Unter den zahlreichen Verlegern und Händlern von Kunstdrucken und Karikaturen in Paris im 18. und 19. Jh. gab es nicht wenige Frauen. Sie gehörten in der Regel zu Familien oder regelrechten Dynastien im Verlags- und Druckergewerbe und waren häufig in alle Geschäftsbereiche eingebunden. Aufgrund ihres Geschlechtes traten sie jedoch normalerweise hinter ihren Vätern, Brüdern und Ehemännern zurück und daher öffentlich als Verleger kaum in Erscheinung. Nur unter besonderen Umständen und dann oftmals nur vorübergehend, etwa im Todesfall des Ehemannes, führten sie die Geschäfte auch offiziell selbstständig weiter. So wurde das vorliegende Blatt laut Beschriftung von der Witwe Chéreau in der Rue Saint Jacques in Paris herausgegeben. Als Geneviève Basset war sie in eine der Drucker- und Verlegerfamilien hineingeboren, die traditionell in der Rue Saint Jacques ansässig waren. 1787 heiratete sie den ebenfalls als Herausgeber von Drucken tätigen Jacques Simon Chéreau II. Nach dessen Tod sind selbstständige Veröffentlichungen von ihr zwischen 1811 und 1820 belegt.
Die vorliegende Karikatur stellt die Mode, Korsetts zu tragen als regelrechte Manie dar und zwar unabhängig vom Alter und vom gesellschaftlichen Stand. So schnürt ein Wasserträger eine Köchin, ein alter Mann seine junge Ehefrau oder ein junger Jockey seine alte Mätresse. Ein junges Paar benutzt die Liebe in personifizierter Gestalt des geflügelten Amors, sodass das Schnüren auch eine unübersehbar erotische Komponente erhält.
Eigentlich hatte die Französische Revolution die Frauen vom Tragen enger Korsetts befreit und in der Zeit des Empire bevorzugte man in Anlehnung an die Antike leichte Kleider aus fließenden, einfach herabfallenden Stoffen, die nur unter der Brust etwas gerafft oder geschnürt wurden. Doch schon etwa ab 1810 bahnte sich das Tragen von Korsetts wieder an und wurde zu einem elementaren Bestandteil der Frauenmode des 19. Jh., was offenbar auch auf Spott und Kritik stieß. [Johanna Kätzel]