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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz [2013/0062]
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Buch, Broschüre, Aufsatz: "Darstellung der blutigen Ereignisse vom Pfingstfeste 1833"

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Beschreibung

Buch, Broschüre, Aufsatz: "Darstellung der blutigen Ereignisse vom Pfingstfeste 1833 auf dem Hambacher Schlossberge im Dorfe Hambach und zu Neustadt a. d. Haardt"; 71 Seiten; Neustadt a. d. Haardt, 1833
Beschreibung der blutigen Ereignisse aus Sicht der Betroffenen Bürger. Ein Versuch die "offiziellen" Veröffentlichungen der Regierung zu berichtigen. So möchte der Stadtrat von Neustadt die Stadt und ihre Bürger vor falschen Darstellungen schützen. Um die Möglichkeit rechtlicher Schritte so gering als Möglich zu halten, werden nur Namen der misshandelten Bürger genannt.
Die Militäraktion gerät außer Kontrolle. Es gibt den Befehl "jeden zusammen zu hauen".
Unterzeichnet haben:
A. Penner, 1. Adjunkt. Schmelz, 2. Adjunkt.
Schopman Racor. Lederle. Schwarzwälder.
Mattil. Brodt. Boetheim. Knöchel.
Claus. Bub. Hassieur. Christmann.
Abresch. Haag. Rau. Braun.
Helfenstein. Klein. Knauber. Georg Frey.
Sämmtlich Mitglieder des Stadtraths.

Material/Technik

Papier, weiß; schwarz * beschriftet

Maße

Breite/Länge: 12,5 cm; Höhe: 19 cm; Tiefe: 0,5 cm

Abschrift

Original: Deutsch

Darstellung der blutigen Ereignisse vom Pfingstfeste 1833, auf dem Nebst mehreren Beilagen. Hambacher Schlossberge, im Dorfe Hambach und zu Neustadt a. d. Haardt. Neustadt a. d. Haardt. Im Selbstverlage der Herausgeber. 1833. Darstellung der blutigen Ereignisse vom Pfingstfeste 1833, auf dem Hambacher Schlossberge, im Dorfe Hambach und zu Neustadt a. d. Haardt. Nebst mehreren Beilagen. Veröffentlicht durch mehrere Bürger von Neustadt, Mitglieder des Orts-Vorstandes und Stadt-Rathes daselbst, zur Berichtigung und Widerlegung verschiedener in öffentlichen Blättern bisher erschienener, jene Ereignisse entstellender, die Bürger von Neustadt verläumdender Berichte und Aufsätze. Neustadt a. d. Haardt. Im Selbstverlage der Herausgeber. 1833. Darstellung der blutigen Ereignisse vom Pfingstfeste 1833. auf dem Hambacher Schlossberge, im Dorfe Hambach und zu Neustadt a. d. Haardt. Wahrheit, nichts als Warheit, die ganze Wahrheit. Vorwort. Ueber die blutigen Vorfälle vom 27. Mai jüngst in Hambach und Neustadt, hat man sich beeilt, in verschiedenen öffentlichen Blättern, besonders in der Münchner Politischen, in der Frankfurter Ober-Postamts- und in der Karlsruher Zeitung, Berichte erscheinen zu lassen, welche die Augenzeugen jener beklagenswerthen Ereignisse mit Erstaunen und Indignation erfüllten, indem ihr Inhalt eine seltene Virtuosität in der Kunst zu entstellen verräth, indem darin Unwahrheit an Unwahrheit, Verläumdung an Verläumdung gereiht ist, indem der Zweck dieser fortgesponnenen Gewebe von Unwahrheiten kein anderer seyn kann, als die öffentliche Meinung irre zu leiten, die schwere Schuld von denen, die sie am 27. Mai aus ihre Schultern luden, herabzuwälzen, und Unschul- VI dige damit zu belasten oder wenigstens eine barbarische Handlungsweise zu beschönigen, und zu entschuldigen; eine Handlungsweise, welche das Gesetz strafbar erklärt, die öffentliche Meinung verdammt, und deren Urheber, auch wenn das Schwerdt der strafenden Gerechtigkeit sie nicht erreichen sollte, ewig mit dem Stempel der Schande gebrandmarkt bleiben werden! Die Bürger von Neustadt sind insbesondere durch jene unwahre Berichte den Augen der Welt als Unruhestifter und Rebellen bezeichnet, man beschuldigt sie öffentlich mit frecher Stirne, sie hatten Veranlassung zu jenen beispiellosen Gräuelscenen gegeben und nur die gerechten Folgen ihrer eigenen Handlungen, erfahren. Zu diesen Beschuldigungen können die Unterzeichneten als Bürger von Neustadt nicht länger schweigen; sie, durch das Vertrauen ihrer Mitbürger als Mitglieder des Vorstandes und Stadtrathes der Gemeinde gewählt, verpflichtet, in derselben die Ruhe und Ordnung zu handhaben, das Interesse der Stadt zu wahren und zu fördern, sind es sich selbst und ihren Mitbürgern schuldig, das Organ derselben zu seyn, ihre und ihrer Mitbürger angegriffene Ehre in Schutz zu nehmen, und sich offen und rücksichtslos über das Vorgefallene zu äußern, damit nicht nur der übrige Rheinkreis (in VII welchem, obwohl die Censur in öffentlichen Blättern nichts zur Vertheidigung der in andern Blättern angegriffenen und verläumdeten Bürger von Neustadt passirt, dir Wahrheit schon ziemlich allgemein bekannt, und die öffentliche Meinung fixirt ist,) sondern auch die übrigen entfernteren baierischen Lande sodann ganz Deutschland und das übrige Europa, erfahre und erkenne, auf welcher Seite bei jenen Gräuelscenen das Recht, auf welcher das Unrecht war. Bei der Zusammenstellung der Thatsachen haben dir Unterzeichneten nur solche erwähnen zu dürfen geglaubt, die sie selbst mitangesehen haben, oder die Ihnen von glaubwürdigen Augenzeugen angegeben wurden, deren Wahrheit also unzweifelhaft ist, und sich durch nähere gerichtliche Untersuchung leicht Herausstellen wird. Darum hat auch die gegenwärtige Darstellung den Zweck, den untersuchenden Behörden und Beamten viele wesentliche Anhaltspunkte zu liefern, und sie der Spur der Wahrheit, deren Erforschung ihre Aufgabe seyn muß, näher zu führen, zu welchem Behufe diese Darstellung vorzüglich den höchsten und sonst einschläglichen Behörden und Beamten des Landes eingesendet werden soll. Uebrigens hat man absichtlich vermieden, irgend VIII einen Namen (außer den mißhandelter Bürger) zu nennen, um auch den Schein jeder Persönlichkeit zu entfernen. Damit aber auch ein jeder, mit den Gesetzen des Landes nicht vertraute oder entferntere deutsche Mitbürger im Stande sey, den Hergang der Sache vom gesetzlichen Standpunkte aus zu beurtheilen, und den Maaßstab der bestehende Gesetze an denselben zu legen, hielt man für geeignet, einen Blick auf denjenigen Zweig der Gesetzgebung des Landes zu werfen, welcher das Verhältniß des Bürgers zu den bürgerlichen Behörden und das Verhältniß beider zu der Militair-Gewalt feststellt. Hierdurch wird jedermann besser wie durch jeden sonstigen Commentar in den Stand gesetzt seyn, zu vergleichen, ob jene Gesetze ihre Anwendung fanden oder nicht, ob und von welcher Seite sie verletzt worden. Vorgängige Maasregeln die ergriffen waren um die Ruhe und Ordnung am 27. Mai 1833 in Neustadt und Hambach aufrecht zu halten. Das Hambacher Fest von 1832 hatte eine Masse von vielleicht 30,000 Menschen auf einen engen Raum zusammengeführt; die Local-Polizei-Behörden hatten damals ihre Vorsichts-Maasregeln getroffen, keine Militär-Gewalt erschien, und es ist bekannt, daß weder in Neustadt, noch auf dem Hambacher Berg zu jener Zeit der mindeste Exzeß von Seiten des Volks vorfiel; ein schlagender Beweis des Sinnes für Ordnung und Recht, der die Einwohner Neustadts und der Umgegend beseelt, und dieser Sinn hatte sich damals durch manche begeisternde Rede an das versammelte Volk nicht irre machen lassen. Die gerichtlichen Behörden selbst, wollen in einem Theile dieser Reden direkte Provokationen zur Rebellion gefunden haben, ein Theil der Redner schmachtet seitdem im Kerker, und ihr Schicksal wird sich vor dem nahen Assisenhof vor den sie verwiesen sind entscheiden. Was hatten nun jene Provocationen damals, wo ein gereizterer Instand im Volke existirte als heute, hervorgebracht? wo wie schon bemerkt 30,000 Menschen von erhabenen Gefühlen begeisterten Menschen versammelt waren und wo in dem Volke sich schon laut die Unzufriedenheit mit verschiedenen Regierungs-Maasregeln aussprach? 1

