Original: Deutsch
Extra-Blatt zum „Dürkheimer Anzeiger".
Donnerstag, den 10. Juni 1886.
* Dürkheim, 10. Juni. Für Bayerns Geschichte ist heute ein hochwichtiger Moment eingetreten. Verhängnißvolle Geschicke führten dazu, daß Se. Maj. unser vielgeliebter König Ludwig II., dem Deutschland die Wiedererrichtung des deutschen Kaiserthrones mit in erster Linie verdankt, der hervorragende Förderer von Kunst, Wissenschaft, Landwirthschaft und Gewerbe, durch schweres Leiden genöthigt wurde, die Zügel der Regierung unseres Vaterlandes aus den Händen zu geben. Bayern und Deutschland, insbesondere auch unsere Pfalz, bedauern dieses Vorkommniß in schmerzlichster Weise, um so schmerzlicher als die weise Regierung unseres erhabenen Monarchen für ganz Bayern und die Pfalz von Beginn derselben bis heute eine hoch ehrenvolle und allzeit ersprießliche war. Es kann in dem großen Schmerze, der aller Bayern Herzen infolge dieser Schicksalsfügung erzittern macht, nur einen mildernden Trost und Herzenswunsch geben, nämlich daß unseres erhabenen Monarchen Regentschaftsnachfolger in gleichem Geiste die Geschicke des Vaterlandes nach Innen und Außen leiten möge. Indem wir dies vom Höchsten erbitten und erhoffen, geben wir anschließend die uns soeben amtlich zugegangene hochbedeutsame Meldung, daß
Se. Kgl. Hoheit Prinz Luitpold von Bayern mit heutigem Tage die Regentschaft in Bayern gemäß der Verfassung übernommen hat.
Wegen der definitiven Ordnung der Dinge ist der Landtag auf Dienstag, den 15. d. einberufen.
Se. Kgl. H. Prinz Luitpold steht im 66. Lebensjahre ; er widmete sich von Jugend auf dem Heere, zunächst bei der Artillerie und dann bei der Infanterie, machte die Feldzüge der Jahre 1866 und 1870/71 mit und bekleidet bekanntlich zur Zeit die Stelle eines General-Inspecteurs der Armee. In die erste Hälfte seines Lebens fallen größere Reisen nach Italien, Griechenland, Aegypten etc. An den Staatsangelegenheiten nahm Se. Kgl. Hoheit stets warmen Antheil; schon mehr als 40 Jahre gehört Prinz Luitpold der Kammer der Reichsräthe an. Se. Maj. König Ludwig II. übertrug bald nach seiner Thronbesteigung dem Prinzen Luitpold den Vorsitz im Staatsrate; ferner wurde er bei den öffentlichen Staatshandlungen meistetheils vom Könige mit dessen Stellvertretung betraut. Der Kunstsinn seines Vaters, König Ludwig I., ist auch auf ihn über-gegangen.
Möge der Regent Se. K. H. Prinz Luitpold die Geschicke des Vaterlandes mit sicherer Hand und im Geiste unseres erhabenen Königs Ludwigs II. zum Heile Bayerns und Deutschlands leiten. Das walte Gott!
München, 10. Juni Se. Kgl. Hoheit Prinz Luitpold giebt in einem Armee-Befehl die Uebernahme und Fortführung des Oberbefehls über die Armee im Namen des Königs bekannt.
Verantwortlicher Redacteur: Otto J. Meyer. — Druck und Verlag von J. Rheinberger in Dürkheim.