Westerwald 19. Jahrhundert
Steinzeug, grauer Scherben, geritzt ("redgemacht"), frei aufgedreht, salzglasiert
Literatur:
Zühlke, Dippold, Scheja
"Westerwälder Gebrauchsgeschirr von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1960 Jahre", (2 Teile, 2008)
Die Form der hier vorgestellten Kanne wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Der kräftig ausgeformte Bauch und der weite Hals mit der Ausgussschnauze bei gut ausgebildeter Standfläche machen diese Kannenform zu einem idealen Ausschankgefäß. In der Tat hat sich diese Form über rund 150 Jahre bis heute bewährt und wird von traditionellen Töpferbetrieben nach wie vor hergestellt.
Der Dekorationsstil ist mit der Herstellungszeit jedoch nicht so ohne weiteres in Einklang zu bringen. Die hier angewandte Redtechnik und die Tatsache, dass keine Bemalung angewendet wurde, weist vielmehr auf die Zeit um 1750.
Da zu dieser Zeit diese Kannenform nicht bekannt war, bleibt die Annahme, dass findige Töpfer des 19. Jahrhunderts sich der alten Technik erinnert haben und in der Absicht eine Neuerung auf den Markt zu bringen, die neu eingeführte Kannenform nicht mit der gängigen Kobaltblaubemalung, sondern dem mehr als Einhundert Jahre früher bekannten Ritzdekor versehen haben - (s. hierzu Lfd. Nr. 60).
Diese Kannen, jedoch ohne Ritzung aber mit Kobaltblaubemalung, werden von den Töpfern des Kannenbäckerlandes als "Frankfurter Kannen" bezeichnet. Es ist
anzunehmen, dass hauptsächlich Frankfurter Händler und Wirte als Kunden für diese Ware auftraten und ihr damit den Namen gaben.
Die Verwendung als Schankgefäß für den dort beliebten Apfelwein wird der Grund für diesen Absatzmarkt gewesen sein.
Noch heute werden diese Kannen - in Frankfurt als Bembel bezeichnet - für diesen Zweck verwendet, vielfach jedoch als Nachahmung.