Original: Deutsch

2 Nicht die mindeste Störung der öffentlichen Ordnung und und Ruhe, noch weniger nur den mindesten Versuch, die den Bewohnern des Rheinbaierns stets heilige Gesetze, durch irgend ein Attentat auf dieselben zu verletzen. Dessen ohngeachtet waren, gleich nach dem Hambacher Feste, bis zur Annäherung des Jahrestags desselben, von Seiten der königl. Staatsregierung, solche die bisherige bürgerliche Freiheit beschränkende Maasregeln getroffen worden, daß nicht allein die Redner der gröbsten Verbrechen beschuldigt, sondern daß auch jeder nicht gefällige Anstrich der politischen Ansichten einzelner sogleich verdächtiget und dadurch denselben vielfältige Kränkungen zugezogen wurden. Von keiner Seite war daher irgend eine Einladung zu einem Hambacher Feste ergangen, und es war anzunehmen, daß wenn ein oder der andere Bürger aus der Umgegend die Hambacher Höhe mit seiner Familie am 2. Pfingsttage besuchen würde, er nur dem alten Brauche folge, der von jeher an diesem Festtage Spaziergänger auf jene Höhe rief; um sich durch den Anblick der herrlichen Aussicht und der üppig prangenden Natur in Nahe und Ferne zu erfreuen. Unter diesen Umständen schien dem Unbefangenen jede außerordentliche polizeiliche Maasregel, zur Verhinderung der Wiederholung eines Hambacher Festes von 1832 höchst überflüssig und höchst unnöthig. Nur dem leidigen geheimen Polizei- und Denunciations-Wesen, was täglich weiter um sich greift, je mehr Vertrauen ihm geschenkt wird, konnte es dennoch gelingen, ungegründete Besorgnisse bei dem königl. Ministerium, und bei der königl. Regierung des Rheinkreises zu erregen, und es erschienen die Erlasse dieser Kreisstelle, vom 14. Mai 1833 die sich in der Beilage I. Ziffer 1 und 2 abgedruckt finden. Es ist bemerkenswerth: 1) Daß die Instruction für die Local-Polizei-Behörden (Ziffer 1) diesen ausschlieslich die Handhabung der öffentlichen Ordnung und Ruhe aufgibt; 3 2) auf die eigene gesetzliche Verantwortlichkeit der Local-Polizei-Behörden und Gemeinden für etwaige Nachläßigkeiten aufmerksam macht; — beides ganz der im Rheinkreise bestehenden Gesetzgebung gemäß. (Beilage II. Ziffer 4) 3) das volle Vertrauen der Kreisstelle auf das Pflichtgefühl der Gemeinde-Beamten, und auf die gute und bewährte Gesinnung der unendlichen Mehrzahl der Bürger des Kreises ausspricht. In dem Umlaufschreiben der Kreisstelle vom 14. Mai. (Beilage I. Ziffer 2) ist den königl. Land-Commissariaten aufgegeben, auf den bedrohten Punkten (?) mit der aufmerksamsten Thätigkeit den Vollzug der getroffenen Maasregeln zu überwachen. (Siehe Beilage II. Ziffer 4) und von allen erheblichen Vorfällen so schleunigst als möglich Anzeige an die Kreis-Regierung zu erstatten, damit nach Umständen die etwa erforderliche größere Militärhülfe geleistet werden könne (Beilage II. Ziffer 6) mit dem Zusatze: „daß wo diese eintritt, das königl. Land-Commissariat verläßige Fürsorge treffen muß, damit „die dreimaligen gesetzlichen Aufforderungen durch „einen Polizei-Beamten geschehen, ehe die Militär-Gewalt einschreitet". Hätte man diese gesetzlichen Vorschriften befolgt, es wäre kein Bürgerblut geflossen, viele Hunderte von ruhigen, unschuldigen Menschen wären nicht auf eine so barbarische betrübende Weise mißhandelt worden, das Vertrauen in den gesetzlichen Sinn der Behörden stünde nicht so erschüttert, und der ruhige Bürger wäre gewiß, daß seine Person und sein Eigenthum, seine Freiheit und sein Leben, nicht der Willkühr, der Rohheit und Gewaltthat derjenigen preisgegeben sey, denen man die Waffen anvertraut, und die der Bürger bezahlt, um ihn gegen äußern und innern Feind zu schützen. Auf jene Erlasse der Kreisstelle folgte das Schreiben des Landcommissariats an das Bürgermeister-Amt Neustadt vom 18. Mai, (Beilage II. Ziffer 3), sodann der Be- 1* 4 schluß des Stadt-Rathes von Neustadt, (Beilage I. Ziffer 4) und die Verordnung des Polizei-Amtes d. d. Neustadt 24. Mai 1833, (Beilage I. Ziffer 5.) Obwohl der Orts-Vorstand von Neustadt fest überzeugt war, daß weder in der Stadt, noch in der Umgegend Unordnungen oder Excesse vorfallen würden, so wurden dennoch, um auch für jeden unvorhergesehenen Fall Fürsorge zu treffen, um den Wünschen der höhern Behörde nachzukommen, 200 Neustadter Bürger als SicherheitsGarden gewählt, die, ohne Waffen, jedoch mit der Auszeichnung einer blau-weisen Binde am Arm versehen, am 27. Mai die Polizei unterstützten, und gehörig vertheilt, überall Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten und etwaige Ruhestörer augenblicklich verhaften, und dem Polizei-Amt überliefern sollten. Nachdem auf diese Weise alle Vorsichts-Maasregeln in Uebereinstimmung mit der Kreisstelle getroffen waren und durchaus nichts eingetreten war, was als bedenkliches Anzeichen, künftiger Ruhestörung hätte gedeutet werden, und sonach die für solchen Fall in der Polizei-Instruc-tion (Beilage I. Ziffer 1,) unter Artikel 7 vorgeschriebene Anzeige veranlassen können, mußte es für die Bürger von Neustadt sehr überraschend seyn, als am 22. Mai 6 Compagnien vom 15. Linien-Regiment im Städchen einrückten, und als diesen Truppen sofort, auf öffentlicher Straße aus mehreren Fässern scharfe Patronen ausgetheilt wurden; noch auffallender mußte der Befehl seyn, daß diese Truppen bei den Bürgern einzuquartiren und von ihnen zu verpflegen seyen, denn diese Zumuthung ist ungesetzlich, und hätte die begründetsten Reclamationen zur Folge gehabt, wenn nicht andern Tages diese Last den Bürgern abgenommen worden wäre. Bei dem Einmarsch dieser Truppen am 22. Mai erlaubte sich ein Offizier eine nicht zu rechtfertigende Gewaltthätigkeit gegen einen Bürger (Philipp Lanz). Dieser stand auf der Straße, etwa 6 Schritte vom Militär entfernt, und hatte eine (nicht brennende geschlossene) Tabakspfeife im Munde; der Of- 4 fizier ritt auf ihn zu, und schlug ihm mit dem entblößten Degen, dessen Spitze beinahe die Augen des Bürgers erreichte, die Pfeife aus dem Munde und entzwei, so daß einem in der Nähe stehenden Bürgers-Sohn (Jacob Böckler) ein Stück der Pfeife in das Gesicht flog. Der Regierungspräsident, und der Director der Kammer des Innern, begaben sich zu jener Zeit nach Neustadt. Ersterer benahm sich mit dem Bürgermeisterei-Adjunkten, da der bisherige Bürgermeister seine Entlassung gegeben hatte, und einzelnen Stadt-Räthen, letzterer ließ den Stadt-Rath versammeln, und besprach sich mit ihm über die für den 27. Mai zu ergreifenden Maasregeln: dieser Staats-Beamte versicherte, daß der Besuch des Hambacher Schlosses nicht verhindert werden könnte noch sollte; er sagte unter anderm zu den Stadt-Räthen: — „Gehen Sie hinauf auf das Schloß, seyn Sie lustig und vergnügt: nur sorgen Sie, daß kein öffentlicher Zug mit Fahnen und keine Reden statt finden!" Der Stadt-Rath gab seine Versicherung dafür, daß alles dergleichen unterbleiben würde; mehrere Mitglieder des Stadt-Rathes, die Mit-Eigenthümer der Schloß-Ruine und ihrer nächsten Umgebungen sind, betheuerten zugleich, daß in so ferne einzelne Bürger mit ihren Familien am 2. Pfingsttage, dem uralten Herkommen gemäß, das Hambacher Schloß besuchen würden, sie, als Mit-Eigenthümer des Schlosses, selbst die nöthige Aufsicht und Ordnung halten, und jeden Ruhestörer augenblicklich arretiren und der Polizei übergeben lassen würden. Man erfuhr auch, daß Befehle an die Gensdarmerie ergangen waren, sich am 27. Mai möglichst zahlreich auf dem Hambacher Berge einzufinden, ferner, daß der General-Procurator am königl. Appellhof zu Zweibrücken, den Staats-Prokurator vom königl. Bezirks-Gerichte zu Frankenthal, beauftragt hatte als obergerichtlicher Polizei-Beamter des Bezirks am 27. Mai sich in Person auf das Hambacher Schloß zu begeben, und durch seine Gegenwart die Ruhe und Ordnung zu sichern, und nöthigen Falls auf gesetzlichem Wege ge- 6 gen Ruhestörer einzuschreiten, ja im Falle der äußersten Noth die Hülfe der bewaffneten Macht zu requiriren. So waren denn alle Vorkehrungen getroffen, um dem Pfingstfest mit aller Ruhe entgegen sehen zu können, und allgemein sah man die Gegenwart der Truppen in Neustadt, eben so wie die von der Kreisstelle veranlaßten Verhinderungen, Fremde ohne Pässe kurz vor dem Pfingstfeste den Rheinkreis betreten zu lassen, als höchst überflüssige Maasregeln an. Ereignisse am 26. Mai. An diesem Tage fiel nichts vor, was die öffentliche Ruhe im mindesten störte; doch will man hier einige Ereignisse dieses Tages erwähnen, nur um zu zeigen, daß jedenfalls in ihnen keine Anzeigen von einer Tendenz zu Excessen von Seiten der Bürger lagen. Nachmittags bemerkte man auf dem Kapellen-Berg ohnweit Neustadt, in der Gemarkung des nah gelegenen Dorfes Haardt, ein papiernes Fähnlein, was Kinder auf einen Wingerts-Pfahl geheftet hatten, und bei welchem sich viele Knaben von 10 bis 12 Jahren belustigten; da auch ein Kinderspiel an diesen Tagen anstößig hätte erscheinen können, so wurden sogleich einige Polizei-Offizianten nach der papiernen Fahne ausgesendet, die sie alsbald Wegnahmen, und auf das Rathhaus brachten. Gegen Abend wurden einige junge Leute, indem sie aus dem Gasthaus zum Löwen kamen, von einem kurz vorher da ausgestellten Wachtposten gröblich beleidigt, und durch Kolbenstöße mißhandelt. „Auf die Frage, was ihn hiezu veranlasse, erhielten sie die Antwort:" — ich muß meine Pflicht thun, und wenn Sie wüßten, was für Ordre wir haben, so würden sie sich über mein Benehmen gar nicht wundern." 7 Mehrere Vorübergehende blieben stehen, drückten ihre Verwunderung über das Vorgefallene aus, ohne daß der Vorfall irgend eine Unordnung zur Folge hatte. Kurz darauf gieng der Sohn des Wirths in jenem Gasthause mit einer Tabaks-Pfeife aus dem Zimmer in den Hof, und erhielt von demselben Wachtposten, nachdem ihn derselbe, ohne alle vorherige Anrede oder Warnung, die Pfeife mit der Spitze des Bajonetts aus dem Munde geschlagen hatte, einen Stoß mit dem Gewehrkolben auf die Brust, der ihn rücklings zu Boden warf, und an dessen Folge er lange Zeit litt. Dieser Vorfall veranlaßte wieder einen Zusammentritt mehrerer vorübergehenden Bürger vor dem Hause, führte jedoch, so geeignet er auch war, die Bürger zu entrüsten und aufzureizen, keine Unordnung herbei. Die Nacht von dem 26. auf den 27. Mai gieng ruhig vorüber. Ereignisse am 27. Mai. Schon in der Nacht oder früh Morgens waren die Umgebungen von Neustadt, namentlich die dahin führenden Straßen überall mit starken Militär-Piquets besetzt worden, die den Auftrag hatten, etwa ankommende Reisende anzuhalten und zurückzuweisen; eben so waren diejenigen Punkte auf nahgelegenen Anhöhen die an Sonn- und Feier-Tagen von Spaziergängern besucht zu werden pflegen, namentlich das Hambacher Schloß, die Wolfsburg, der Bergstein von der bewaffneten Macht besetzt. Morgens gegen 7 Uhr kam ein Staatsbeamter von hohem Range unerwartet mit dem Chef des Militärs zu Neustadt an. Sofort wurde durch die Schelle bekannt gemacht, daß noch 1200 Mann Soldaten einrücken und bei den Bürgern einquartiert würden. Bei der vollkommenen Ruhe, die in und außerhalb Neustadt herrschte, erstaunte jedermann. Über Maasregeln, deren Veranlassung und Zweck sich niemand erklären konnte. 8 Jener Staatsbeamte begab sich auf das Rathhaus, wo Adjunkt Penner mit einem Gemeinde-Schreiber damit beschäftiget war, die angekündigte Einquartierung zu ordnen, zu vertheilen und die Quartier-Zettel zu fertigen; ein Geschäft, was, um gehörig und gerecht ausgeführt zu werden, die genausten Local-Kenntnisse erfordert, und darum gesetzlich der Local-Behörde ausschliesslich überwiesen ist. (Siehe Beilage II. Ziffer 1.) Nichts destoweniger schien dieser Staasbeamte sich für befugt zu halten, in die Amtsfunctionen der Local-Behörden störend einzugreifen. So befahl er z. B. bei dem Bürger Hornig, Wirth zum goldenen Schiff 50 Mann Soldaten nebst den Offizieren einzuqartiren; auf die dagegen durch die Einquartierungs-Commision erhobene, Demonstration und Bemerkung, daß die Räume dieses Hauses eine solche Anzahl Soldaten nicht fassen könnten, beauftragte der Staatsbeamte, in diese Angaben der Local-Behörden ein für sie beleidigendes Mißtrauen fetzend, den Polizei-Commissär augenblicklich die Localitäten in jenem Hause aufzunehmen, und als nun das Resultat dieser Untersuchung die Angaben des Adjunkten als richtig bestätigte, so bestand derselbe dennoch darauf, daß bei dem Bürger und Wirth Hornig 8 Offiziere nebst Bedienten und Pferden einqartirt wurden, was sofort auch geschehen mußte, obwohl hierin eine willkührliche und ungerechte Ueberbürdung für jenen Bürger lag. Auf ähnliche Weise mußten auf Befehl jenes hohen Staats-Beamten noch andere Bürger von Neustadt (ohne Zweifel nur darum, weil er erfahren, daß ihre politische Ansichten mit den seinigen nicht übereinstimmen) mit Einquarti-rung überbürdet werden, z. B. Buchhändler Christ-mann, Färber Förster, und Stadt-Räthe Mattil und Abresch, welch letzterem, obwohl er schon früher mit Einquar-tirung bedacht worden war, auf ausdrücklichen Befehl jenes Staats-Beamten, wieder ein Oberlieutenant nebst Bedienten und 7 Canonieren zugetheilt wurden. Es scheint daß dieser Offizier die Idee festhielt, als sey er 9 bei genanntem Abresch zur Strafe desselben einquartirt, und daher befugt und verpflichtet, so zu haußen, wie ein Militär von Bildung, kaum in Feindes Land haußen mag. Denn nachdem die Kanoniere bei Bürger Abresch sich satt gegessen und getrunken hatten, verlegte der Offizier sie auf Kosten von Abresch in das Wirthshaus, wo sie diesem Bürger noch eine übermäßige Zeche veranlaßten. Der Offizier selbst aber, nachdem er sich bei seinem Quartier-Träger das Mittagessen am 28. Mai noch hatte gut schmecken lassen, warf die geleerten Schüsseln und Teller zum Fenster hinaus auf die Straße, und erlaubte sich gegen Abresch und seine Familie alle mögliche Unarten und Schimpfreden. (Siehe Beilage II. Ziffer 1.) Alsbald nach der Ankunft des Staats-Beamten und Militär-Chefs am Vormittag des 27. Mai, rückte eine Abtheilung Chevauxlegers des 5. Regiments und etwas später ein Bataillon Jäger von Speyer kommend in Neustadt ein; die größte Ruhe und Ordnung herrschte fortwährend in der Stadt, — die einziehenden Soldaten bildeten Kolonnen, die die ganze Breite der Hauptstraße einnahm, so daß die Bürger, die sich grade darein befanden, in Nebenstraßen flüchten oder sich dicht an die Häuser drücken mußten. — Der Militär-Chef, es ist schwer zu sagen, aber leider nur zu wahr, — gab bei dieser Gelegenheit einen frappanten Beweis, wie er die Würde seines Standes mit der Achtung, die er dem Bürgerstand schuldig ist, zu vereinigen weiß: er mißhandelte die Bürger, die das Unglück hatten, in seine Nähe zu kommen; auf offener Straße, im Angesicht seiner Truppen, vieler Bürger und Mitglieder des Ortsvorstand von Neustadt, schlug er mit eigenen Händen, mit eigenen Fäusten viele Bürger, die ruhig vorüber gingen, und ihm keine Veranlassung zu solchen Mißhandlungen, (die ohnehin mit nichts entschuldigt, gerechtfertiget werden können) gegeben hatten und sogar nach erlittenen Mißhandlungen nichts thaten als daß sie durch Entfernung sich weitern Unbilden entzogen. Dieses traurige im Rheinkreis neue Beispiel 10 von Gewaltthätigkeiten eines Militär-Chefs gegen Bürger gieng leider für die Soldaten nicht verloren. Der erwähnte Staats-Beamte hatte auch am Morgen seiner Ankunft dem Orts - Vorstände von Neustadt erklärt, die Schloß-Ruine von Hambach (Privat-Eigenthum) seye bereits mit einer Compagnie (118 Mann) Soldaten besetzt, eine Maasregel, die Verwunderung erregte, weil sie ohne vorheriges Benehmen mit irgend einer Local-Polizei-Behörde beschlossen und ausgeführt worden war; der Staats-Beamte verband mit jener Erklärung die Einladung an den Adjunkten von Neustadt, zu sorgen, daß Brod und Wein (118 Litter) große Bouteillen) für jene Soldaten auf's Hambacher Schloß gebracht würden, und zwar auf seine, des Staats-Beamten eigene Rechnung, welcher Einladung sofort Folge geleistet wurde, Nachmittags gegen 2 Uhr rückte noch ein Bataillon des 6. Linien-Infaterie-Regimnets nebst 4 Kanonen von Landau kommend, im Stäbchen ein. Das Geschütz wurde mitten in der Straße am Hambacher Thor, nach der Stadt gerichtet, aufgestellt; die von Landau angekommenen Truppen aber giengen alsbald in die nahen Dörfer, Hardt, Gimeldingen und Diedesfeld ab, mit Ausnahme der Artillerie welche ebenfalls in der Stadt einquartirt wurde. Gegen 3 Uhr, nach aufgehobener Tafel im Wirthshause zum goldenen Löwen fuhr der mehrerwähnte hohe Staats - Beamte und der Militär - Chef, (nachdem sich ersterer auf dem Rathhause überzeugt hatte, daß seine Befehle rücksichtlich der Vertheilung der Einquartierung in Neustadt vollzogen worden waren) nach Hambach ab. Was auf dem Hambacher Schloßberge am 27. Mai von früh Morgens bis zur Ankunft des hohen Staats-Beamten und Militär-Chefs vorgefallen war, soll hier nachgeholt werden. In Neustadt war von der während der Nacht oder am frühen Morgen erfolgten militärischen Besetzung der Hambacher 11 Schloß-Ruine, die Privat-Eigenthum ist, nichts bekannt; es hieß nur, der Bürgermeister von Hambach, in dessen Gemeinde-Bann die Ruine liegt, mit Sicherheitsgarden und Gensdarmen, dann der königl. Land-Commissär von Neustadt und der kgl. Staats-Procurator von Frankenthal seyen beauftragt, dort Ordnung und Ruhe zu handhaben, und jedem etwaigen Exzeß durch ihre Gegenwart vorzubeugen. Diese Vorkehrungen waren für die Bürger von Neustadt und der Umgegend, die gewohnt waren alle Jahre an diesem Tage die schöne Ruine von Hambach zu besuchen, eher einladend als abschreckend, weil nun durchaus keine Störungen der öffentlichen Ordnung, die niemand wünschen konnte, zu befürchten waren; manche Familien, theils mit Erfrischungen versehen, theils ohne diese, in der Erwartung, sie wie sonst auch auf dem Berge käuflich zu suchen, machten sich also dahin auf den Weg. Unter diesen Spaziergängern (die einzeln ausgiengen, einzeln ankamen, und einzeln wieder zurückgiengen, ohne daß irgendwo ein Zug oder dergleichen statt gefunden hätte,) befanden sich auch verschiedene Miteigentümer der Hambacher Schloß-Ruine: oben angelangt, fand man mit Staunen das alte Schloß und das umgebende Terain, namentlich die geräumige Terasse, die den bequemsten und gewöhnlichen Aufenthaltsort der Eigenthümer und des besuchenden Publikums bildet, vom Militär besetzt, und der Zugang wurde jedermann durch die ausgestellten Wachtposten untersagt. Eine Reclamation der Schloßeigenthümer hatte nur die Folge, daß die Terasse Ihnen und dem nach und nach sich oben sammelnden Publicum zum Aufenthalts - Orte überlassen wurde, und daß die Wachtposten sich mehr nach der Ruine zurückzögen, in deren Mauern die Compagnie Soldaten und die Gensdarmen sich aufhielten; einige Boutiquen waren errichtet, in der einen wurden warme Getränke, Kaffe etc., in der andern Wein verkauft; man sah Bürger, Offiziere und Gensdarmen, diese Boutiquen benutzen; übrigens wurde

