Original: Deutsch
(Abschrift)
Brief von Geh. Rat Dr. R. Sommer, o. Prof. für Psychiatrie
an d. Universität Giessen, u.a. der erste Vorkämpfer für
naturwissenschaftliche Erb- und Familienkunde in Deutschland.
An Herrn
Dr. Adolf Stoll
Bad Dürkheim
Giessen,am 23.X.1927.
Hochgeehrter Herr Kollege !
Heut, Sonntag bin ich dazu gekommen, Ihre Briefe und die Beilagen
vom 21.und 22. Mai, 9. Juli und 18. Oktober 1927 nochmals im Zusammen-
hang zu lesen, und möchte Ihnen meinen herzlichen Glückwunsch zu
der Vollendung der sehr mühevollen Arbeit aussprechen.
Besondere freut mich, die Anwendung der stereo-
skopischen Methode, die ich schon in dem Lehrbuch der Psycho-
pathologischen Untersuchungsmetho-
den, 1899 , und seitdem vielfach empfohlen für Schädelstudien
verlangt habe. Die Fortsetzung dieser Studie über die Leini-
nger ist dringend notwendig, und zwar in der von Ihnen durch-
geführten medizinisch-naturwissenschaftlichen Weise. Ihre Fest-
stellungen werden sich erst auswirken, wenn weitere Gruftbefunde
aus dieser Familie dargestellt sind.
Unverkennbar gleichartig ist m.E. der uinarische Typ der Nase von
Emich dem VIII. und IX. Auch Emich der X. hat eine
stark prominente Nase, aber die Bauart ist etwas verschieden.
Der Neffe Emich's des X., Emich der XI., hat eine ähn-
liche Nasenform wie Emich der X.: Oder liegen Defekte am ober-
sten Teil der knöchernen Nase vor. Vielleicht könnte man aus Fami-
lienbildern den eigentlich dominierenden Typ heraus bekommen und
mit den Gruftbefunden vergleichen.
Besten Dank für die Erwähnung meines Buches. Ich schlage einen
Tauschhandel vor: Sie schicken mir die weiteren Nummern des Mittei-
lungsblattes Kurpfälzischer Sippenforscher bis zur Nummer 28, und
ich liefere dafür ein geheftetes Exemplar meines Buches 3.Auflage
Ihre Zeitschrift kommt in die von uns begründete Stiftung für
Familienforschung.
Ihre Ausführungen über die keltische Frage sind mir höchst
interessant. Ich weis nicht recht, ob ich Ihnen von der Fahrt zum
Wiener Psychiatertag schon geantwortet habe. Wir müssen einmal
darüber reden. Ich bin zu dem ganz radikalen Standpunkt gekommen,
daß der Begriff "Keltisch" ursprünglich kein Rassen-
Begriff, sondern aufgrund von Cäsars Eroberungen ein politischer
Machtbegriff war. Bitte lesen Sie zuerst den Rassenabschnitt mei-
nes Buches.
Betr. Soldan bitte ich Sie, mir die Ahnentafel des Reg. Ass. Strack (Selbstverlag)
wenn möglich zu beschaffen, evtl. mit Rechnung. Bitte wir jedenfalls
die Blutlinie, die von den Soldanen zu Ihrer Frau Gemahlin (Mädchen--
Name?) führt, anzugeben.
Die Göthe-Silhouette ist mir morphologisch und lokal-geschicht-
lich sehr einleuchtend, wahrscheinlich ist sie echt. Die Skepsis ist bei
verantwortlichen Museumesdirectoren berufsmäßig. Darf ich das Bildchen
in meiner Sammlung behalten? Heft 1 und 2 der Mitteilungen darf ich
wohl als Eigentum betrachten.
Mit bestem Gruß und Empfehlungen an Ihre Arbeitsgemeinschaft,
deren Tätigkeit ich für außerordentlich nützlich halte, möchte ich
schließen. Ich sende diesen Brief sogleich ab, und lasse den Bericht
über die Leininger mit dem Heft der Bilder morgen, Montag,
eingeschrieben folgen. Bitte schreiben Sie mir,ob beides angekommen
ist, d.h.auch dieser Brief.
Mit dem Wunsche eines persönlichen Wiedersehens Ihr ganz ergebener
(gez:) R. Sommer