Original: Deutsch
Schatzkammer Heimatmuseum
Uhrzeiger unter Volutengiebel
Kurioses und Alltägliches (6): Ein Taschenuhrenständer im Heimatmuseum
Von großer Bedeutung für die Zu-
sammensetzung der kulturge-
schichtlichen Sammlung im Bad
Dürkheimer Heimatmuseum ist die
Tatsache, daß hier die Sammeltätig-
keit eine über hundertjährige Tradi-
tion besitzt. Dadurch, daß bereits im
letzten Drittel des 19. Jahrhunderts,
nämlich mit der Gründung des Al-
tertumvereins im Jahre 1872, mit
der Zusammenstellung der Samm-
lung begonnen wurde, war es pro-
blemlos möglich, Gegenstände aus
dem 18. Jahrhundert und der Zeit
davor für geringe Summen zu er-
werben, wobei etwa Einrichtungs-
gegenstände des häuslichen Alltags
überwiegend als Schenkung in die
Sammlung eingegangen sind.
Ein Zeitabschnitt, der aufgrund
dieser Gegebenheiten in einer für
Heimatmuseen nicht alltäglichen
Breite durch Objekte vertreten ist,
ist das 18. Jahrhundert. So soll nun
die Rede von einem Gegenstand aus
dem Barock sein, jener Epoche, in
der die künstlerische Entwicklung
unter anderem dahin ging, die
Grenzen zwischen Zier- und Ge-
brauchsgegenstand zu verwischen
und in der außerdem die Illusion,
die optische Täuschung und das At-
trappenhafte eine besondere Rolle
spielten. Ein sogenannter Taschen-
uhrenständer aus der zweiten Hälf-
te des 18. Jahrhunderts, der im er-
sten Jahr der Vereinsgründung in
die Sammlung kam, legt ein deutli-
ches Zeugnis für diese Erscheinung
ab. Es handelt sich hierbei um ein
geschnitztes und farbig gefaßtes
Holzgestell, das sowohl der sicheren
Aufbewahrung wie auch der wir-
kungsvollen Präsentation der Ta-
schenuhr diente. Der Uhrenständer
besteht aus einem runden profilier-
ten Gehäuse mit einem Volutengie-
bel zur Aufnahme der kleinen Ta-
schenuhr, welches über zwei Säulen
und einem kartuscheartigen Stütz-
glied auf einem zweigeschossigen
profilierten Sockel ruht. Bei der
farblichen Gestaltung des Sockels
wurde ein marmorähnliches Ausse-
hen angestrebt, die sonstige stark
patinierte Bemalung war ursprüng-
lich in Weiß und Gold gehalten.
Der Taschenuhrenständer ahmt
in seiner Form eine herkömmliche
Uhr nach und eine zur Zeit dort ein-
gesetzte silberne Herrentaschenuhr
aus dem späten 18. Jahrhundert ver-
mittelt letztendlich auf den ersten
Blick den Eindruck, daß es sich um
eine solche handelt.
Über den Herstellungsort des un-
markierten Uhrenständers gibt es
keine Aufzeichnungen - höchst
wahrscheinlich entstammt er jedoch
der holzverarbeitenden Hausindu-
strie des Grödener Tales in Tirol, wo
seit dem 18. Jahrhundert Tausende
von geschnitzten und gedrechselten
Küchenutensilien, Ziergegenstän-
den und Spielsachen in alle Länder
exportiert werden. (wok)
Kostbarkeit mit barocken Formen: ein Taschenuhrenständer aus der zweiten Hälf-
te des 18. Jahrhunderts. (Foto: M. Franck)
Rheinpfalz, 3.12.1993