Original: Deutsch

12 im Ganzen sehr wenig Wein getrunken, denn ob wohl vom Morgen bis zum Nachmittag nach und nach etwa 500 Menschen mögen ab- und zugegangen seyn, so hat dennoch der Kiefer, welcher den Wein verzapfte, den ganzen Tag über, nach seiner spätern Angabe, nur 120 Litter Wein abgesetzt. Auf dem Berge befand sich als Local-Polizei-Behörde der Bürgermeister von Hambach mit (unbewaffneten) Sicherheitsgarden, und nebst dem erschienen gegen 7 bis 8 Uhr Morgens nacheinander der königl. Land-Commissär von Neustadt, ein Offizier der Gensdarmerie und der kgl. Staats-Procurator von Frankenthal. Die eingetroffenen Spaziergänger beiderlei Geschlechts hatten sich, wie der Zufall es wollte, auf verschiedene Weise gruppirt; hie und da wurden fröhliche Lieder, wie sonst auch angestimmt. — Als eine dieser Gruppen ein Mailied anstimmte, erschien der kommandierende Offizier und erklärte dies Lied dürfe nicht gesungen werden; da man sich nicht sogleich diesem von unbefugter Seite ergangenen Verbote fügte, sondern die Fortsetzung des Gesanges für erlaubt hielt, so lange die allein competente, und gegenwärtige Polizei-Local-Behörde ihn nicht verbot, so sah man den Offizier den Mantel abwerfen, und eine Abtheilung Soldaten kommandieren, welche mit geladenem Gewehr und gefälltem Bajonette sich auf der einen Seite der singenden Gruppe aufstellte, während auf der andern Seite in der Nähe ein Trupp Gensdarmen eine eben so drohende Stellung einnahm. Hierauf forderte der kommandierende Offizier die singende Gruppe auf, sich zu erklären, ob sie den Gesang aufgeben wollen, oder nicht. Natürlich fand sich niemand bewogen, solchen militärischen Demonstrationen Vernunft-Gründe entgegen zu sezzen und hierdurch sein Leben zu reskiren; man wich der Gewalt und schwieg. Später wurden hier und da wieder Gesellschafts-Lieder angestimmt : als aber eine oder die andere Gruppe französische (im Rheinkreis von jeher bekannte und beliebte) Lieder zu singen be- 13 gann, so wurde dies vom kgl. Land-Commissär mit dem Bemerken untersagt, daß gerade diese Lieder am anstößigsten wären und diesem Verbot ohne weiters von Seiten der singenden Gruppe Folge geleistet. Die Aufmerksamkeit der auf dem Hambacher Berge versammelten Menschen wurde durch die unerwartete Erscheinung zweier Fahnen erregt, die nacheinander auf andern Berghöhen in der Ferne aufgepflanzt wurden; wer diese Fahnen errichtete, in welcher Absicht sie errichtet wurden, ist schwer auszumitteln; ob es durch Knaben oder junge Leute geschah, die blos Muthwillen antrieb, ob es durch eine Parthie geschah, die in bürgerfeindlicher Absicht, dadurch ein gehässiges, verdächtigts Licht auf die Bürger Neustadts oder der umliegenden Ortschaften werfen wollten, (eine Vermuthung, die durch andere ähnliche Vorgänge in Neustadt bestärkt wird;) mag dahin gestellt bleiben; so viel ist gewiß, daß die entfernte Erscheinung dieser Fahnen bei den Gruppen auf dem Hambacher Berg, nur Gelächter, sogar unter den Soldaten erregte. Einige Gensdarmen wurden nach der zuerst aufgesteckten Fahne abgesendet, sie verschwand aber bald, und war im Ganzen nur etwa 5 Minuten sichtbar; während dieser kindischen Erscheinung herrschte unter allen Anwesenden die größte Ruhe wie vorher. Unter den Ankömmlingen befanden sich auch 4 Studenten aus Heidelberg, die Tages vorher mit Passen versehen, in einem Wagen zu Neustadt angelangt waren. — Man bedeutete ihnen, daß ihre Gegenwart hier nicht geduldet werden könnte, und daß sie sich augenblicklich in Begleitung von Gensdarmen über den Rhein zurück begeben müßten; umsonst baten sie, ihnen doch wenigstens zu erlauben, am Haardtgebirge hin über Dürkheim zurückzureisen, um die schöne Gegend zu sehen; sie wurden auf dem kürzesten Weg über den Rhein zurückgeführt. Sonstige Fremde oder Ausländer bemerkte man keine; auch ist nicht bekannt, daß Ausländer gekommen, und vor Neustadt durch die aufgestellten Militär-Piquets zurückgewiesen worden waren. 14 Die fortgesetzten Verbote bei Anstimmung eines oder des andern Liedes, veranlaßten einen jungen Mann, (Ludwig Frey) seiner Umgebung mit lauter Stimme zu erklären, daß hier wohl nichts übrig bleibe, als sich der Gewalt zu fügen; daß aber bei der fortgesetzten Störung auch der unschuldigsten Aeußerungen von Frohsinn, eine Unbehaglichkeit eintrete, die jedermann bestimmen müsse, sich bald von diesem Orte zu entfernen, wodurch auch jeder Anlaß zu Reibungen vermieden werden würde. Diese Worte fanden Anklang, allein sie waren dem K. Staats-Prokurator augenblicklich als eine gehaltene öffentliche Rede angezeigt worden; dieser näherte sich in Begleitung mehrerer Gendarmen, und constituirte den jungen Mann wegen der angeblich gehaltenen Rede. Nach Erfolg der Explikation billigte der K. Staats-Prokurator die ausgesprochene Absicht des jungen Mannes und entfernte sich wieder mit den Gendarmen. Auch der K. Land-Commissär drückte seine Zufriedenheit über die ruhige Haltung der Gesellschaft auf dem Hambacher Berge aus. Schon hatten sich gegen die Mittagszeit die Neustadter Bürger und Familien, die den Hambacher Berg bestiegen hatten, nach und nach wieder entfernt, und auf dem Berge befanden sich nur noch Landleute von Hambach und aus der Umgegend, Männer, Weiber und Kinder, die friedlich auf dem Berge gruppirt, und gelagert waren. Zwar hatten andere Bürger von Neustadt die Absicht, erst nach Tisch den Hambacher Berg zu besuchen, allein sie gaben diese Absicht entweder ganz auf, oder kehrten unter Wegs um, nachdem sie erfahren hatten, daß Soldaten, namentlich eine gegen Mittag auf den Hambacher Berg gehende Compagnie, sich grobe Mißhandlungen (Rippenstößen, Huthabwerfen, Wegtreiben aus dem Wege in Hecken und Weinbergen etc.) gegen die unterwegs angetroffenen Spaziergänger beiderlei Geschlechts erlaubt hatten. So z. B. giengen Nachmittags gegen 4 Uhr Louisa und Friederika Haas nebst zwei andern Freundinnen in Begleitung von Johann Baptist Wernet von Neustadt aus nach dem Hambacher Schloß. Zwischen dem Dorf und der Ruine Hambach kamen ihnen Kinder, Frauen und Männer entgegenge- 15 laufen, welche von Soldaten und einem Gensdarmen den Berg herab verfolgt wurden. Wernet stellte sich mit den 4 Frauenzimmern an die Seite des Weges, ohne zu ahnden, daß auch ihnen Gefahr drohe, die Soldaten und der Gensdarme schlugen aber sogleich mit Gewehrkolben auf sie zu. Alles Bitten, doch Frauenzimmer zu schonen, war vergeblich, bis endlich einer der Soldaten sich der Frauenzimmer einnahm. Er begleitete sie einige Schritte, und sagte zu ihnen dann: „ich bin euer Glück, denn wir haben Ordre „alles nieder zu hauen was vor uns kömmt." Die übrigen Soldaten und der Gensdarme schlugen aber fortwährend auf Wernet, indem sie riefen: der liberale Hund muß sterben." Wernet rettete sich endlich durch die Flucht, und den Körper voll blauer Mahle, kam kaum die kleine Gesellschaft nach Neustadt zurück. Nachmittags gegen 4 Uhr kurz vor dieser eben erwähnten Mißhandlungen gebildeter Damen, kamen der Militär-Chef und mehrerwähnter Staats-Beamte, der hier wie in Neustadt nur in einfacher Civil-Kleidung erschien, auf dem Hambacher Berge an, wo unter den wenigen noch anwesenden Landleuten die größte Ruhe und Ordnung fortwährend herrschte. „Beim Vorüber- ,, gehen an der Kaffee-Boude trat Fürst Wrede mit den Worten: Herr mäßigen sie ihren Blick" zu dem Bürger Geisbauer aus Neustadt, der gerade mit einem andern in der Boude Kaffee trank, der Bürger wußte nichts anderes zu thun als seinen Kaffee fortzutrinken: ersterer eilte von ihm weg nach der Schloß Ruine zur bewaffneten Macht; sofort wurde jener Bürger durch andere gewarnt, sich schnell durch die Flucht der gegen ihn so eben befohlenen Arrestation zu entziehen. Kaum waren General Horn und Fürst Wrede auf dem Hambacher Schlosse angelangt, so ergiengen unmittelbar nach der eben erwähnten Scene das Kommando an die sämmtlichen Soldaten und Gensdarmen, den Berg sogleich zu säubern, und die dort befindlichen Menschen mit den Waffen wegzutreiben. 16 Es ist schwer, sich einen Begriff davon zu machen, mit welchem Eifer, ja mit welcher Wuth, dieser Befehl vollzogen wurde! Ohne daß den friedlich gelagerten Bürgern von irgend einer Seite die Mittheilung gemacht worden wäre, ihr fernerer Aufenthalt an dieser Stelle, deren Besuch nicht verboten worden war, und bisher nicht den mindesten Exceß veranlaßt hatte, könne nicht geduldet werden, sie hätten demnach ihre Habseligkeit zusammenzuraffen, und sich zu entfernen, ohne daß noch weniger von Seiten der gegenwärtigen Local- und höhern Polizei-Behörden die verfassungsmäßige Requisition an den Militär-Chef zum Einschreiten des Militärs gegen unbewaffnete friedliche Bürger gestellt worden wäre, als wozu ja nicht die mindeste Veranlassung gegeben, noch weniger die Nothwendigkeit vorhanden war, ohne daß endlich die dreimalige Aufforderung an die Bürger sich zurückzuziehen ergangen wäre, ohne welche jedes Einschreiten der bewaffneten Macht als gesetzwidrig und strafbar erscheint, (Siehe Beilage II. Ziffer 0) fielen die Soldaten und Gensdarmen über die noch gegenwärtigen Bürger, die sich dessen gar nicht versahen, her und trieben sie, (es mögen noch einige hundert gewesen seyn) den steilen Berg hinab. Mit dem Gewehrkolben, dem Säbel und dem Bajonette wurden Männer, Weiber, Jünglinge, Mädchen, Greise und Kinder gräßlich mißhandelt; ja man sah Soldaten ihre unbegreifliche Wuth an leblosen Gegenständen der Bürger, an Hüthen, Müzzen, Körben und drgl. die sie zerstörten, abkühlen. Nicht genug, die Menschen von der Spitze des Berges weggetrieben zu haben, verfolgten die Soldaten und Gensdarmen sie auch noch den steilen Berg abwärts; die Verfolgten fielen, stürzten überall in der Eile der Flucht von Felsen zu Felsen, von Stein zu Stein; ihre bewaffneten Verfolger blieben ihnen stets auf der Ferse, und wo sie einen Flüchtling erreichten, war er der Kolbenstöße und Bajonett-Stiche gewiß! Philipp Bernhard, Sohn von Johann Bernhard in 17 Neustadt, ein junger Mensch von 16 Jahren, war Nachmittags 2 Uhr mit Waffeln auf das Hambacher Schloß gegangen. Als bald nach seiner Ankunft die Räumung des Schlosses durch das Militär bewerkstelligt wurde, begab er sich auf die Flucht, ward aber von den verfolgenden Soldaten erreicht, und mit Gewehrkolben fürchterlich mißhandelt. Man fiel sogar mit dem Bajonett auf den Knaben ein, worauf ihn endlich ein alter Feldwebel befreite. Als ihm dieser nach einigen Tagen in Neustadt begegnete, sagte er ihm ganz freundlich: „Nicht wahr Jun- „ger, wäre ich nicht gewesen, und hätte dich gerettet, „so wärst du heute nicht mehr am Leben." Während jener Verfolgung brüllten die Soldaten: „ihr „liberalen Hunde, ihr Franzosengesindel, ihr müßt alle sterben," Dem Wirth Sauter, einem schwächlich alten Mann, ergieng es bei jener Gelegenheit eben so wie Bernhard. Fußfällig und weinend flehte er die Soldaten um Erbarmen an, und dieß wirkte wenigstens so viel, daß er mit einer tüchtigen Portion Prügel davon kam. Sogar ein Schlafender am Fuße des Berges, in der Nähe seiner Wohnung, wurde von den Soldaten überfallen und mißhandelt. Adam Jungmann von Hambach, hatte dem Militär-Chef den Weg nach dem Schlosse gezeigt. Seine Belohnung enthält die Speyerer Zeitung vom 13. Juni 1833, Nro. 118, unter der Rubrik Bekanntmachung . Die meisten Flüchtlinge, stets ihre Verfolger auf dem Rücken, wandten sich dem zunächst am Fuße des Berges gelegenen Dorf Mittelhambach zu, obwohl nach dieser Seite hin der Berg am steilsten ist. Noch ehe das Dorf erreicht wurde, kamen Flüchtlinge und Verfolger durcheinander; hinter den vordersten Flüchtlingen sah man einen Trupp Verfolger, dann wieder hinter diesen einen andern, Flüchtlinge, mit den sie verfolgenden oder umgebenden Soldaten und Gensdarmen, die in ihren Mißhandlungen, wo sie