Original: Deutsch
Entwurf Dr. Kaisers zur Museumsgestaltung
Landau, den 11.1.1948
Sehr geehrter Herr Walther!
Bei einem aus verschiedenen Abteilungen bestehenden Muse-
um ist die große Gefahr, daß bei reiner von Einzel[...] vorgenom-
menen Gestaltung ein Aneinandervorbeiarbeiten auf Kosten des Andern
und zuletzt des Ganzen zustande kommt. Diese Gefahr ist im der-
zeitigen Aufbau der Dürkheimer Sammlungen aber vorhanden. Darum
erscheint es mir höchste Zeit einen großen Plan festzulegen, sodaß
ein einheitlicher Gesichtspunkt alle Abteilungen entsprechend dem Ganzen
einordnet. Da ich nicht nur Archäologe bin sondern auch natur-
wissenschaftlich wie historisch teilweise sehr eingehend geschult bin,
erlaube ich mir einen solchen einheitlichen Aufbaugedanken zu
umreisen, wobei ich das Vorhandene und die früheren Planun-
gen unter Berücksichtigung des heute Möglichen zur Grundlage
nehme.
Die Beibehaltung des Namens "Haus Natur und Heimat"
wie des Wappens bedarf wohl keiner Diskussion.
Das Museum wird aufgeteilt in die naturkund-
liche Schau in den beiden oberen Stockwerken, in die Heimat-
schau im unteren Stock, in die Schaustellungen im Hof
und in die Darstellung von Brennpunkten des frühgeschichtli-
chen Lebens (früher Krimhildenstuhlmuseum). Die Sammlungen
werden geteilt in Schausammlungen, Studiensammlungen und
Archive.
Die Eingangshalle bleibt in heutiger Form beibehalten
als Hinweis auf die Aufgaben des Hauses. Keine Änderung
der Tafeln nötig.
Das Treppenhaus soll dem Naturschutzgedanken dienen. Darin
Bilder pfälz. Naturschutzgebiete als eine Reihe, durchgehend bis oben.
Tafeln mit gemeinverständlichen Erklärungen eingeschoben. Eine obere
Bildreihe mit Wilddarstellungen soll die Notwendigkeit des Wildes
dartun und für ein Hegetum werben. Eine untere Reihe mag
eine Pflanzenausstellung bringen: Dürkheimer Bruch.
In den oberren Räumen in volkstümlicher Zusammenstellung
1. Darstellung der einzelnen pfälzer Landschaften: Herausarbeiten der
unterschiedlichen Bodengestaltungen auf Grund ihres geologischen
Aufbaues. Darauf siedeln die entscheidenden Pflanzengesell-
schaften.
2. Entsprechend der Verschiedenheit der Pflanzengesellschaften ist auch
die Vielfalt der Tiergesellschaften, welche in ihnen leben
3. Darstellung der ausgestorbenen Tierwelt in ihrer einstigen "Ur-
landschaft"
(Tiergesellschaften in biolog. Zusammenhang, nicht in willkürlichen
Bildern aufbauen und in willkürlichen Pflanzengesellschaften)
4. Bestimmte Pflanzengesellschaften lassen bei bestimmtem Klima
bestimmte Böden mit charakteristischen Horizonten entstehen.
Also Darstellung der Böden in Zusammenhang mit dem Klima
(Moore, [...] z.B.)
5. Darstellung: Auftreten des Menschen in der Landschaft und
zeigen, wie Mensch diese Gegebenheiten wirtschaftlich nutzt
und wie ert in verschiedener landschaftsangepaßter Weise
in den Landschaften siedelt. Landschaft formt den Menschen.
Neben dieser Schausammlung enthält die Studiensammlung folgende
Abteilungen: Vogelwelt
Insekten
Paläontologie
Geologie
Naturschutz
Weinbauschädlinge
Menschheitskunde
Die Archive erhalten alles Sammelmaterial zur Bearbeitung durch
Wissenschaftler einverleibt.
