Wandanschlag in deutscher und französischer Sprache.
Veröffentlicht im von Deutschland besetzten Belgien; Thuin, 10. Juni 1915.
"Polizeiverordnung
Um der inder [sic] wärmeren Jahreszeit zu erwartenden Fliegenplage und damit der Gefahr der Verschleppung von übertragbaren Krankheiten durch Fliegen zu begegnen, empfiehlt sich schon jetzt die Durchführung entsprechender Massnahmen. Hierzu gehört in erster Linie die planmässige Beseitigung der Fliegenbrutstätten. Als solche kommen hauptsächlich in Betracht die zahlreich offen liegenden Düngerstaetten in der Naehe der Wohnungen, ferner Anhaeufungen von Müll, Abfaellen aller Art, Unrat, Speiseresten u. ä. m.
Es ist notwendig, diese Brutstaetten der Fliegen durch Abfahren des Düngers aufs Land u. Untergraben daselbst, Verbennen des Mülls und der Abfaelle oder sonstige geeignete Beseitigung, bei Zeiten unschaedlich zu machen. Unvermeidliche Neuansammlungen von Dünger werden bis zur möglichst haeufig vorzunehmenden Abfuhr zweckmaessig taeglich frisch mit Chlorkalk überstreut oder in gut gedeckten Gruben gelagert. Es empfiehlt sich ferner Dung- und Abortgruben einschl. der Feldaborte mit Saprol in dünner Schicht zu übergiessen oder haeufiger mit Chlorkalk zu bestreuen. Unrat, Müll und Abfaelle sind bis zur endgültigen Beseitigung nicht offen, sondern vor dem Fliegenzutritt geschützt in geschlossenen Behaeltern zu lagern.
Auf den Schutz von Kuechen-Raeumen zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln und Krankenraeumen usw. durch Fliegenfenster, moeglichst ausgedehnte Verwendung von Fliegenleim, Fliegenpapier und Gesichtsschleiern für Schwerkranke und schlafende Kranke und Verwundete wird besonders hingewiesen.
Neben der Bekaempfung der Fliegen kommt in vielen Gegenden auch die der Stechmücken in Frage. Es handelt sich hier im Sommer hauptsaechlich darum für die Mücken als Brutplaetze geeignete Ansammlungen stehenden Wassers in der Naehe der Wohnungen wie Wasserloecher, Tümpel, Pfützen, sumpfige Stellen an Fluss- und Bachufern, Wasserbehaelter in Gaerten, Tonnen für Regenwasser u. a. m. durch Abdecken, Zuschuetten, oder sonstige Beseitigung oder etwa alle 14 Tage zu wiederholendes Uebergiessen mit Saprol unschaedlich zu machen.
Auch dem an verschiedenen Orten sich bemerkbar machenden Ueberhandnehmen der Ratten ist die erforderliche Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Muell und Abfaelle aller Art duerfen nicht auf öffentlichen Wegen oder in deren Naehe hingeworfen werden, sondern sind an einen von der Gemeindeverwaltung bestimmten Ort zu verbringen, wo sie ohne Nachteil gelagert werden koennen.
Die Behaelter fuer Muell u. Abfaelle, die zum Abholen aufgestellt werden, muessen gut verdeckt sein.
Die vorbezeichneten Massnahmen muessen, soweit irgend moeglich, ausgefuehrt werden. Wer sie ohne triftigen Grund vernachlaessigt wird mit Geldstrafe bis zu 300 frs bestraft.
Thuin, 10. Juni 1915
Der Kaiserliche Kreischef.
von Baerensprung
Oberst"