einen Bürger erreichten, nicht müde wurden. Bald genügte es den Verfolgern nicht mehr, auf diese Weise ihre Waffen zu gebrauchen, während der Flucht und der 18 Verfolgung fielen Schüsse auf Fliehende, die man nicht erreichen konnte. Ja bis in die Straßen von Hambach hinein fielen Schüsse, und der eben genannte Bernhard sah auf seiner Flucht, bevor er das Dorf erreichen konnte, schon einen Knaben an dem Wege liegen, welcher fürchterlich schrie: ach Gott ich bin geschossen, welche Schüsse den in Hambach zurückgebliebenen Adjunkten veranlasste, sich schnell mit vier (unbewaffneten) Sicherheitsgarden, Lambert, Becker, Jungmann und Glas) in die vordere Strasse, die Schloßgasse, zu begeben. Der Sicherheitswächter Glas war etwas vorausgegangen, und als der Adjunkt mit den übrigen ihn erreichte, sah er, wie die Soldaten den Glas mißhandelten, umsonst gebot Mohr als Adjunkt des Orts- und Polizei-Beamter, mit der Schärpe versehen, den Soldaten, diesen Mann nicht weiter zu mißhandeln, da er ein guter Bürger und Sicherheitsgarde sey; sie gaben ihm fortwährend in Gegenwart des Adjunkten Kolbenstöße auf die Brust und auf den Rücken, so daß der Mißhandelte endlich zu Boden stürzte. Der Militär-Chef und der hohe Staats-Beamte kamen vom Berge herab zu dieser Scene und frugen, was da vorgehe; die Soldaten behaupteten, Glas habe nach ihnen geworfen; Glas erklärte, dies sey eine schändliche Lüge, und bemerkte, er habe 6 Jahre bei der kgl. baier. Armee gedient und nie eine strafbare Handlung begangen, auch heute nicht, und bat den Militär-Chef die Mißhandlungen der Bürger durch das Militär doch nicht länger zu dulden. Allein dieser soll ihm, wie Glas und noch mehrere Augenzeugen behaupten, mit den Worten: halt's Maul du Hund, ins Gesichts geschlagen, und ihm mit Erschießen gedroht haben. Obwohl der Bürgermeister und Adjunkt diesem Bürger Glas das beste Zeugniß gaben, so konnten sie doch nicht verhindern, daß er eng und schmerzlich geschlossen, und bis an das Nachhalls von Hambach geschleppt wurde. Aehnliches wiederfuhr mehreren andern Bürgern und Sicherheitsgarden von Hambach, die, nachdem sie alle Mißhandlungen hatten erdulden müssen, arretirt-,und ans 19 Rathhaus von Hambach geführt wurden, wo sie denn, da ihnen durchaus nichts strafbares nachgewiesen werden konnte, alsbald ihre Freiheit durch den königl. Staats - Procurator wieder erlangten, andere eben so unschuldige, welche dem Staats-Procurator nicht unter das Angesicht kamen, wurden nach Neustadt abgeführt und ebenfalls bald wieder in Freiheit gesetzt. In Gegenwart des Adjunkten von Hambach und des Militär-Chefs schoß ein Soldat in die Straße von Hambach; auf die Demonstration des Adjunkten frug der Militärchef Soldaten, warum er geschossen habe; dieser erwiedert: Es habe ihm einer den Hintern gezeigt, und als der Militärchef hiermit den Soldaten entschuldigte, konnte der Adjunkt nicht umhin, zu bemerken, daß wenn dies auch wahr wäre, hierauf die Todesstrafe nicht stehe, und außerdem der Schuß den Unschuldigen treffen könnte, da viele Leute und Kinder auf der Straße seyen. Wirklich wurden zwei Bürgerssöhne von Hambach (Emanuel Lambert, 17 Jahre alt, und Paul Beck, 14 Jahre alt) die sich auf der Straße befanden, von hinten in die Schenkel geschossen und liegen noch an den Schußwunden darnieder. Johann Georg Bayer, 37 Jahre alt, ein braver Bürger und Familienvater, Mitglied der Sicherheitsgarde von Hambach, erhielt ebenfalls eine Schußwunde, an der er am 7. Juni unter den größten Schmerzen und furchtbarsten Convultionen den Geist aufgab. Peter Heinrich Scharfenberger von Hambach, bekam auf der Flucht vom Berg herab nach Hambach auf Rükken, Lenden und Schenkel mehr als 20 Kolbenstöße, deren sichtbare Spuren durch den Arzt constatirt wurden, sodann ins Gesicht 4 Hieb-Wunden und 2 Bajonett-Stiche; als er unter diesen Streichen zusammengestürzt war, so riß ihn ein Gensdarm auf, und zog ihn mit Gewalt am Arm den Berg hinab, bis der obere Markknochen aus dem Schulter-Gelenk herausgerissen war; der Unglückliche bat, ihn zu schonen, er wolle ja überall hinfolgen; trotz seines erbarmungswürdigen Zustandes wurde er geschloffen in's Arresthaus gebracht, und erst nach 2 mal 24 2 * 20 Stunden, die er daselbst ohne Bett zubringen mußte, wurde ihm ärztliche Hülfe verschafft. Das Gefühl empört sich bei der Beschreibung solcher Mißhandlungen, man könnte noch eine ganze Reihe aufführen, man unterläßt dies aber, in der Ueberzeugung, daß die bereits erwähnten genügen, um ein Bild des Jammers zu haben, der in Hambach und seinen Umgebungen herrschte. Vergeblich versuchte man glauben zu machen, daß von Seiten der Bürger, Militär und Gensdarmerie gereizt, daß von ihrer Seite zuerst geschossen worden sey. Niemand, der Augenzeuge war, hat irgend eine Beschimpfung bemerkt, die sich ein Bürger gegen einen Soldaten oder Gensdarmen erlaubt hätte; niemand weiß, daß irgend ein Bürger sich zur Wehre gesetzt hätte, niemand sah einen einzigen bewaffneten Bürger; selbst nicht ein einziger Sicherheitswächter war bewaffnet. Und ist es übrigens glaublich, daß unbewaffnete Landleute, mit Weibern und Kindern des Vergnügens halber versammelt, kaum so zahlreich wie die ihnen gegenüberstehende bewaffnete Macht, diese reizen, beleidigen, angreifen werden?! Und hätte eine solche Anreizung oder Beleidigung, selbst wenn sie geschehen wäre, jenes Verfahren der Soldaten und Gensdarmen im entferntesten gerechtfertigt!! Nachdem auf diese Weise die Räumung des Hambacher Berges vollbracht worden war, kehrten der Militär-Chef und hohe Staats-Beamte nach Neustadt zurück, und ehe wir an die Erzählung der Räumung der Straße von Neustadt, die alsbald nach ihrer Ankunft Abends gegen 7 Uhr begann, kommen, wollen wir nachholen, was sich Nachmittags in Neustadt zugetragen hatte. Schon am Nachmittag äußerten, wie man später erfuhr, mehrere Soldaten gegen ihre Quartierträger tiefe Bekümmernis über die grausamen Befehle, die an die Soldaten ergangen seyen. Sie hätten Ordre, sagten sie, jeden Bürger, der einen weißen Huth, einen weißen Rock, Laubwerk, 21 eine Blume oder dergleichen trage, zu mißhandeln. (Es ist hier zu bemerken, daß das Tragen weißer Kleider und weißer Hüthe in Neustadt und der Umgegend ziemlich allgemein ist, so wie das Schmücken an Sonn- und Festtagen, mit Laubwerk oder Blumen; auch Beamte tragen meistens weiße Hüthe.) Andere Soldaten vertrauten ihren Quartierträgern an, daß fürchterliche Dinge ausgeführt werden sollen; sie riethen ihnen ab, den Abend ihr Hans zu verlassen, baten sie, dasselbe zu verschließen und niemand ein noch aus zu lassen. Ja mehrere Soldaten machten gegen Bürger die Aeußerung, am Abend würde ein Todten-Marsch gespielt werden. Thätliche Mißhandlungen von Seiten des Militärs gegen Bürger, begonnen schon gegen Mittag, und nahmen bis gegen Abend an Zahl und Rohheit progressiv zu, obwohl von Seiten der Bürger, weder Veranlassung noch Widerstand eingetreten war. In den Wirthshäusern, wo auch Soldaten und Offizieren waren, wurde dem eingetretenen Bürger, wenn er nicht schon vor der Thüre den Kopf entblößt hatte, oder dies nicht schnell genug beim Eintreten in die Wirthsstube that, (worin bedeckt oder unbedeckt zu seyn Orts-Gebrauch ist) Huth oder Kappe mit Gewalt durch Soldaten oder Offiziere vom Kopf geschlagen, und der eingetretene Bürger sodann, oft mit weitern Mißhandlungen zur Thüre hinausgeworfen. Vergeblich waren die gegen solche Mißhandlungen versuchten Reclamationen der Bürger, die Polizei-Beamten versuchten zwar anfangs, den Excessen des Militärs Einhalt zu thun, allein bald kamen diese in solcher Masse, daß die Polizei-Beamten den Bürgern erklärten, sie könnten mit dem besten Willen ihnen nicht helfen, sie möchten der Gewalt weichen und sich zurückziehen. Auf den Straßen wurden die Excesse des Militärs gegen die Bürger noch weit auffallender; überall sah man Solda- 22 ten mit und ohne Waffen über einzelne Bürger ohne alle Veranlassung herfallen, und sie mit Ohrfeigen, Faustschlägen, Kolbenstößen, Säbelhieben etc. mißhandeln. Kurz vor der Abfahrt des Militär-Chef und hohen Staats-Beamten nach Hambach, begaben sich einige Bürger und Sicherheitsgarden zu denselben ins Wirthshaus in den Löwen, hoffend daß eine bloße Anzeige der vorhergehenden Excesse schleunige Abhülfe veranlassen würde. Allein wie groß war ihre Erstaunung als ihnen der Militär-Chef erwiederte: „es kommt „noch besser, es ist noch nicht genug," und als sie der Staats-Beamte frug, was sie denn eigentlich auf der Straße zu thun hätten, ferner, auf die erhaltene Antwort, sie seyen als Sicherheitsgarden bezeichnet, um zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung mitzuwirken, ihnen anrieth zu Hause zu bleiben! Allen, welche aus dem Freien zurückkehrten und einen Kranz, ein Blatt, eine Blume trugen, von welchem Geschlechte, von welchem Alter sie seyn mochten, rissen oder schlugen die Soldaten Gränze, Blätter und Blumen weg, und mißhandelten sie häufig noch dabei; Alle, die weiße Hüthe oder weiße Röcke trugen, waren der Verfolgungen und Mißhandlungen der Soldaten sicher. Auf der Hauptwache, in der Hauptstraße, in einem der frequentirsten Theile der Stadt, nämlich zunächst der Post hatten die Soldaten eine förmliche Prügelanstalt organisirt; hier ließen sie kaum einen Bürger vorübergehen, der eine Tabaks-Pfeife in der Hand, oder bemerkbar in der Tasche trug (auch wenn sie nicht angezündet war) oder der ein grünes Blatt am Huthe trug, oder der einen weißen Huth oder weißen Rock trug, oder der ihnen, Gott weiß aus welchem Grunde, mißfällig schien, ohne diesen Bürger anzuhalten und zu prügeln. Zu diesem vorübergehen war ein Unteroffizier von der Hauptwache mit einem eisernen Ladstock postirt, der, währenddem einige handfeste Soldaten (deren Kameraden mit brennenden Pfeifen, darneben standen,) den unglücklichen Bürger festhielten, ihn mit dem eisernen Ladstock prügelte; ähnliche Prügel theilten nebst- 23 dem viele Soldaten einzelnen Bürgern aus, indem sie, um die Schläge desto empfindlicher zu machen, die Ladhämmer an die Ladstöcke befestigt hatten. Die Soldaten hieben blind zu, weßhalb auch schon nach den ersten Streichen, häufig Blut floß. Die bei den Bürger bemerkten Tabaks-Pfeifen wurden ihnen jedesmal mit Gewalt entrissen, sofort meistens zu Boden geworfen und zertreten. Offiziere sahen diesen Mißhandlungen zu, ohne sie zu hindern, ja ein gegenwärtiger Offizier von höherm Rang eiferte die Soldaten noch an, die Mißhandlungen gegen ganz friedliche Bürger fortzusetzen. Mehrere achtbare Bürger und Mitglieder des Orts-Vorstandes entschlossen sich endlich, den Offizier, den sie für den kommandirenden hielten, dringend zu bitten, den Ausschweifungen der Soldaten ein Ziel zu setzen; sie wurden unverrichteter Sache entlassen, mit der Antwort, die Bürger von Neustadt hätten Züchtigung verdient. Bei Wirth Knochel bekamen des Nachmittags einige Soldaten vom Jäger-Bataillon Händel unter sich. Zwei Sicherheitsgarden Ebel und Haag giengen hinein, um die Ruhe herzustellen, die Soldaten griffen sie aber mit den Bajonetten an, so daß sie entflohen. Sogleich kamen Chevauxlegers ins Haus, mehrere ritten sogar mit den Pferden an das Zimmer, und hielten sogar der schwangern Frau des Hauses die Säbel auf den Leib, Die Frau fiel in Convulsionen, der Schrecken zog ihr eine 14 tägige Krankheit zu. Jacob Saul aus Lambrecht, war Nachmittags in Neustadt, um für den Bürgermeister in Lambrecht Farbwaaren zu holen. Als er gegen 5 Uhr Abends aus dem Laden des Kaufmanns Vöcker, welcher sich unter dem Rathause befindet, gieng, sah er, daß einige Soldaten einen Mann vor dem Rathhause zu Boden schlugen. Bei diesem Anblick äußerte er gegen seine Frau die ihn begleitete, und die Waare trug: „Sie schlagen ja den Mann todt!" Kaum hatte er dies gesagt, so