Das Lapidarienmagazin befindet sich im großen dazu hergerichte-
ten Keller.
Im Hof befindet sich ein Freiluftlapidarium.
Die Käfige werden zweckmäßigkeitshalber nicht abgerissen,
sondern wieder mit Vögeln bestückt.
Das Terrarium wird wieder eingerichtet.
Ebenso wird die Ecke mit Pflanzengesellschaften, die charakter-
istisch sind, wieder eingerichtet:
1. Kalk- und wärmeliebende
2. Düne und Moor
3. Salzflora
Gerade diese lebendigen Gestaltungen waren früher mit der Hauptan-
ziehungspunkt der Sammlungen und werden es auch künftig
wieder sein. Natürlich ist einige Mühe damit verbunden,
aber in jedem Fall in Kauf zu nehmen.
Die Ausschmückung des Hauses mit Blumenkästen wird wieder aufge-
nommen.
Schau:
Brennpunkte frühgeschichtlicher Kulturentwicklung in unserem Raum
mit Darstellung der Kulturkontinuität bis zur Gegenwart.
(ehem. Krimhildenstuhlmuseum)
1. Raum:
Krimhildenstuhl, einzigartige Stätte der germanisch/keltischen
Glaubensüberlieferung.
Modell
Karte mit Landschaftsgestaltung, Verkehr, Siedlung in römischer Zeit
und im Frühmittelalter
Fotokopien der Namensurkunden
Texte: Geschichte der [...]keit
" der Ausgrabung
Fundmaterial. römischer Anteil
Arbeitstechnik und Vergleiche mit Gegenwart
Fotos von röm. Bauten in Weilesteinen[?] aus dem Kr. (Mainz)
Germanisch/keltischer Anteil
2. Raum:
Vollesburg Heidenmauer mit Heiligtum
Karte mit Landscahftsgestaltung in Latenèzeit, Verkehr und Sied-
lung. Völkergrenzen.
Fundmaterial. Text Grabungsgeschichte
Fürstensitz Limburg Hallstatt-Spätlatenè
Funde. Gemälde. Cimbernsturm auf die Burg.
Bedeutung in röm. Zeit. Funde.
Frühmittelalter: Lintburg. saliersitz. Klostergründung.
Latenègräberfeld am Ebersberg von oppidum Lindburg
Fürstengrabhügel an altem Weg.
3. Raum:
Vergleichsmaterial zu den am Krimhildenstuhl dargestellten
Kultsymbolen. Nachleben solcher symbole bis in die Gegenwart.
Nachleben des Kultgedankens am K. bis in Gegenwart.
(Sonnwendfeuer. Lehmann, Schandein)
Volksbrauchtum der Landschaft in unseren Tagen: Wurstmarkt, Sommertag u.a.
Karte mit Orten keltischer Bedeutung um den Krimhildenstuhl:
Michelsberg - Petersberg - Spielberg. Rabe, Doppelbeil. Teufelsstein.
Niederkirchen u.s.w.
Sagen um den Krimhildenstuhl, Nibelungensage.
Darstellung der menschlichen Kultur in unserem Raum auf Grund landschaft-
lich-geolog. Gegebenheiten, die durch menschlichen Eingriff genutzt werden
und mit Ausbau der Kulturlandschaft eine Verbesserung der menschl.
Siedlungsmöglichkeiten nach sich ziehen.
[Raumplan-Skizze]
Raum 1:
Tafel mit sämtlichen Fundstätten oder in Eingangshalle.
a) Karten mit Kallst. Klinge. Bild endeiszeitlicher UrlandschaftBruch
gegen Kallstadt. Foto der ehemal. Höhlen. Bilder von den
Haupt[...]. Eine Menschendarstellung.
b) mesolith./neolith. Funde: E[...]heim. Bild der Siedlung in
Urlandschaft. Jäger- und Sammlervolk, Fischer.
