Original: Deutsch
Extra-Blatt des "Dürkheimer Anzeiger".
Preis 5 Pfg. Freitag, 5. Mai 1916
Die deutsche Antwort auf die amerikanische Note.
Berlin, 5. Mai. (W. T. B. Nichtamtlich.) In der
gestern dem amerikanischen Botschafter überge-
benen Antwort auf die amerikanische Note vom
20. vor. Monats heißt es: Die deutsche Regierung
verschließt sich nicht der Möglichkeit, daß das von einem
deutschen Unterseeboote torpedierte Schiff in der Tat mit
der „Sussex" identisch ist, muß aber die daran geknüpf-
ten Behauptungen, daß dieser Fall nur ein Beispiel für
die vorbedachte Methode unterschiedlicher Behandlung von
Schiffen ist, mit Entschiedenheit zurückweisen. In der Tat
sind die deutschen Seestreitkräfte angewiesen, den Unter-
seebootskrieg nach den allgemeinen völkerrecht-
lichen Grundsätzen zu führen, mit der einzigen Aus-
nahme des Handelskrieges gegen die im engl-
lischen Kriegsgebiet getroffenen feindlichen Fracht-
schiffe. Einen Zweifel daran, daß die entsprechenden
Befehle loyal gegeben worden sind und loyal ausgeführt
werden, kann die deutsche Regierung niemanden gestatten.
Leider hat die Regierung der Vereinigten Staaten
nicht geglaubt, auf die mehrfachen Vorschläge der deut-
schen Regierung die unvermeidlichen Gefahren des See-
krieges für amerikanische Reisende und Güter auf ein Min-
destmaß zurückzuführen, eingehen zu sollen. Entsprechend
den wiederholt von ihr abgegebenen Erklärungen kann die
deutsche Regierung auf den Gebrauch der Unter-
seeboots-Waffe, auch im Handelskrieg, nicht ver-
zichten. Nicht die deutsche, sondern die britische Re-
gierung ist es gewesen, die diesen furchtbaren Krieg
unter Mißachtung aller Völkerrechts-Normen auf Leben
und Eigentum der Nichtkämpfer ausgedehnt hat. Die
deutsche Regierung kann nur erneut ihr Bedauern darüber
aussprechen, daß die humanitären Gefühle, der ameri-
kanischen Regierung sich nicht mit der gleichen Wärme
auch auf die vielen Millionen Frauen und Kinder er-
strecken, die nach der erklärten Absicht der englischen
Regierung in den Hunger getrieben werden und dadurch
die siegreichen Armeen der Zentralmächte zur
schimpflichen Kapitulation zwingen sollen.
Wenn die deutsche Regierung sich trotzdem zu einem
äußersten Zugeständnis entschließt, so ist für sie
entscheidend die mehr als 100jährige Freundschaft zwi-
schen den beiden großen Nationen, sodann aber der Ge-
danke an das schwere Verhängnis, mit der eine Verlängerung
dieses blutigen Krieges die gesamte zivilisierte Mensch-
heit bedroht.
Von diesem Gedanken geleitet, teilt die deutsche Re-
gierung der Regierung der Vereinigten Staaten mit,
daß Weisung an die deutschen Seestreitkräfte er-
gangen ist, in Beobachtung der allgemeinen völkerrechtlichen
Grundsätze über Anhaltung, Durchsuchung und Zerstörung
von Handelsschiffen auch innerhalb des Seekriegs-Gebie-
tes und Kauffahrteischiffen nicht ohne Warnung und
Rettung der Menschenleben zu versenken, es sei denn
daß sie fliehen oder Widerstand leisten.
Sie geht von der Erwartung aus, daß die Regierung
der Vereinigten Staaten nunmehr bei der großbritan-
nischen Regierung die alsbaldige Beobachtung der
völkerrechtlichen Normen mit allem Nachdruck verlange und
durchsetzen werde, die vor dem Kriege allgemein anerkannt
waren und die insbesondere in den Noten der amerikanischen
Regierung vom 28. Dezember 1914 und 5. November 1915
dargelegt sind.
Sollten die Schritte der Regierung der Vereinigten
Staaten nicht zu dem gewollten Erfolge führen, den Ge-
setzen der Menschlichkeit bei allen kriegführenden Nationen
Geltung zu verschaffen, so würde die deutsche Regierung
sich einer neuen Sachlage gegenüber sehen, für die sie sich
die volle Freiheit der Entschließungen vorbehalten muß.
Druck und Verlag von J. Rheinberger, Bad Dürkheim. Verantwortl. Redakteur Otto J. Meyer, Bad Dürkheim.