Original: Deutsch

34 Zeugen jener Gräuelscenen zu seyn. Allein ein anderer Reiterhaufe kam herbeigesprengt und hieb ihnen die Fenster ein. Die Eheleute Guldo und Wittwe Marställer gingen Abends aus der Stadt nach ihrer außerhalb der Stadt gelegenen Wohnung. Dort sahen sie, daß eine Infanterie-Patrouille unter Anführung eines Offiziers, einen jungen Burschen, der mit seinem Mädchen spazieren ging, überstellen, ihn mit Gewehrkolben niederschlugen, und mit Bajonettstichen, Kolbenstößen etc. Mißhandelten, bis sie ihn als todt liegen ließen. Mit Mühe raffte sich der Bursche später wieder auf, und kroch auf Händen und Füßen davon, wobei ihm das Blut aus Mund und Nase strömte. Die Ehefrau des Krämers Simon und dessen Tochter, so wie die eben genannte Wittwe Marställer sahen des Abends gegen 9 Uhr einen Chevauxlegers-offizier in das Haus von Bierwirth Rau eilen. Sogleich kamen 12 Chevauxlegers aus dem Thor auf die Straße gesprengt. Der Officier stellte sie auf, und redete sie im bayerischen Dialekt also an: „Hau't alles zusammen, was euch begegnet, sprecht kein Wort zu niemand. Ich will das Hundsvolk schon von den Straßen bringen, das Canaillenzeug!" Auf diese Anrede sprengten die Soldaten sogleich in die Straße, so breit diese war, überritten und hieben nieder, was ihnen in den Weg kam. Es flüchtete sich ein Verfolgter in die Wohnung des Schusters Laubenheimer. Die wüthenden Soldaten des 15ten Regiments drangen in Laubenheimers Wohnung nach. Im Zimmer fanden sie einen Schustergesellen, Namens Seel, einen schwachen gebrechlichen Menschen, mit einem Höcker, der nicht einmal im Stande ist, sich gegen ein Kind von etwa 10 Jahren zu wehren. Diesen armen Menschen schlugen sie von Kopf bis zu Fuß auf das erbärmlichste. Man hat ihm den Arm auseinandergeschlagen, so daß die Knochen sich durch das Fleisch hervorschoben, und das Kapselband des Armgelenks total zerrissen war, nach 14 Tagen war er noch nicht im Stande, sein Brod zu verdienen. Stadtrath Mattil sah aus den Fenstern seines Hauses 35 zu, daß ein junger Mensch des Abends gegen 10 Uhr vom Rittergarten herkam. Es begegnete ihm eine Patrouille von Chevauxlegers, welche die ganze Breite der Straße einnahm. Der junge Mensch drängte sich hart an die Wand, um Platz zu machen. Indessen der Anführer der Patrouille hieb ihm den Säbel über den Kopf, und rief den Soldaten zu: „Haut drauf!" Jeder der vorbereitenden Soldaten gab ihm nun einen Hieb. Als die Reihe an den letzten Soldaten kam, bückte sich der Bursche, und suchte auf den höher liegenden Haardter Weg zu entwischen. Indessen der Soldat, der ihn verfehlte, sprengte ihm nach, holte ihn ein, und gab ihm noch den letzten Hieb. Joh. Philipp Kipp, ein Bürgerssohn von Neustadt, von Profession Waffenschmied, 21 Jahre alt, hatte an diesem Abend seinen Bekannten Carl Constanz, Stärkfabrikant, besucht, verließ ihn um 8 Uhr, und wurde beim Fortgehen durch einen andern Bekannten, Jakob Müller, Schmied, dem Sohn seines Meisters eingeladen, mit in die Vorstadt zu Wirth Wiedemann zu gehen; beide verließen dies Haus nach 9 Uhr, um nach Hause zu gehen. Kipp lud Müller ein, mit durch die Stadt zu gehen, dieser aber erklärte, er zöge vor, außerhalb der Stadt herumzugehen, um von den Soldaten keine Schläge zu bekommen; so verließen sich beide Freunde, und Müller behauptet, daß Kipp keineswegs berauscht gewesen sey. In der Stadt wurde Kipp von einem Trupp Soldaten angefallen und mißhandelt; es war ihm gelungen, sich bis auf den Markt zu retten, als ihn von neuem 10—12 Soldaten, Infanterie und Chevauxlegers umringten, und mit Kolbenstößen, Säbelhieben und Bajonettstichen mißhandelten, man hörte das durchdringende Geschrei des unglücklichen jungen Mannes, man hörte ihn um Schonung, um sein Leben bitten und flehen; er rief: „laßt mich doch gehen!" und eine rauhe Soldatenstimme antwortete ihm! „Halt's Maul du Vieh!" Die Mißhandlungen des Unglücklichen begannen hierauf von neuem; sein Geschrei ging in schwaches Winseln über, dann noch ein heftiger Schrey, hierauf Todtenstille. — Nach 3 * 36 einer Pause hörte man sagen: „Packt ihn auf und führt ihn weg; dann eine andere Stimme: „ich will dich, verdammtes Luder, hinwegschleppen." Gleich darauf um 9 1/2 Uhr brachten Soldaten den Unglücklichen auf's Rathhaus, und legten ihn unsanft auf den Boden nieder, indem sie sagten: „da bringen wir einen Besoffenen." Die gegenwärtigen Gemeinde-Beamten, durch die blutigen Kleider des Liegenden aufmerksam gemacht, wandten ihn um, um ihm ins Gesicht zu sehen, und riefen mit Entsetzen: „das ist kein Betrunkener, das ist ein Todter!" Bei Oeffnung der Leiche, durch den zur Leichenöffnung bestimmten Arzt, fanden sich an dem Körper hauptsächlich drei Wunden, nämlich: 1) auf der Stirne eine Wunde von einem Zoll, die bis auf den Knochen ging; 2) auf dem rechten Schultergelenk eine Wunde, die durch das Kapselgelenk des Oberarms bis in die Gelenkpfanne drang; die durchhauenen Flechsen und Sehnen hingen zur Wunde heraus; 3) auf dem Rücken, zwischen der 6ten und 7ten Rippe eine Stichwunde von 2 Zoll Länge; dieser Stich war durch die Lunge, das Herz und das Zwergfell bis in den Unterleib gedrungen, und hatte den Tod zur unmittelbaren Folge. Die Leiche wurde den trauernden Verwandten und Mitbürgern nicht ausgeliefert, sondern in nächtlicher Stille beerdigt. Es ist besonders bemerkenswerth, daß der hohe Staatsbeamte und der Militär-Chef aus dem Gasthof zum Löwen durch einen Soldaten oder Gensdarmen zu diesen fürchterlichen Scenen gerufen wurden, und daß gerade in dem Augenblick, als dieselben den Befehl ertheilten, den Gemordeten auf das Rathaus zu tragen, ein Gesell des Bürgers Baumgraß, Tüncher aus Neustadt, welcher von einer Reise zurückkam, und ganz ruhig nach Hause gehen wollte, durch eine Rotte Soldaten in deren Nähe überfallen und fast zu Tode geprügelt wurde. Es wäre zu weitläufig, hier in das Grausen erregende 37 weitere Detail jenes dreistündigen Wüthens des Militärs gegen die Bürger einzugehen. Die Zahl der durch das Militär mißhandelten und verwundeten Bürger übersteigt mehrere hundert, während niemand auch nur von einem einzigen durch Bürger mißhandelten oder verwundeten Soldaten weiß. Man hätte noch eine ganze Masse ähnlicher Scenen, wie die erwähnten anführen können; doch die erwähnten einzelnen Züge mögen für den Leser genügen, um sich ein, wenn auch nur unvollständiges Bild des Unrechts und Jammers zu entwerfen, wozu Neustadt an jenem traurigen Festabend eben so unerwarteter als unverschuldeter Weise den Schauplatz abgeben mußte. Die mörderischen Scenen in den Straßen von Neustadt dauerten von circa 7 Uhr bis gegen 10 Uhr, also etwa 3 Stunden fort, ohne daß es dem gegenwärtigen Militär-Chef eingefallen wäre, die Soldaten früher in ihre Quartiere zurückzurufen, und dem seltsamen Diensteifer, den sie durch Mißhandlungen ihrer Mitbürger bethätigten, Einhalt zu thun. Es war nicht ein militärisches, geregeltes Einschreiten, sondern ein wüthendes, ungeregeltes Toben und Massacriren, von Seiten der Bürger durch nichts veranlaßt. Diesem unerhörten Einschreiten der rohen Gewalt der Waffen war die verfassungsmäßig nothwendige Requisition der competenten Civilbehörde, das heißt der Localpolizei-Behörde, nicht vorangangen ; ihm war nirgends nur eine der drei Sommationen vorangegangen, die das Gesetz nebst jener Requisition unmittelbar vor dem wirklichen Einschreiten der bewaffneten Macht streng zum Schutz der Bürger fordert. — (Siehe Beil. II. Ziffer 6.) 38 Wie soll man nun solches Einschreiten qualifiziren? Bemerkt zu werden verdient dabei, daß nicht ein einziger Bürger sich zur Wehre setzte, daß keiner zur Waffe griff, um sich und die Seinigen gegen die ungesezlichsten barbarischen Mißhandlungen zu vertheidigen. Bemerkt zu werden verdient annoch, daß ein Theil derselben Truppen, die die Excesse in Neustadt begingen, bis heute noch zu Neustadt als Garnison blieb, und daß, obwohl man nicht für nöthig fand, einen Wechsel dieser Garnison, bei deren Anblick einem jeden Bürger die grausenerregende Erinnerung vorschweben muß, vorzunehmen, obwohl ferner das Benehmen der Soldaten gegen die Bürger häufig höchst anmaßend, unfreundlich beleidigend ist und selbst in Gewaltthätigkeiten ausartet, noch bis heute kein Bürger sich eine Beleidigung gegen irgend einen Soldaten zu Schulden kommen ließ. — Wenn hierinn nicht Beweis von fester gesezlicher Haltung des Bürgers und von seiner entschiedenen Abneigung gegen alle gewaltsame Schritte liegt, so weiß man nicht mehr, wo man ihn suchen soll! Es wurde zwar behauptet, die Soldaten seien von Bürgern aufgereizt und beleidigt worden; allein diese eben so unwahrscheinliche als unglaubliche, als unbewiesene Thatsache, wäre sie auch wahr, könnte auf keine Weise die Excesse des Militärs rechtfertigen. Die Beleidigung von Seiten eines Bürgers gegen Militär hätte augenblicklich durch Arrestation des schuldigen Bürgers gerächt werden können, und dieser wäre der gebührenden Strafe nicht entgangen. Selbsthülfe und Rache des angeblich beleidigten Soldaten vermittelest Gebrauch der Waffen gegen den angeblich beleidigenden, unbewaffneten Bürger, ist schon eine höchst strafbare Handlung; mit welchem Namen soll man aber vollends dieses rohe Wüthen der bewaffneten Macht gegen eine ganze Masse unschuldiger unbewaffneter fliehender Bürger bezeichnen?! (S. Beil. II. Ziff. 7.) 39 Folgende spätere Aeußerung eines Gensdarmen verdient hier noch erwähnt zu werden. Mehrere Bürger aus Neustadt, namentlich Seifensieder Rassiga, Kupferschmied Wolf und dessen Frau, standen den 7. Juni, des Morgens, beisammen, als ein Gensdarme, völlig zum Abmarsch gerüstet, sich wegbegab, und von ihnen Abschied nahm. Gleich darauf kam ein anderer Gensdarme, und sagte ihnen: „Da sieht man es nun! die Leute glauben immer, „wir seien an den Sachen schuld, und doch verfahren wir nie „so streng, als unsere Ordre lautet. So werden nun die Gens- „darmen, die auf dem Hambacher Schloß waren, zum Theil „versetzt, weil sie ihre Schuldigkeit dort nicht gethan." Auf die Entgegnung, was sie denn hätten thun sollen, antwortete der Gensdarme: „was anders, als auf die Leute hauen, schießen und stechen!" Die hier dargestellten deplorablen Ereignisse müssen den unparteiischen Beobachter zu folgenden Reflexionen führen: 1. Der feste, ruhige, ordnungsliebende Sinn der Bürger am Haardtgebirge, namentlich in Neustadt, hat eine doppelte Feuerprobe bestanden. Im Jahre 1832 vermochten begeisternde Reden, auf dem Hambacher Berg gehalten wenn dieselben, wie von Seiten der anklagenden Behörde behauptet wird, auch wirklich eine Aufregung veranlaßt haben sollten, nicht, die ruhige Haltung der Bürger zu erschüttern, und die mindeste Bewegung im Volke herbeizuführen; im Jahr 1833 gelang dies eben so wenig denjenigen, welche die ruhigen Bürger, ihre Weiber und Kinder unerhörten Mißhandlungen der bewaffneten Macht preis geben, Mißhandlungen, die mehr als alles andere geeignet waren, die Brust des friedlichen Bürgers mit Indignation zu erfüllen, und ihn zum Widerstand, zum Gebrauche der Waffen gegen die, die ihn unberufen, unbefugt und ungerecht mißhandelten zu veranlassen. — 2. Will man von dem Bürger unbedingten Gehorsam, unbedingte Folgeleistung gegen die Befehle und Anordnun- 40 gen der Beamten und Behörden fordern, will man ihm verbieten, den Beamten und Behörden den Gehorsam aufzukündigen, so muß man vor allen Dingen darauf sehen und bestehen, daß Beamten und Behörden sich stets nur im Kreise des Gesetzes bewegen, daß sie die Grenzen, die das Gesetz ihnen steckt, nie überschreiten, daß sie nie anders, als in voller Gesetzkenntniß und Gesetzanwendung handeln; da wo dieß nicht geschieht, muß man daher mit doppelter Strenge gegen diejenigen einschreiten, die mit der ihnen vom Staate zum Schutz des Bürgers, zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung im Staate anvertrauten Macht einen Mißbrauch treiben, der den ruhigen mißhandelten Bürger zum Widerstande aufzureizen, und die Bande der geselligen Ordnung zu zerreißen geeignet ist. Nur wenn sie zur strengsten Verantwortung gezogen werden, nur wenn die verdiente Strafe sie erreicht, tritt die dem mißhandelten Bürger schuldige Genugthuung ein, nur dann wird die Würde des Amtes rein und aufrecht erhalten, nur dann zeigt die Staatsregierung, daß sie in der That überall nur Aufrechterhaltung des Gesetzes will, und jeder Zuwiderhandlung, von welcher Seite sie auch komme, mit Ernst entgegen tritt. — 3. Ein Local-Beamter, der Adjunkt der Gemeinde, wurde in seinen Amtsfunctionen, mit seinem Amtszeichen bekleidet, was er vergeblich als Schild vorhielt, gröblich beleidigt und körperlich mißhandelt; die Civil-Untersuchungsbeamten und Strafgerichte zeigen einen regen Eifer und große Strenge gegen diejenigen, die sich der geringsten Beleidigung von Beamten schuldig machen; wenn hier die Mißhandlung des Beamten von Soldaten ausgieng, sonach der Militrstrafgerichtsbarkeit unterliegt, so ist um so mehr strenge Untersuchung und Bestrafung der schuldigen Soldaten und ihrer für sie verantwortlichen Obern zu erwarten, als es sonst das Aussehen gewinnen könnte, daß die Gleichheit der Gesetze und vor dem Gesetze, ob- 41 wohl Grundprinzip der Verfassung, nicht gehandhabt werde, und daß der Soldat da straflos bleibt, wo den Bürger wegen weniger strafbarer Handlungen die härtesten Strafen treffen. 4. Die Verfassung wurde mißachtet, verletzt, die dem Rheinkreis garantirten Gesetze und Institutionen mit Füßen getreten, und so in das Leben, in die persönliche Freiheit, in das heilige Hausrecht, in das Eigenthum vieler Bürger des Rheinkreises tief und empörend eingegriffen. Soll die Militärmacht gegen den Feind im Innern handeln, so muß sie nach der Verfassung (Tit. 9 §. 6) von der competenten Civilbehörde förmlich dazu aufgefordert seyn; nur diese Behörde kann der Militärmacht den Feind im Innern anzeigen; so lang sie es nicht thut, existirt für die Militärmacht kein Feind im Innern, so lang kann und darf kein Handeln der Militärmacht eintreten; der Feind im Innern kann nur in einer Zusammenrottung pflichtvergessener Bürger bestehen, die sich den Anordnungen der Polizeibehörden widersetzen, in die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit störend eingreifen, die Macht der Polizeibehörden überwältigen, und so diese Behörde zwingen, die Hülfe, den Beistand der Militärmacht zu requiriren; dann tritt diese den ihr gegenüberstehenden Rebellen entgegen, darf aber die Waffen gegen sie noch nicht gebrauchen, denn es können unter den vermeintlichen Rebellen Unschuldige oder Reuige seyn; darum muß der Polizeibeamte, ehe die Militärmacht einschreitet, die Bürger auffordern, auseinander zu gehen und sich zurück zu ziehen, und diese erste Aufforderung muß zweimal wiederholt werden; nur gegen diejenigen Bürger, die ihr nicht Folge leisten, darf dann die Militärmacht einschreiten; und hier muß aller Gebrauch der Waffen mit dem Widerstände aufhören, und die Verfolgung und Miß- 42 Handlung des fliehenden unbewaffneten Bürgers liegt, eben so wenig wie das Verstümmeln und Morden desselben, weder im Recht noch in der Pflicht der Militärmacht, deren Einschreiten sich lediglich auf Entwaffnung und Arrestation des bewaffneten widerspenstigen Bürgers beschränkt. Wenn auch der gemeine Soldat im Felde dem äußeren Feinde gegenüber nur Maschine seyn, und blindlings dem Commando gehorchen soll, so dürfte seine Stellung im Frieden, zu Hause, seinem Mitbürger gegenüber, eine ganz andere seyn, er soll und muß wissen, daß er Bürger ist und bleibt, daß er, wie jeder andere Bürger, der Verfassnng und den Gesetzen Gehorsam schuldig ist, und daß, indem er Treue dem König und dem Vaterland geschworen, er die Rechte seines Mitbürgers, der ihn ernährt, kleidet und bewaffnet, zu dessen Schutz ihm König und Verfassung die Waffen anvertrauten, zu respektiren gelobt hat; ihn, den gemeinen Soldaten, darf also ein voreiliges Commando, vor ergangener Requisition, vor ergangenen Aufforderungen, schwerlich veranlassen, die Waffen gegen seine unbewaffneten, keine Widersetzlichkeit übenden Mitbürger, in dem er nun und nimmermehr einen Feind erkennen kann, zu kehren. Erscheint der gemeine Soldat, der anders handelt, der dem ergangenen verfassungs- und gesetzwidrigen Commando Folge leistet, strafbar, um wie viel mehr muß dies das Offizier-Corps, der Militair-Chef seyn, unter deren Commando oder Augen so Strafbares geschieht, die es veranlaßten, oder geschehen ließen, somit alle deßfallsige Verantwortlichkeit auf ihre Schultern nehmen! 5. Wenn die Bürger in Neustadt und Hambach sich trotz der empörendsten Mißhandlungen, die sie erduldeten, ruhig verhielten, wenn sie nicht zur Gegenwehr schritten, so ge- 43 schah dies hauptsächlich in der sichern Erwartung, daß Gerechtigkeit geübt, daß die Strafe die Schuldigen erreichen würde; diese Erwartung theilt seitdem der tief gekränkte, tiefbewegte Rheinkreis; dem tief gekränkten Gefühl für Recht und Gesetzlichkeit, was den Rheinkreis durchglühet, gebührt eclatante Genugthuung-für die ihm zugefügte schwere Mißhandlung. Die Verfassung sichert sie ihm zu in den Worten: „Der Staat gewährt jedem Einwohner Sicherheit seiner Person, seines Eigenthums und seiner Rechte." „Niemand darf verfolgt oder verhaftet werden, „als in den durch die Gesetze bestimmten Fällen, und in „der gesetzlichen Form." „Die kgl. Staats-Minister und sämmtliche Staats- „diener sind für die genaue Befolgung der Verfassung „verantwortlich." Sollte der Rheinkreis, sollten die mißhandelten Bürger sich in dieser gerechten Erwartung getäuscht sehen, sollte nicht die strengste, rücksichtsloseste Untersuchung eintreten, um die schuldigen Häupter, wer sie auch seyen, zu finden und zu bestrafen, dann müßte die Brust jedes Vaterlands- und Menschenfreundes sich mit doppelter Wehmuth und Besorgniß füllen, bei dem Gedanken, welche höchst traurigen Folgen eintreten könnten, wenn je, was Gott verhüten wolle, ähnliche Excesse im Rheinkreise sich wiederholen würden. — Neustadt an der Haardt den 27ten Juli 1833. A. Penner, 1. Adjunkt. Schmelz, 2. Adjunkt. Schopman Racor. Lederle. Schwarzwälder. Mattil. Brodt. Boetheim. Knöchel. Claus. Bub. Hassieur. Christmann. Abresch. Haag. Rau. Braun. Helfenstein. Klein. Knauber. Georg Frey. Sämmtlich Mitglieder des Stadtraths.