Pult
c) Pult mit einigen charkt. neol. Scheiben und Beilen. Beile
in Schäftung. Reibsteine im Gebrauch: Bild. Bohrmaschine
und Steinschmiede. Idealzeichnung von Hütten, Befestigung
auf Petersberg. Hackbau, Domestikation von Tieren.
Beerdigung. Darstellung der Menschentypen.
d) Pult. Beile. Madeln. Aufstellung von 1-2 Vorratsgefäßen.
Idealbild von Grabhügel und Trachten. Kult: Beil u. Nadeln
Nach ersten Anfängen auf Petersberg Dürkh. Kessel stärker im Blickpunkt des Menschen.
e) Schrank. Hallstatt. Siedlungsfunde: [...], 1-2 große Vorratsurnen.
Bild hallstätt. Lebens. waffen in Auswahl. Landschaftsbild mit
Viehherden.
f) Schrank. Panorama Urlandschaft. Karte Verkehrsnetz. Bild kelt.
Tracht. Karte der kelt. Gaue und [...] der Germanen am
Rhein. Ausstellung der Funde: Schmuck, Keramik, Waffen.
Bild german./kelt. Gehöftes. Kelt. Civilisation: [...]- u. Handwerkswesen.
Idealbilder Nutzung der warmen Quellen und Eisenverarbeitung.
Kult: kosm. Naturreligion: Krimhildenstuhl. Mercursteine
Bild keltischen und germanischen Kriegers.
Karte keltischen Burgennetzes und Bild
Zu den Punkten a-f kleine kurze Texttafeln, Verbreitungskarten der Kulturen in
europ. Zusammenhang. Karten mit Entwicklung der Waldlandschaften.
2. Raum:
Gleiche Texte und Karten für a-e gleich in Raum 1.
a) Schrank Römerzeit.
je 1 Bild Verkehrsnetz, Siedlungswesen, röm. Gutshof.
Darstellung röm. Kriegers. Tafel: röm. Civilisation Oberrheingebiet
um Chr. Geb. und um 400 n. Chr.
Großfoto Altäre und Jup. gig. säulen.
Aufstellung Fundgut
Bild Steinbruchbetrieb mit Dürkheim am Annahof.
b) Schrank Völkerwanderungszeit
Karte der alem. u. fränk. Landnahme Oberrhein
Karte Landnahme germ. Völker in Europa und Hunnenvor-
stoß. Reich des Aetius.
Karte Verkehrsnetz. Bild german. Tracht. Siedlungskarte
Dorfbild Großfoto Reihengräberfriedhof z. B. Oberflacht.
Aufstellung Urnen und Waffen.
c) Schrank Frühmittelalter
Idealbild von Siedlung Dürkheim.
Modell Aussiedlung Heidenlöcher
Karten der Ausbausiedlungen, Wikinger- u. Ungarnvorstöße, Kirchengrün-
dungen, Verkehrsnetz.
Bild Lintburg als Sitz der Salier. Trifels als neuer Saliersitz nach
Karte der fränk. Ganeinteilung und Klostergründg. Einteilung der Bistümer
Fundgut.
3. Raum Hochm.a. - 17. Jhdt.
Die Siedlung Dürkheim wächst zum Siedlungs mpkt. der Landschaft heran.
Die Nachfahren der bei germ. Landnahme z. Tl. in rechtlosen Zustand in die Wildnis
geflüchteten Vorbevölkerung zieht sich in die frei machende Stadt-
luft.
Schrank mit m.a. licher Keramik. Schriftzeichnungen von Urkunden.
Ansicht der m.a. lichen Stadt auf Holztafel. Fotos heute noch erhal-
tener Bauten. Vergleichsansichten auf Tafeln von Wachenheim und
Freinsheim. Grundriß der m.a. lichen Stadt mit Burg.
