. Pfr. Hochdörfer. Nun, meine Herrn, werde ich Ihnen 7 Wahrheiten angeben, welche nach der ewigen Vernunft begründet find. 1» Wahrheit. Alle die geboren werden, bringen dasselbe Recht, ohne Vorrang sind sie gleich geboren Keiner bringt von dem Schöpfer eine Urkunde mit, welche sagt: du bist mehr als Andere. 2) Wahrheit. Jeder Mensch tritt ins Leben, von seinem Schöpfer mit Willenskraft begabt, und berechtigt, solche nach Möglichkeit zu enthalten. 3) Wahrheit. Nichts ist dem Menschen von Gott mehr im reinen Eigenthum gegeben, als er selbst. Keiner kann beweisen, daß er nach natürlichem Recht Anspruch auf die Person des andern hat. 4) Wahrheit. Wir alle treten ins Leben, mit der Bestimmung, unsere Leibes - und Geisteskraft zu üben und zu vervollkommnen, und von den Früchten unseres Fleißes zu leben, aus die kein anderer als wir Ansprüche hat. 5) Wahrheit. Alle sind wir in dieser Wett von Gott gleich berechtigt zu den Lebensgenüssen, welche die Vernunft zur Stärkung unserer Kräfte uns darbietet. 6) Wahrheit. Alle Menschen sind auf der Erde verbunden, eine große Familie zu bilden, und durch Einigung gegenseitig ihr Wohl und ihr Glück sich zu sichern. 7) Wahrheit. Jeder Mensch Hat das Recht nach geistiger Ausbildung und Veredlung zu streben, und daraus Wahrheiten zu schöpfen u. s. w. Dieses sind die heiligen Wahrheiten, welche dem Menschen nach allen göttlichen Rechten zustehen. Wer sie nicht anerkennt, der begeht eine Sünde au seinem zeitlichen und ewigen Wohl! Und doch wurde ihrer immer so wenig geachtet. Trat einmal alle Jahrhunderte ein Freund der Wahrheit auf, dann wurde er verfolgt, dem Schafotte überliefert, geradbrecht, geviertheilt an den Galgen gebracht. Seitdem die Vasallenmacht so weit gekommen, ist keine Unschuld mehr sicher, und die Eltern müssen zittern für ihre unschuldigen Kinder. Ter Nus der Gottheit war im Jahr 1830 an uns ergangen, und wir wurden so sehr von demselben ergriffen, daß wir nicht schweigen konnten. Wir sprachen für Völkerwohl, für Völkerfreiheit! Dazu waren wir, so wie jeder berechtigt; und wer dieses Recht bestreitet, entwürdigt sich selbst und die Menschennatur, der ist unwürdig, als Mensch geboren zu seyn. Weil ich die Schrecknisse des Krieges kenne, flehe ich täglich zum Himmel, mein Vaterland vor diesen fürchterlichen Scenen zu hüten. Gott wolle es! Ueber die aber, welche die neuerlichen blutigen Scenen veranlaßten, komme das unschuldig vergossene Blut! Jetzt hören Sie auch die Stimme der Religion, wie Sie die Stimme der Vernunft gehört haben. Die Religion ist ja immer im protestantischen Mantel und Kragen, wie im römischen Talar dieselbe. Sie werden sehen, daß die, welche cs wagtcn, gegen Mißbräuche zu sprechen, verfolgt wurden. Der Prophet Samuel stellte den Juden, als sie einen König verlangten, die Folgen des Königthums vor. (Beschluß folgt.) Verantwortlicher Redakteur und Verleger Carl Georges.

Literatur

  • Dr. Britta Hallmann-Preuß, Georg Karl Rings, Dr. Fritz Schumann (2009): Johannes Fitz - genannt der Rote. Bad Dürkheim
  • Herausgeber Kulturministerium Rheinland-Pfalz (1982): Hambacher Fest 1832-1982. Neustadt an der Weinstraße
  • Hrsg. Kultusministerium Rheinland-Pfalz (1990): Hambacher Fest 1832 Freiheit und Einheit - Deutschland und Europa (Katalog zur Dauerausstellung). Neustadt an der Weinstraße
  • Kurt Baumann Hrsg. (1982): Das Hambacher Fest - 27. Mai - Männer und Ideen. Speyer
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Der über 2000-jährigen Tradition des Weinbaus in Bad Dürkheim entsprechend, ist das Stadtmuseum in einem ehemaligen Weingut untergebracht. Auf über...

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