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44 Beilage I. Ziffer 1. Speyer, den 14. August 1833. Im Namen Sr. Majestät des Königs. (Die Wiederholung von politischen Umtrieben und Excessen am 27. Mai laufenden Jahrs und an den folgenden Tagen betreffend.) Den Bewohnern des Kreises sind die beklagenswerthen Ereignisse noch bekannt, die im abgewichenen Jahre durch die Feier des 27. Mai auf dem Hambacher Schlosse herbeigeführt wurden. Fest entschlossen jedem ähnlichen Unternehmen mit der ganzen, durch die Gesetze gegebenen Gewalt entgegen zu treten und die Ruhe des Kreises und den Schutz des friedlichen Bürgers mit Kraft zu handhaben, sieht sich die unterzeichnete Stelle veranlaßt, den sämmtlichen Localpolizeibehörden Folgendes zu ihrem Benehmen und zum strengsten Vollzuge vorzuschreiben. 1. Alle Localpolizeibehörden bleiben nach dem Gesetze vom 24. August l790 verantwortlich, daß sie alle ihnen zu Gebot stehenden Mittel anwenden, damit in ihren Gemeinden und Gemeindebännen keine gesetzwidrigen Versammlungen statt finden, daß in andern erlaubten Vereinigungen an öffentlichen Orten keine Reden gehalten, keine gesetzwidrigen Toaste ausgebracht, keine Auszüge statt finden, und daß der Gebrauch gesetzwidriger oder seditiöser Abzeichen, so wie nicht nationaler Fahnen oder Embleme eben so sicher unterbleibe, als das Setzen von Beschwerde- oder Freiheitsbäumen . 2. Die Localbehörden haben demnach die Sicherheitsgarden in Bereitschaft zu halten, wo es nöthig seyn sollte, dieselben zu verstärken, und wo königl. Kommandantschaften oder Gensdarmerieabtheilungen vorhanden sind, sich mit diesen in Benehmen zu setzen, damit überall, wo ein politischer 45 Exceß nur versucht werden sollte, die Thäter sogleich verhaftet, und mit den hierüber zu verfertigenden Protokollen, den Gerichten zur Bestrafung übergeben werden können. 3. Da wo außerhalb der Gemeinden, auf den Bannen derselben, Versammlungen zu vermuthen sind, oder wirklich statt finden, haben die Localbehörden mit gleicher Aufmerksamkeit und unter Requirierung von Gensdarmerie und Sicherheitsgarden auch an diesen Orten die vorgeschriebenen Polizeimaasregeln streng zu handhaben und zu vollziehen. 4. Wo zur Abhaltung örtlicher Excesse noch weitere besondere Vorsichtsmaasregeln nöthig erscheinen, haben die Localbehörden in Folge des Gesetzes vom 22. Juli 1791 unverzüglich specielle Reglements zu entwerfen und dieselben alsbald den königl. Landcommissariaten zur Genehmigung vorzulegen. Dabei ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß durch nächtliche Patrouillen, in- und ausserhalb der Gemeinden, das Aufstecken von aufregenden Abzeichen unterbleibe, und daß die Thäter ergriffen oder ausgemittelt und den Gerichten zur Bestrafung überliefert werden. 5. Gegen Fremde und Reisende haben die Localbehörden ganz vorzüglich ihre Aufmerksamkeit zu richten und alle auszuweisen, die sich über den bestimmten Zweck ihres Aufenthaltes nicht durch vollkommen gültige Pässe zu legitimiern vermögen, oder gegen welche ein gegründeter Verdacht obwalten sollte, daß sie sich blos zur Theilnahme an politischen Umtrieben eingefunden haben. 6. Da die Bürger für die Handlungen ihrer Dienstleute und die Väter für jene ihrer Kinder verantwortlich sind, so haben die Localbehörden, da, wo es nur einigermaßen nothwendig seyn könnte, dieselben hierauf aufmerksam zu machen, damit sie auf keine Weise entschuldbar erscheinen können. 7. Von allen bedenklichen Anzeichen oder Vorfällen ist den betreffenden königl. Landkommissariaten so schleunig als möglich, und nöthigenfalls durch reitende Boten Anzeige zu erstatten. Indem die unterzeichnete Stelle im vollen Vertrauen auf das Pflichtgefühl der Gemeindebeamten und auf die gute und bewährte Gesinnung der unendlichen Mehrzahl der Bürger des Kreises zu erwarten berechtigt ist, daß durch den strengen und gewissenhaften Vollzug dieser Anordnungen die Ruhe und Ehre des Kreises gegen alle Unternehmungen und Umtriebe von Übelwollenden geschützt bleiben werde, muß sie noch darauf aufmerksam machen, daß schon nach dem Gesetze vom 10. Vendemaire IV die Gemeinden für alle Schäden und Strafen, welche durch Tumulte und andere ähnliche Excesse in ihren Bezirken veranlaßt werden, in so ferne selbst verantwortlich bleiben, als sie erweislich nicht alle Mittel erschöpft haben, um diesen Excessen zuvor zu kommen, sie zu zerstreuen oder die Urheber zur Anzeige zu bringen. Sollten indessen gegen die festgegründete Ueberzeugung der unterzeichneten Stelle dennoch Excesse statt finden, ohne daß sie durch die constituirten Gewalten und durch das Zuthun der Bürger momentan an unterdrückt wurden, so haben Seine Königl. Majestät für diesen Fall beschlossen, daß sogleich eine starke militärische Besetzung des Kreises auf Kosten der Gemeinden und vorzugsweise auf Kosten derjenigen eintreten werde, in welchen die Erzesse vorgekommen sind. Es liegt nunmehr ganz in den Händen der Gemeindebeamten und der Gesammtheit der Bürger, die sie zu unterstützen verpflichtet sind, durch Handhabung der Ruhe und der gesetzlichen Ordnung, den Kreis vor einem so großen Unglück zu bewahren und ihn vor den Augen des In- und Auslandes in Ehren zu erhalten. Gegenwärtiges ist sämmtlichen Bürgermeisterämtern mitzutheilen und von denselben den Gemeinderäthen und nöthigenfalls auch den Ortseinwohnern bekannt zu machen. Königlich Bayerische Regierung des Rheinkreises, Kammer des Innern. Freiherr von Stengel. Luttringshausen, coll. 47 Beilage I. Ziffer 2. Speyer, den 11. Mai 1833. Im Namen Sr. Majestät des Königs. (Die Wiederholung eines Hambacher Festes betreffend.) Auf den Grund eingelaufener Anzeigen sind die Thatsachen außer Zweifel gestellt, die zu der Ueberzeugung berechtigen, daß Uebelwollende beabsichtigen, durch geheime Umtriebe am 27ten Mai oder wenigstens um diese Zeit, abermals Scenen herbeizuführen, denen gleich, die im verflossenen Jahre jeden rechtlich gesinnten Bayer tief bekümmern, und das Gouvernement zu ernsten Maaßregeln veranlassen müssen, um die öffentliche Ruhe und Ordnung wieder herzustellen, und den konstituirten Behörden ihre gesetzliche Wirksamkeit zu sichern. Unter diesen Verhältnissen ist es die wichtigste Aufgabe, gegen die Unternehmungen der Ruhestörer die ganze Kraft der Gesetze zu entwickeln, und dieser durch die berufenen Organe Kraft zu verschaffen. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend hat die unterzeichnete Stelle die anliegende Verfügung erlassen, die in einer hinlänglichen Anzahl von Abdrücken beigefügt ist, damit sie allen Ortsbehörden rechtzeitig zugestellt werden könne. Um diesen Anordnungen den Vollzug zu sichern, haben Sr. Königl. Majestät der unterzeichneten Stelle noch ein Bataillon des 15ten Linien-Infanterie-Regiments zur Disposition gestellt, welches am 21. Mai l. J. in dem Rheinkreise eintreffen wird. Eine große Masse von Truppen ist mobil gemacht, um auf den ersten Wink bereit zu seyn. Sollten Excesse Vorkommen, und nicht momentan unterdrückt werden können, so würde das Eintreffen und ihre Erhaltung auf Kosten des Kreises nach den allerhöchsten Anordnungen Sr. Majestät des Königs unvermeidlich bleiben. 48 In aller Hinsicht sieht sich demnach die öffentliche Verwaltung aufgefordert, kein gesetzliches Mittel unversucht zu lassen, um die Ordnung zu erhalten, und um auf die Masse der Gutgesinnten zu wirken, damit die Gesetze und die gegebenen Vorschriften in ihrer aktiven Theilnahme eine sichere Bürgschaft vor jeder Störung des innern Friedens finden mögen. Vor allem haben die kgl. Landcommissariate besonders auf die bedrohten Punkte mit der aufmerksamsten Thätigkeit den Vollzug der getroffenen Maßregeln zu überwachen, und von allen erheblichen Vorfällen so schleunigst als möglich Anzeige anher zu erstatten, damit nach Umständen die etwa erforderliche größere militärische Hülfe geleistet werden könne. Wo diese eintritt, muß das königl. Landkommissariat verlässige Fürsorge treffen, damit die dreimaligen gesetzlichen Aufforderungen durch einen Polizeibeamten geschehen, ehe die Militärgewalt einschreitet. Sollten Bewegungen bemerkt werden, die auf einen Punkt in einem andern Landkommissariat gerichtet sind, so ist hievon nicht nur der unterzeichneten Stelle, sondern auch das betreffende Landkommissariat durch Estafette oder reitende Boten in Kenntniß zu setzen. Von dem Eifer der königl. Landkommissariate für diese gegenwärtig wichtigste Angelegenheit des Kreises erwartet die unterzeichnete Stelle die aufmerksamste und angestrengteste Thätigkeit und ein einflußreiches Wirken auf die Unterbehörde, damit die friedlichen Bürger von den schweren Folgen abermaligen Excessen und der Kreis vor den Augen von ganz Europa von der Schmach wiederholter scandalöser Auftritte bewahrt bleiben. Königliche Bayerische Regierung des Rheinkreises. Kammer des Innern. Freiherr v. Stengel. Luttringhausen, coll. 49 Beilage I. Ziffer 3. Neustadt, den 18. Mai 1833. An das Bürgermeisteramt Neustadt. (Die Wiederholung von politischen Umtrieben und Excessen am 27. Mai laufenden Jahrs und an den folgenden Tagen betreffend.) Die unterfertigte Behörde ist beauftragt, dem Bürgermeister-Amte das anliegende königl. Regierungs-Rescript vom 14. laufenden Monats zur genausten Darnachachtung zuzustellen, und demselben in Folge besondern Präsidial-Rescripts zu eröffnen: „Daß Seine Majestät nie dulden werden und können, daß in „Allerhöchst Ihren Staaten und namentlich im Rheinkreise et- „was sich wiederhole, was den Charakter eines demagogischen „Festes an sich trüge, und daß insbesondere die Hambacher „Höhe neuerdings die Stätte revolutionärer Demonstrationen „werde. „Allerhöchst Dieselben haben deßhalb, um Ihrem Entschlüsse „allenthalben die schuldige Achtung zu sichern, nicht blos neuer- „dings eine Truppenverstärkung in den Rheinkreis gesendet, „sondern auch die Hälfte der Gesammt-Infanterie des Heeres, „und die gesammte Reiterei (48 Escadronen) mit der gesamm- „ten Artillerie in marschfertigen Stand versetzt, um diese nöthi- „genfalls, wenn wider Verhoffen die früheren Scandale sich „wiederholen, wenn übelgesinnte, entartete Menschen neuerdings „die Bande der Ordnung und Ruhe zu lösen versuchen sollten, „augenblicklich, und zwar auf Kosten des Kreises, in den Rhein- „kreis senden zu können: „Damit nun jederman gehörig gewarnt sey, und die Kenntnisse der bereiten Mittel manchen Irregeleiteten oder für Irre- „leitung Empfänglichen von ungeeigneten Schritten abhalte, ist „es die erklärte Absicht Seiner Majestät, daß sowohl die be- „reits verfügte Verstärkung des Truppencorps, als auch der 4 „Marschbereitschaft des größten Theils des Heeres ungesäumt „zur Kenntniß der Kreisbewohner gelange." In Folge dieser Verfügungen wird das Bürgermeister-Amt beauftragt, sogleich den Stadtrath zu versammeln, demselben von diesem Erlasse so wie von dem beiliegenden königl. Regierungs-Rescripte Kenntniß zu geben, und in gemeinsamer Berathung jene Maasregeln zu treffen, und ein specielles Reglement zu entwerfen, wodurch die Erhaltung der Ruhe und Ordnung gesichert, und selbst jedem Versuche zu einem Excesse auf die kräftigste Weise vorgebeugt werden kann. Bei der bereits mehrfach von dem Stadtrath gegebenen Zusicherung seiner thätigsten Mitwirkung zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung, zweifelt die unterzeichnete Behörde um so weniger, daß in dem zu entwerfenden Local-Reglement alle nöthigen Vorsichtsmaasregeln ergriffen, und jene Verfügungen getroffen werden, welche den Ernst und festen Willen der städtischen Behörde beurkunden, als man sich nicht verhehlen kann, wie wohl die Augen des ganzen Kreises auf jene Anstalten gerichtet sind, welche von Seite der Stadt Neustadt zur Abwendung höchst trauriger Folgen ergriffen werden. Königl. Land-Commissariat. Pölnitz. Wand. Beilage I Ziffer 4. Neustadt, den 19. Mai 1833. Der Stadtrath versammelt auf Einladung des Bürgermeister-Amts. Nach angehörter Vorlesung des königl. Regierungs-Erlasses vom 14. dieses, in Betreff der Feier des 27. Maies und des demselben beigefügten Begleitungs-Schreiben des königl. Landkommissariats vom Gestrigen 51 Beschließt: 1) Der oberwähnte Erlaß königl. hoher Regierung soll in soweit er die Stadt Neustadt betrifft in der hiesigen Gemeinde mit dem weitern Bemerken öffentlich bekannt gemacht werden. 2) Der Stadtrath versehe sich zu jedem Bürger, der dahiesigen Stadt, der auf diesen seit undenklichen Zeiten ihm zur Erholung dienenden Tag sich dem Vergnügen zu widmen gedenket, daß er von seiner Seite alles beitragen werde, um die gute Ordnung zu erhalten, daß er sofort seinen Untergebenen anbefehlen werde, sich nicht in großen Zügen, sondern in kleinen Gesellschaften sich seinem Erholungsort zu nähern, und sollte er zu letzterem das Hambacher Schloß besuchen, nicht dulden werde, daß Reden von denselben daselbst gehalten, noch sonstige Abzeichen als: Fahnen und dergleichen sich dabei bedient werden, um auf diese Art der königl. Regierung auch nur den Schein eines Anstoßes zu benehmen, wodurch dieselbe zu einer Einschreitung veranlaßt werden könnte, die nur unangenehme Folgen für sie und die Stadt haben würde. (Folgen die Unterschriften.) Beilage 1. Ziffer 5. Polizei-Verordnung. (Die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung in Neustadt, in Bezug auf die Wiederholung von politischen Umtrieben und Excessenam 17. Mai dieses Jahrs betreffend ) Da in Gemäßheit des Gesetzes vom 10. Vendemiaire IV. die Gemeinden für Schäden und Strafen, welche durch Tumulte und andere ähnliche Excesse in ihren Bezirken veranlaßt werden, verantwortlich sind, und es daher im Interesse jeder Gemeinde liegt, alles dazu beizutragen, damit keine für sie nachtheilige Vorfälle statt haben, so findet sich das unterzogene Polizeiamt, im Interesse der hiesigen Gemeinde und nach Ansicht der königl. 4* 52 Regierungs-Entschließung vom 14. Mai dieses Jahres, veranlaßt, nachstehende Verordnung zu erlassen. 1) Alle tumultuarische Umzüge, jeder lärmende Gesang auf Straßen und öffentlichen Plätzen, insbesondere das Absingen von Liedern, Spott- und Schmähgedichten sind auf das Strengste untersagt. 2) Eben so strenge ist das Aufstellen von Freiheits-, Beschwerde - oder Wünsche - Bäumen auf öffentlichen Plätzen oder auf eines anderem gehörenden Grundeigenthum, so wie das Tragen von Fahnen, Kokarden und seditiöser Abzeichen jeder Art verboten. 3) Alle Fremde und Reisende, welche nicht durch vollkommene gültige Pässe über den bestimmten Zweck ihres Aufenthalts dahier sich auszuweisen vermögen, werden sogleich aus hiesiger Gemeinde gewiesen, weßwegen allen Gastwirthen auf das Strengste anempfohlen wird, keine solche Individuen in ihre Gasthäuser aufzunehmen, welche sich nicht genügend zu legitimiren vermögen- 4) Jede Zusammenrottung auf der Straße, sobald sie durch Lärmen oder Getöse einen tumultuarische Charakter annimmt, wird auf das Strengste geahndet, und die Theilnehmer sogleich den geeigneten Gerichtsbehörden zur Bestrafung überliefert. Vertrauend auf den ordnungsliebenden Charakter der hiesigen Einwohner, zweifelt das unterzogene Polizeiamt nicht im Geringsten daran, daß durch das Mitwirken jedes einzelnen Bürgers allem vorgebeugt wird, was dahin abzielen könnte, die Ruhe und Ordnung zu stören und dadurch der hiesigen Stadt nachtheilige Folge zuzuziehen. Neustadt an der Haardt, den 24. Mai 1833. Das Polizei-Amt. Rupprecht. Genehmigt. Neustadt, den 24. Mai 1833. Königl. Land - Commissariat. Pölniz. 53 Beilage II. Gesetzliche Verfügungen der Truppen bei den Einwohnern. Verwaltungsordnung vom 1. Thermidor VI. (Siehe unten Ziffer 4 a.) Art. 612. So oft Truppen bei den Bürgern einquartirt werden, müssen die Kriegscommissarien den Municipalitäten den Tag der Ankunft derselben, und wenn derselbe bestimmt ist, die Dauer ihres Aufenthaltes zu wissen thun. Uebrigens muß der Commandant der Mannschaft jedesmal die Kriegscommissarien zum voraus benachrichtigen davon, und auch den Municipalbeamten anzeigen, wann die Truppe ankommen oder abmarschiren soll. Diese Municipalbeamten haben sodann wenn ihnen die Marschanweisung vorgelegt worden ist, die Quartier-Zettel ausustellen. Art. 613. Die Municipalbeamten sollen bei Vertheilung der Einquartirung unter keinen Personen, welches Amtes und Standes sie immer seyn mögen einen Unterschied machen etc. Die Municipalbeamten haben ferner Sorge zu tragen, daß die Last der Einquartirung nicht immer auf die nämlichen Personen falle, und daß dieselbe einen Jeden nach Reihe treffe. Art. 615. Die Einquartirung der Truppen darf nicht anders, als nach der Anzahl der wirklich gegenwärtigen Mannschaft vertheilt werden. Art. 621. Die Truppen sollen für alles das, was sie verderben oder beschädigen, verantwortlich seyn, sie sollen demnach, wenn sie abziehen, gehalten seyn, den in ihren Wohnungen und an den gelieferten Mobilien verursachten Schaden auf eigene Kosten repariren zu lassen, oder zu bezahlen. 2) Ueber die verbindliche Kraft publicirter Polizei-Verordnungen für Bürger und Soldaten. Gesetz vom 8. July 1767. Titel 3. Vom Commando und Dienst der Truppen in Garnison, vom Verhältniß zwischen der Civil- und der Militärgewalt etc.