Die Stadt wird vom Bürgertum getragen. Adel als mitbestimmender Faktor
dessen überragende Bedeutung langsam zurücktritt. Wappentafeln
der Adelsgeschlechter (und alter Bürgerfamilien?). Die Stadt wird
verschiedentlich in die Territorialkämpfe herein gezogen.
Da das Handwerk die die tragende Schicht des Bürgertums, bildet es die Grundlage
für die Entwicklung des Gemeinwesens in der Neuzeit.
Altes Handwerkszeug: Zunfttruhe. Herbergsschild. Werkzeuge
Meisterschild -briefe. Handel und Münzwesen.
4. Raum
Stadt in den Kriegen des 17. u. 18. Jhdt. Leininger verlegen
ihren Sitz in die Stadt.
Stube, Ansichten der Stadt, des Schlosses.
Hausrat und Gebrauchsgut aus dem Bürgertum: Möbel
Porzellan, Kupfer- Zinngeschirr. Kleidung, Beleuchtung, Heizung.
Dürkheim als Kurstadt.
Korridor:
Handwerkswesen
Handwerksgerät - Zeichen - Erzeugnisse
Küferwerkzeug - Faßriegel - Modell
Schlosserei - Truhen - Töpferei. Wasserleitungsrohre
Fahrräder. Ofenplatten. Torschlußsteine. Steinmetzzeichen
5. Raum
a) Burgenwesen
Rekonstruktion der Hardenburg. Bilder, Fotos
Foto Schloßeck. Funde auf Wandbrett
Karte von Entwicklung des Befestigungswesen im Tal
Rittertum und Soldatentum vor Einführung der Schußwaffen
b) Klosterwesen
Rekonstruktion der Limburg. Fotos. Ebenso seebach und Höningen
Wandbord mit Funden. Kirchliche Kunst: Madonna
Fries mit kulturgesch. Bedeutung des Klosterwesens.
Hinweise auf Reichskleinodien und Kaiserdom.
6. Raum: Altpfälzer Winzerstube 1. Hälfte 19. Jhdt.
7. Raum: " Küche " "
8. Raum
Spinnen - Weben - Handarbeit
Webstuhl. Spinnräder - Wirtel. Hand- u. Fußhaspeln.
Wäsche - Bettzeug, Decken. Spitzen. Beutel, Hauben.
Drucken mit Model
Bauerntisch mit Stühlen in Stube
An den Wänden Bilder mit Typen der pfälzer Bevölkerung.
9. Raum
Darstellungen zur örtlichen und territorialen Geschichte des
Heimatbezirkes besonders aus den beiden letzten Jahrhdten.
a) Erinnerungsstücke - und dokumente von 1832-48
Stammbäume Dürkh. Familien. Erinnerung an Lehmann, Cooper
Verbindung zur neuen Welt durch Hoover - Ellerstadt.
b) Kurzer Überblick über Geschichte des heimatl. Bezirkes mit Texten und
Karten
c) Geschichte des Leininger Geschlechtes in Tafeln.
Vortragsraum:
1. Oberstock
Erinnerung an Gründung und aus Geschichte der Pollichia, Altertums-
verein und Lesegesellschaft.
Großer Keller: Weinmuseum.
Da mir vor allem für die jüngsten Jahrhunderte der Überblick mangelt,
was an Beständen noch vorhanden ist und ich deshalb auf dem einstigen
Bestand fuße, bestehtn die Möglichkeit, daß im Laufe der Einrichtungsar-
beit z. zt. noch ein Raum herausspringt. Andererseits ist auch wie-
der mit Neuzugängen zu rechnen. Wir wollen ja keine überfüllte
Schaubude, sondern gelockerte, gefällige Räume, die zum Besuch
und Verweilen reizen. Ich hoffe mit dieser Anordnung Ihren Ideen
gerecht geworden zu sein?
Mit den besten Grüßen und Empfehlungen
Ihr ergebener
Karlwerner Kaiser