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54 Art. 20. Keine Polizei-Verfügungen sind verbindlich für die Bürger und die Truppen, wenn sie nicht vorher publicirt wurden. Die Publicationen sollen durch Municipalitäten geschehen. 3) Ueber das Hausrecht des Bürgers. a) Constitution vom Jahr 8. Art. 76. Das Haus eines Jeden der in Frankreich wohnt, ist eine unverletzliche Freistätte. Während der Nacht hat Niemand das Recht, einzugehen, außer im Falle einer Feuers- oder Wassersgefahr, oder einer Reclamation aus dem Innern des Hauses. Während des Tags kann es betreten werden wegen einer besondern Veranlassung die entweder durch ein Gesetz oder durch den Befehl einer öffentlichen Behörde bezeichnet seyn muß, b) Gesetz vom 28. Germinal IV, über die Organisation der National-Gensdarmerie. Art, 131. Da das Haus eines jeden Bürgers während der Nacht eine unverletzliche Freistätte ist, so soll die National-Gensdarmerie des Nachts nur im Fall einer Feuersbrunst, einer Ueberschwemmung, oder einer aus dem Innern des Hauses vorkommenden Reclamation sich hinein begeben dürfen. Sie darf bei Tage in den Fallen und Formen, welche die Gesetze vorhergesehen , die Befehle der constituirten Gewalten, vollziehen. Sie darf in dem Hause eines Bürgers, in welches sie vermuthet, daß ein Straffälliger sich hingeflüchtet, keine Visitirung machen, ohne einen besondern Visitirungsbefehl, der entweder vom Jury-Director, im Fall, wo dieser als gerichtlicher Polizeiofficiant instruirt, oder vom Friedensrichter, oder vom Polizeicommissär, oder vom Municipal-Agenten oder Adjunkten wenn er das Amt eines Polizeicommissärs versteht, ergangen ist, aber das Hans darf sie umringen oder es bewahren, bis der Befehl ausgefertigt ist. c) Verordnungen vom 5, Oktober 1814. (Siehe unten Ziffer 6. d.) Art. 67. Zur Nachtzeit darf der Landes-Gensdarm nur dann in ein Haus eindringen, wenn seine Gegenwart nothwen- 55 dig ist, um den Eigenthümer vor Feuer- und Wassergefahr zu schützen, um einen eingedrungenen Mörder oder Dieb zu verfolgen oder wenn er von den Bewohnern des Hauses selbst aufgefordert wird. Art. 68. Dagegen kann die Landes-Gensdarmerie bei Tag den Eintritt in das Haus jedes Privaten verlangen, wenn ihr ein schriftlicher Auftrag der Polizei-Behörde oder die Gegenwart eines Beamten selbst dazu die Befugniß giebt. Art. 69. Wenn sie mit einem solchen Auftrag nicht versehen ist, und einen flüchtigen Verbrecher in einem Hanse glaubt, so steht ihr zu, solches zu bewahren, bis die Anzeige bei der Polizei-Behörde geschehen, und von dieser der Befehl zur Durchsuchung des Hauses ertheilt ist. 4) Ueber Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Ruhe im Lande und über die hiermit beauftragten Behörden. a) Verwaltungs-Verordnung vom 1. Thermidor VI. (publicirt durch den Regierungscommissär in den vier Departementen des linken Rheinufers in der Sammlung der Verordnungen und Beschlüsse 5. Theil 9. Heft.) Art. 93. Polizeisachen, die der Wachsamkeit der Municipalität anvertraut sind etc. Zweitens. Die Sorge die Verbrechen gegen die öffentliche Ruhe zu hemmen, als Schlägereien mit Auflauf von Leuten auf den Straßen, Tumulten an öffentlichen Versammlungsorten, nächtliches Lärmen und Zusammenlaufen, das die Ruhe der Bürger störet. Drittens. Die Handhabung guter Ordnung an den Orten wo ein großer Zulauf von Leuten ist, als, auf Jahr- und Wochen-Märkten bei öffentlichen Freuden-Bezeugungen als Feierlichkeiten, Schauspielen, Spielen, Kaffeehäußer, Kirchen und andern öffentlichen Oertern. Art. 218. Jede Gemeinde ist für die Frevel verantwortlich die mit offenbarer Gewalt oder Gewaltthätigkeiten, auf ihrem Gebiete von bewaffneten oder unbewaffneten Aufläufen oder Zusammenrottungen gegen die Personen, oder gegen National- 56 oder Privat-Eigenthum verübt worden, eben sowohl als für die Klagen auf Schaden- und Intressen-Ersetzung die sie veranlassen werden. Art. 219. Im Falle, da die Bewohner der Gemeinden, an dem auf ihrem Gebiete verübten Freveln durch Auflauf oder Zusammenrottirung Antheil genommen hätten, soll dieselbe Gemeinde gehalten seyn, der Republick eine Geldstrafe zu bezahlen, die sich eben so hoch beläuft als der Betrag der Hauptentschädigung. b) Verordnung über die Einrichtung der Verwaltungs-Gewalten vom 4ten Pluviose VII.(publizirt in erwähnter Sammlung 1ter Theil 1tes Heft.) Art. 74. Die Central-Verwaltungen müssen endlich ein wachsames Auge auf die Municipalitäten haben, damit dieselben mit Sorgfalt und klugem Benehmen die ihnen obliegende wichtige Pflicht erfüllen, den aufrührerischen Zusammenrottungen zu steuern. 5) Ueber den Begriff aufrührischer Zusammenrottungen. a) Direktorial-Beschluß vom 13ten Floreal VII. Enthaltend eine Instruktion für die seßhafte National-Garde etc., und Bestimmungen des Verhältnisses der Civil-Behörden zur öffentlichen Gewalt. Kapitel II. Das Gesetz über den Charakter der aufrührischer Zusammenrottung. Bei jeder Versammlung von mehr als 15 Personen, die sich der Vollziehung eines Gesetzes, eines Zwangsbefehls oder eines Urtheils widersetzen. In dem Volksaufstand gegen die Sicherheit der Personen, wer sie auch seyen, gegen die Municipal-, die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden, gegen die Civil-, Criminal- oder Polizei-Gerichte, gegen die Vollziehung der Urtheile, und für die Befreiung der Gefangenen oder Verurtheilen etc. Jeder Versammlung, wobei Provokationen geschehen zur Auflösung der National-Repräsentation etc. zur Einrichtung jeder andern als der bestehenden Regierung, zur Plünderung etc. 57 b) Constitution vom Jahr III. Art. 365. Jede bewaffnete Zusammenrottung ist ein Angriff auf die Verfassung, sie muß sogleich durch die Gewalt zerstreut werden. 6) Ueber die Bedingungen und Förmlichkeiten beim Einschreiten der bewaffneten Macht. a) Gesetz über die Organisation der National-Gensdarmerie vom 28ten Germinal VI. (publizirt durch den Beschluß des Regierungs-Commissairs Rudler dato Mainz den 10ten Prairial VI. in erwähnter Sammlung Theil 4. Heft 7.) Das Corps der National-Gensdarmerie ist eine Macht, welche dazu errichtet ist, daß sie im Innern der Republik die Handhabung der Ordnung und die Vollziehung der Gesetze sichere. Eine beständige und übelsverhindernde Aufsicht macht das Wesen ihres Dienstes aus. Art. 2. Die dienstthätige National-Garde, ob sie gleich insbesondere darzu errichtet worden, um den Staat gegen die Feinde von Außen zu vertheidigen, ist nichts desto weniger durch die Constitution berufen, gleich wie die seßhafte National-Garde, um mit der National-Gensdarmerie zur Abhaltung der Verbrechen beizutragen und allem Widerstand gegen die Vollziehung der Gesetze ein Ende zu machen. Nota. Was hier von aktiver National-Garde gesagt ist, gilt heute vom Militair, da nach der Constitution vom Jahr III. (publizirt in den vier Rheinischen Departementen am 11. Germinal VI.) diese National-Garde damals die Land- und Seemacht des Staates bildete. b) Constitution vom Jahr III. Art. 276. Sie wird in die seßhafte und in die im anhaltenden Dienste bestehende National-Garde abgetheilt. Art. 285. Die Republik unterhält in ihrem Solde sogar in Friedenszeiten unter dem Namen der in anhaltendem Dienste stehenden National-Garde eine Land- und See-Armee. Art. 291. Kein Theil der seßhaften National-Garde sowohl, als der National-Garde, die im anhaltenden Dienste steht, darf für den innern Dienst der Republik sich in Bewegung setzen, als Kraft einer schriftlichen Requisition der Civil-Gewalt, und dies nach Formalitäten, welche das Gesetz vorschreibt. c) Erwähntes Gesetz vom 28. Germinal Vl Art. 140. Die Officiere, Unterofficiere und Gensdarmen oder National-Garden der National-Gensdarmerie sollen bei allen Gelegenheiten den bewaffneten Beistand, den man von ihnen vermittelst gesetzmäßiger Requisition begehren wird, augenblicklich leisten, sie haben die Requisitionen, welche ihnen von Central-Municipal-Verwaltungen, von den dabei angestellten Commissarien des Vollziehungsdirektoriums für die Handhabung oder Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe zugeschickt worden, zu vollziehen oder vollziehen zu lassen. Art. 147. Die Civil-Autoritäten, welche die Commandanten der National-Gensdarmerie in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen requiriren, sollen es nicht anders als schriftlich thun können. Die Requisitionen sollen das Gesetz anführen, den Schluß des Direktoriums oder der Verwaltung oder jeder andern constituirten Gewalt, Kraft deren die Gensdarmerie zu handeln hat, sie sollen immer an die Commandanten der Gensdarmerie der gegenseitigen Bezirke addressirt werden. Es ist den gedachten Commandanten verboten, diejenigen in Vollziehung zu bringen, die mit diesen Formalitäten nicht bekleidet wären, bei Strafe als solche belangt zu werden, die sich gesetzwidriger und willkürlicher Handlungen schuldig gemacht haben. Art. 153. Wenn um eine aufrührische Zusammenrottung zu zerstreuen, um den Verbrechen Einhalt zu thun, oder um die Requisitionen der Civil-Obrigkeiten in Vollziehung zu setzen, es nothwendig wird, eine Supplementar der National-Gensdarmerie beizufügen, so sollen die Officiere dieses CorpS sich entweder an den Platzcommandanten oder an die Generäle, welche die militärischen Divisionen ihres Bezirks commandieren, wenden, um die Anzahl Truppen zu erhalten, die zur Sicherheit der Gesetzesvollziehung erforderlich ist, und haben ihnen zu diesem Ende das Original der Befehle oder Requisitionen, die sie empfangen, auszuweisen und ihre Forderung schriftlich zu machen. Art. 232. Im Fall eines Volksaufruhrs soll der Wider 59 stand durch die Gewalt der Waffen nur Kraft eines Schlusses einer Central- oder Municipal-Verwaltung und unter dem Beistande eines der Verwalter überwältigt werden, der gehalten ist, die folgenden Formalitäten zu erfüllen. Der anwesende Verwalter spricht mit lauter Stimme diese Worte: „Man gehorche dem Gesetze: es wird Gewalt gebraucht „werden, die guten Bürger sollen sich zurückziehen." Wenn nach dieser dreimal wiederholten Aufforderung der Widerstand fortdauert, und die zusammengerotteten Personen sich nicht friedlich zurückziehen, so soll die Gewalt der Waffen alsobald gegen Aufrührer, ohne irgend eine Verantwortlichkeit für die Folgen, gebraucht werden, und die, welche man hernach ergreifen könnte, sollen den Polizeiofficianten ausgeliefert werden. d) Verordnung des k. k. österreichischen und königl. bayerischen gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Commission de dato. Kreuznach den 5ten Oktober 1814. (im Amtsblatt 1814. No. 17.) Art. 73. Bei Volksaufläufen kann die Landes-Gensdarmerie dem Widerstand nur dann mit Gewalt begegnen, wenn sie hierzu durch eine ausdrückliche Requisition der Polizeibehörde autorisirt, und von einem Individuum derselben begleitet ist, welches ehevor zu dreimalen mit lauter Stimme die Aufwiegler zum Gehorsam auffordert, sie auseinander gehen heißt, und sie warnt, der Gewalt zu weichen. Wenn nach dieser Aufforderung der Widerstand fortwährt, und die gesammelten Aufrührer sich nicht friedlich entfernen, so findet deren gewaltsame Zerstreuung statt. Landes-Gensdarmerie ist nicht mehr für die Folgen verantwortlich und ergreift alle, deren sie sich bemächtigen kann, um sie der Polizei-Behörde zu übergeben. Art. 80. Ueberhaupt hat sich die Landes-Gensdarmerie in und außer ihren Dienstverrichtungen mit Anstand und Bescheidenheit zu benehmen, und jedem, er seye auch vom niedrigsten Stande, mit jener Achtung zu begegnen, auf die er als Bürger des Staates Anspruch machen kann. 60 Gesetz vom 8. und 10. July 1791. (Angeführt in der Bekanntmachung Sr. Durchlaucht des Fürsten Wrede vom 28. Juni 1832 Tit. III. Art. 16., Bei allen Vorfällen, die die Polizei, die Ordnung, die innere Ruhe der Kriegsplätze berührt und bei denen die Zuziehung der Truppen für nöthig erachtet werden sollte, darf der militäirische Commandant nur in Folge der schriftlichen Requisition der Civil-Beamten handeln. Art. 51. Jedes Individuum, welches wegen Unruhestiftung, wegen Zuwiderhandlung gegen gesetzliche oder polizeiliche Verfügungen arretirt wird, soll ohne Verzug, und zwar der Bürger der Civil-Polizei, der Militair der Militair-Polizei übergeben werden. f) Verfassung des Königreichs Bayern Titel 9. §. 6. Die Armee handelt gegen den äußern Feind und im Innern nur dann, wenn die Militairmacht von der competenten Civil-Behörde förmlich dazu aufgefordert wird. 7) Ueber die Verantwortlichkeit der Commandanten der bewaffneten Macht wegen Mißbrauch der Waffengewalt. a) Gesetz vom 28. Juli, 12. Aug., sodann vom 29. September 1791. Ueber die Organisation der National - Garden. Schlußbestimmungen. Art 1. Die Chefs und Officiere der Legion, Bataillons-Commandanten, Hauptleute und Officiere der Compagnien sind der Nation verantwortlich für den Mißbrauch, den sie mit der bewaffneten Macht treiben. b) Strafgesetzbuch Art. 186. Wenn ein Ober- oder Unter-Commandant der bewaffneten Macht ohne gesetzlichen Grund, Gewaltthätigkeiten gegen Personen gebraucht hat, oder hat gebrauchen lassen in Ausübung oder bei Gelegenheit der Ausübung seiner Funktionen, so soll er nach der Natur und Schwere dieser Gewaltthätigkeiten bestraft werden, mit Erhöhung der Strafe nach der durch Art. 198 festgesetzten Bestimmung. 61 Art. 198. Außer den Fällen, wo das Gesetz die Strafen für Verbrechen öffentlicher Beamten, welche an andern Verbrechen, die sie zu überwachen oder zu unterdrücken beauftragt waren, Antheil nahmen, bestraft werden wie folgt: Wenn von einem zuchtpolizeilichen Vergehen die Rede ist, soll sie stets das Maximum oder für diese Gattung von Vergehen bestimmte Strafe treffen, und wenn es sich von Verbrechen handelt, auf denen Leibesstrafen stehen, so sollen sie verurtheilt werden zur Reclusion, wenn das Verbrechen gegen jeden andern mit Landesverweisung oder mit dem Pranger bestraft wird. Zur zeitlichen Zwangsarbeit, wenn das Verbrechen gegen jeden andern mit der Reclusions-Strafe belegt ist, und zur lebenslänglichen Zwangsarbeit, wenn das Verbrechen gegen jeden andern mit Deportation oder zeitlicher Zwangsarbeit bestraft wird. Ueber den obenerwähnten Fall hinaus soll die gewöhnliche Strafe ohne Erhöhung eintreten. 8) Königliche Verordnung, die Amtstracht der Gemeinde-Vorsteher betreffend. Amtsblatt No. 7. v. 15. April 1823. Art. 1. Sämmtliche Bürgermeister ohne Unterschied tragen die in den übrigen Kreisen unseres Reichs für die Städte 3. Classe vorgeschriebenen Metaillen, auf der einen Seite mit dem Namen der Gemeinde oder des Bürgermeisters, jedoch ohne Wappen. Art. 2. Sämmtliche Adjunkten ebenfalls ohne Unterschied bedienen sich der in den übrigen Kreisen unseres Reichs für die Rual - Gemeinden bestimmten Metaillen, auf der einen Seite mit dem bayerischen Wappen, auf der andern mit dem Namen der Gemeinde. Art. 3. Beide Arten von Metaillen werden an einem dreifingerbreiten hellblauen Bande um den Hals auf der Brust getragen. 62 Grossmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! (Die an dem allerunterthänigst unterzeichneten Bürgermeisterei-Adjunkten in Neustadt durch das Königliche Militair verübte Mißhandlung betreffend.) Die unerhörten Gräuel, welche Königliche Militair-Personen am 2. Pfingstfeiertage hier begiengen, denen auch ich, trotz meiner Amtsauszeichnung, mit einigen hundert andern schuldlosen ruhigen Bürgern als ein Opfer unterlag, — Gräuel, womit sich die, so sie begiengen, duldeten oder gar commandirten, mit unauslöschlicher Schande bedeckt haben, diese Gräuel veranlassen mich, nachdem ich von meinen Verwundungen wieder soweit hergestellt bin, Euer Königlichen Majestät davon Meldung zu thun. Ich war am Pfingstmontag von Morgens sechs Uhr bis zur Stunde meiner Mißhandlung abwechselnd mit dem Bürgermeister Reissel, dem Adjunkten Schmelz, dem Polizei-Commissär Rupprecht, dem Königlichen Land-Commissariats-Aktuar Wand, und den nach der ausdrücklichen Weisung der obern Behörden zu ihrer kennbaren Unterscheidung mit weiß-blauen Bändern am Arme versehenen Sicherheits-Garden auf dem Rathhause, um wie beschlossen und höhern Ortes befohlen worden, für alle Fälle parat zu seyn, die Ruhe und Ordnung zu handhaben. Es herrschte auch in der Stadt die größte Ordnung, bis zum Einmarsch der Truppen, welche von Speyer und Landau herangerückt kamen. Einwohner von hier und aus den benachbarten Orten, die sich wie sonst immer gerade hier fanden, neugieriger Natur und nichts Böses von Königlichem Militair erwartend, wollten die herannahenden Truppen sehen, und blieben auf der Seite der Häußer stehen. In breiten Collonnen marschirte das Militair durch die engen Straßen der Stadt, so daß die Neugierigen, welche, wie dieses bei allen Einzügen von Truppen der Fall ist, mit aller Mühe sich an die Häuser dringen mußten, um nicht dasselbe in seiner Haltung zu incommodiren. Gegen dem Rathhause über, von wo aus die obengenannten Behörden mit mir alles ansahen, stand der General von Horn, welcher mit Fäusten auf alle diejenigen schlug, welche nicht schnell genug bei Seite kommen konnten. Auch nicht einer der Mißhandelten that die geringste Gegenwehr. Ohne daß die Ortsbehörden von irgend einer Verfügung der Militärbehörden in Kenntniß gesetzt worden, ohne daß irgend eine polizeiliche Verwarnung, irgend ein Zuruf des Militairs an die Bürger vorausgegangen wären, sich aus den Straßen zurückzuziehen und in ihre Häuser zu verschließen, durchzogen die Truppen in Piqueten und Haufen die Straßen, griffen alle Vorübergehende, nichts Böses ahnende Bürger, Weiber und Kinder an, verfolgten und mißhandelten sie auf die brutalste und grausamste Art, ohngeachtet sie bei diesen Wehrlosen auch nicht den geringsten Widerstand fanden, auch die bestürzten und plötzlich überfallenen Bürger, an keine Gegenwehr, an keinen wechselseitigen Beistand und Hülfe dachten, jeder sich nur beeilte, den Unmenschen zu entfliehen. Diese Rasenden scheuten sich nicht zu zehn und mehreren auf einen einzelnen Wehrlosen mit Säbeln und Kolben drein zu schlagen, und ihn zu Boden zu strecken. Gegend Abends sechs Uhr verdoppelten sich diese furchtbaren Scenen. Wir sahen vom Stadthause zu, wie einzelne, alte und junge Leute, die nichts ahnend von ihren Spazier- oder andern Ausgängen zurückkehrten, nicht weit davon in der Nachbarschaft der im Bonau'schen Hause befindlichen Militair-Wache, von den wilden, zügellosen Rotten, mitunter von denen von der Wache selbst, mit Säbelhieben, Bajonettstichen und Kolbenstößen angegriffen und niedergestürzt wurden. Augenzeugen aller dieser Gräuelthaten, wagte es keiner von

Original: Deutsch

64 allen auf dem Stadthause versammelten Behörden, dem grausen Mißhandelten zu Hülfe zu kommen. Als endlich aber gegen acht Uhr auf's Neue vor dem Stadhause zwei Menschen, wovon ich einen als Einwohner von Winzingen erkennen wollte, von den Soldaten angegriffen, und die mörderischen Streiche gegen sie geführt wurden, da faßte ich vom Gefühl der Menschlichkeit getrieben, die eigene Lebensgefahr vergessend, das Herz, mit meiner Amtsschärpe bekleidet mit einigen Sicherheitsgarden, mit ihren blau-weißen Binden am Arm, mich vom Stadthause herunter, gegen die Jammer-Scenen zu drängen, dort zeigte ich den Soldaten meine Amtsauszeichnung, sagte ihnen, wer ich wäre, und bat und flehte, doch mit ihren Mißhandlungen einzuhalten; es war jetzt acht Uhr, also noch Heller Tag. Jetzt aber schloß sich hinter mir der Kreis der Soldaten, und man versetzte mir von hinten und vornen Säbelhiebe, Bajonettstiche und Kölbenstöße; ich erhielt fünf Kopfwunden, eine Wunde im Gesicht, Hiebe in Hände und Arme, viele Contusionen in's Genicke und den Rücken, und wurde mit Mühe und mit Zerreißung meines Rockes von den Bürgerwachen den rohen Mißhandlungen der Soldaten entrissen, und blutend auf das Rathhaus zurück gebracht, von wo aus ich mich gegen zehn Uhr von Gensdarmen nach Hause escortiren lassen mußte, um mein Leben keiner weitern Gefahr auszusetzen, was auch die anderen Beamten zu thun genöthigt waren. Was nun vorher und noch später vorging, und wer dieses veranlaßte, darüber wird eine Untersuchung der Gerichte, im Fall dieselbe treu, und unpartheiisch geführt wird, Resultate liefern, welche die civilisirte Menschheit auf das tiefste verwunden muß. Dieses ist eine kurze und höchst gedrängte Darstellung, jener jedes fühlende Menschenherz empörenden von der Soldatesk verübten Gräuel-Scenen, ohne daß irgend eine Veranlassung, nach meinem Wissen als Mann von Ehre gesprochen, von der Seite der Bewohner der hiesigen Stadt dazu gegeben worden wäre, denn dieselben betrugen sich während des ganzen Tages so musterhaft, wie dieses von ihren Vorgesetzten Behörden 65 nur immer verlangt werden konnte, und selbst diejenigen unter ihnen, welche am frühen Morgen, einem alten Herkommen gemäß, nach verschiedenen Richtungen, oder selbst auf das Hambacher Schloß spazieren gegangen waren, kehrten einzeln oder in ganz kleinen Gesellschaften schon um die Mittagszeit, oder höchstens gegen vier Uhr des Nachmittags ganz ruhig zu ihren Familien zurück, obwohl man ihnen bange Besorgnisse für die Zukunft ansehen konnte, indem sich schon um diese Zeit das schreckliche Gerücht in der Stadt verbreitet hatte, daß auf dem Hambacher Schlosse durch das commandirte Militair und Gensdarmen auf ganz schuldlose arme Menschen Feuer gegeben worden sey, und bedeutende Verwundungen statt gefunden hätten. Obwohl es durchaus nicht mein Beruf ist, dasjenige vorzutragen, was in Hambach durch das Militair verübt wurde, da ich mich hier nur auf das beschränken will, was unter meinen Augen vorgieng, so glaube ich dennoch, mir erlauben zu dürfen, Ew. Majestät zur Kenntniß zu bringen, besonders da die Münchner politische Zeitung die lügenhafte Nachricht über diese Vorfälle giebt, daß nach allem, was durch glaubhafte Augenzeugen daselbst erzählt wird, das Militair ebenso wenig wie in Neustadt Veranlassung haben konnte, auf eine kaum Barbaren eigene Weise einzuschreiten, besonders da der im Ganzen ganz geringe Theil der hiesigen Einwohner, welche das Hambacher Schloß besucht hatten, nach allen eingezogenen Erkundigungen, dasselbe in aller Ruhe schon verlassen hatten, als die Gräuel-Scenen dort aufgeführt wurden, und folglich nur noch Einwohner der Gemeinde Hambach und den nahe gelegenen Orten, auf dem Schloßberg waren. Das Fest auf dem Hambacher Schloß, welches in dem vorigen Jahre so sehr verdächtig worden war, wurde dieses Jahr durchaus nicht gehalten, obwohl der Herr RegierungsPräsident von Stengel, sowie der Herr Fürst Wrede kurz vorher bei verschiedenen Gelegenheiten, sowohl dem versammelten Stadtrathe, als mir persönlich die Versicherung gegeben hatten, daß nicht dieses an und für sich, sondern nur der sich voriges Jahr kund gegebene Geist unterdrückt werden müsse, um höheren 66 Ortes nicht anzustoßen, so daß die Bewohner von Neustadt erst dann theilweise auf das Schloß spazieren giengen, als ihnen die Versicherung dieser beiden höchsten Kreisbeamten, sowie ein Stadtrathsbeschluß, worin Jederman auf die Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung hingewiesen wurde, bekannt worden war, einen Spaziergang auf die romantische Burg zu machen, welche am Pfingstmontag schon durch unsere Ur-Väter besucht wurde. Wenn es einer feindseligen Parthie gelingen konnte, den Geist der Bewohner hiesiger Stadt und selbst des ganzen Rheinkreises zu verdächtigen, und diese Gewaltmaßregeln hervorzurufen, so hat der ganze Hergang jeden unbefangenen Beurtheiler überzeugen müssen, daß der Bewohner des Rheinkreises zu besonnen ist, als daß er sich zu Handlungen hinreißen lassen könnte, welche ein unabsehbares Unglück über seine Mitbürger bringen mußten, denn trotz dem, daß man in der Nacht ganz im Geheimen ohne Benachrichtigung der Behörden das Hambacher Schloß, welches ein Privat-Eigenthum verschiedener hiesiger Familien ist, mit Militair-Macht besetzte, und den Eigenthümern den Zutritt nicht gestattet hat, ja sogar dieselben mit Gewalt von ihrem Eigenthum verdrängte; trotz dem, daß viele Hunderte Augenzeugen der fürchterlichsten Mord-Scenen waren, wodurch die menschliche Geduld auf eine unerhörte Weise auf die Probe gestellt wurde, verhielt sich Jederman ruhig, und zog sich in seine Wohnung zurück, so daß von sieben Uhr Abends an es niemand mehr wagte, dem schrecklichen Angst- und Nothgeschrei seiner Mitmenschen Gehör zu geben, um dieselben aus den Händen seiner Mißhändler zu befreien, da die Vernunft ihm gebieten mußte, durch keinerlei Gegenwehr diese Wüthenden zu veranlassen, noch weit größeres Unglück über seine Vaterstadt zu bringen, da die Lunten zur Einäscherung derselben schon bereit waren. Daß ich diese Vorstellung directe und unmittelbar zu Eurer Majestät Thron niederlege, mögen Allerhöchst Dieselben sich dadurch erklären, weil ich, sowie meine Mitbürger, das Vertrauen zu der Kreisregierung verloren habe, welche ohne Requisition 67 der hiesigen Local-Civil-Behörden nicht nur unsere Stadt mit Militair überschwemmte, sondern daselbest ohne Provocation von Seiten der Bürger an schuldlosen, den Gesetzen treuen Bürgern die fürchterlichsten Mißhandlungen, ja selbst Mordthaten verübenließ. Möge Ew. Majestät die Stimme eines Bürgers, welcher nur in dem Schutze zeitgemäßer Institutionen und Gesetze eine wahre Beförderung der stets voranschreitenden Civilisation erblicken kann, zu Ihrem Herzen dringen lassen, und diejenigen der strafenden Gerechtigkeit rücksichtslos überliefern, welche die Gesetze unseres schönen Vaterlandes auf die oben angeführte Weise mit Füßen traten, und dadurch den Staatsverband aufzulösen suchten. Neustadt an der Haardt, den 4. Juny 1833. Euer Majestät Allerunterthänigst Treugehorsamster A. Penner. 68 Speyer, den 18. August 1833. Im Namen Sr. Majestät des Königs. (Die Vorstellung des Bürgermeisterei-Adjunkten Penner in Bezug der Vorfälle zu Hambach und Neustadt am 26. und 27. Mai d. J. betreff.) Das Königliche Land-Commissariat Neustadt erhält umstehend Abschrift eines Miniterial-Rescripts in Seitenbetreff vom 3. August 1833, um den Adjunkten Penner hiernach zu bescheiden. Königlich Baierische Regierung des Rheinkreises, Kammer des Innern. Freiherr von Stengel. Schalck. An das Bürgermeisteramt Neustadt. In Abschrift an das Bürgermeisteramt Neustadt zur Eröffnung an den Adjunkten Penner. Neustadt an der Haardt, den 23. August 1833. Das Königliche Land-Commissariat. Sig.Pölniz. Wand. 69 An die königliche Regierung des Rheinkreises. (Die Vorstellung des Bürgermeisterei-Adjunkten Penner in Bezug der Vorfälle zu Hambach und Neustadt am 26. und 27. Mai d. J. betreff.) Königreich Bayern. Staats Ministerium des Innern. Die Königliche Regierung des Rheinkreises erhält hiermit den Auftrag, dem Bürgermeisterei-Adjunkten Penner auf seine bei Sr. Majestät dem König unmittelbar eingereichten Vorstellung vom 4. Juni d. J. in obenbemerktem Betreff eröffnen zu lassen, daß Se. Majestät in eine vor den Gerichten anhängigen Sache einzugreifen nicht geneigt seyen, daß es aber dem Adjunkten Penner freistehe, seine Klage, falls er solche gegen das Königliche Militair richten zu können glaube, vor den Militär-Gerichten, falls er aber solche gegen die Civil-Behörden einzulegen gedenke, nach erfüllten Voraussetzungen vor dem Civil-Richter geltend zu machen. München, den 3. August 1833. Auf Seiner Majestät Allerhöchsten Befehl Graf Seinsheim. Durch den Minister der General-Secretair, in dessen Verhinderung der geheime Sekretair. Dahl. Für die richtige Abschrift. Neustadt, den 29. August 1833. Das Bürgermeisteramt. L. Reissel. 70 Allerdurchlauchstigster, Grossmächtigster, Allergnädigster König und Herr! Der Allerhöchste Erlaß Euer Majestät vom 3ten dieses, auf meine Allerunterthänigste Vorstellung vom 4. Juny letzthin, hinsichtlich der an mir bei Gelegenheit meiner Amtsverrichtung verübten blutigen Mißhandlungen durch Königliche Militair-Personen, ist mir durch die Königliche Regierung des Rheinkreises in Abschrift zugestellt worden. Ich ersehe mit tiefem Schmerz daraus, daß Eure Majestät mich darin jedem Privatmann gleich stellen, ohne nur in dem Geringsten Rücksicht auf meine amtliche Stellung, welche mir durch die Wahl meiner Mitbürger gegeben wurde, — zu nehmen, während dem doch die Gesetze des Landes die Staatsgewalten ausdrücklich verpflichten, von Amtswegen die Person der öffentlichen Beamten gegen Beleidigungen und rohe Mißhandlungen, von welcher Seite und auf wessen willkürliche Befehle diese auch veranlaßt worden seyn sollen, — zu schützen und dem beleidigten Gesetz, in dessen Namen der öffentliche Beamte handelt, die gebührende Satisfaktion zu verschaffen. Ich werde daher auf die mir zugestandene Gnade, mir selbst Recht zu verschaffen und als Einzelner gegen den Militair-Stand oder allenfallsige hohe Staatsdiener klagend vor deren respektiven Gerichtsbarkeiten aufzutreten, aus leicht zu begreifenden Gründen Verzicht leisten, und in dem Bewußtseyn die Achtung meiner Mitbürger, zu deren Schutz ich in jenen schrecklichen Momenten, bekleidet mit der Amts-Schärpe, welche Euer Majestät Wappen ziert, handelnd, gegen ungesetzliche Gewalt auftreten wollte, zu 71 genießen und mit denselben gleiches Schicksal zu theilen, die einzige Genugthuung finde, und Euerer Majestät lediglich die Besorgniß wiederhole, welche ich bei dem Gedanken, das Gesetz ungerächt auf eine so unerhörte Weise mit Füßen getreten zu sehen, für die Zukunft hege. Denn! Wo das Gesetz, sey es von welcher Seite es komme, selbst in den Personen der Wächter desselben ungestraft beleidigt und entweihet werden kann, da ist der Zustund der Anarchie und des Faust-Rechtes. Neustadt a. d. Haardt, den 31. August 1833. Euer Majestät Allerunterthänigst Treugehorsamster A. Penner.
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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

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Der über 2000-jährigen Tradition des Weinbaus in Bad Dürkheim entsprechend, ist das Stadtmuseum in einem ehemaligen Weingut untergebracht. Auf über...

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