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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Schriftgut Schriftgut - Flugblatt 1870/1871 Deutsch Französischer Krieg [2022/0153/041]
Propaganda: Krieg, Not, Sieg: Ein Zwiegespräch in ernster Zeit: Seite 1 (Museumsgesellschaft Bad Dürkheim e. V. CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Museumsgesellschaft Bad Dürkheim e. V. / Hans-Günter Förster (CC BY-NC-SA)
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Propaganda: Krieg, Not, Sieg: Ein Zwiegespräch in ernster Zeit

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Beschreibung

Das zweiseitig bedruckte Propaganda-Flugblatt handelt von einem Zwiegespräch, in dem die Personen "A" und "B" ein Zwiegespräch führen.

Person "A" ist ein Bürger, der am Sieg zweifelt, der einen Frieden herbeiwünscht und sich über die Entbehrungen, die der lange Kriegsverlauf mit sich gebracht hat, beschwert.

Person "B" vertritt die Sicht der "Obrigkeit": Sie versucht "A" davon zu überzeugen, dass der Sieg nur eine Frage der Zeit ist, dass die Entbehrungen milder werden, die Einschränkungen sinnvoll sind und redet ihm ins Gewissen, dass seine Haltung und sein Tun nicht zu verantworten ist und "A" eine moralische Veranwortung für eine Niederlage auf sich laden würde.

Die Flugschrift wurde als Rechtfertigung für die 5. Kriegsanleihe im Juli 1916 verfasst.

Material/Technik

Papier / Schwarzweissdruck

Maße

Länge: 52,0 cm, Breite: 48,8 cm, Stückzahl: 1

Abschrift

Original: Deutsch

Bitte geben Sie das Blatt weiter, sein Inhalt ist für jeden wertvoll! Krieg * Not * Sieg Ein Zwiegespräch in ernster Lage Krieg! A. Dieser entsetzliche, unerträgliche Krieg! Fast 2 Jahre dauert es schon, dieses schreckliche Blutvergießen; Tausende und aber Tausende liegen in Frankreich und Rußland und Serbien und Galizien, Väter und Brüder und Söhne und Freunde. Und daheim diese Scharen von Verwundeten! Diese kräftigen jungen Leute, denen ein Arm fehlt oder ein Fuß, deren junge Gesichter durch tiefe Wunden verstümmelt sind, denen das Augenlicht geraubt ist, denen — ach laß mich schweigen! Man kann sich der Siege nicht mehr freuen, wenn man von den Opfern vernimmt und die Opfer sieht, die sie kosten. B. Schon wieder höre ich diese Klage! Sonst bist du immer einer der Tapfersten gewesen, hast zum Aushalten und zum Durchhaltcn gemahnt, hast jeden neuen Erfolg jubelnd begrüßt, hast die kleinen Entbehrungen, die wir zu Hause ertragen müssen, fröhlich verspottet. — A. Kleine Entbehrungen, sagst du? Das war vielleicht einmal; jetzt sind sie groß; jetzt fehlt uns oft das Nötigste: Fleisch und Eier und Butter und Zucker und Brot. Unsere Söhne fehlen uns Vätern, die Männer fehlen den Frauen, die Erzieher und Ernährer fehlen den Kindern. Es ist nicht mehr zu ertragen, es muß ein Ende haben. Dieser Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. B. Du sprichst so gereizt, als glaubtest du, wir Deutsche hätten ihn angefangen. Muß ich dir wirklich all das tausendmal Gesagte noch einmal wiederholen, dir die Vorgeschichte des Weltkrieges noch einmal erzählen, dich noch einmal erinnern an die russische Eroberungssucht, den englischen Neid, den französischen Revanchewahnsinn, an die serbische Mordtat, den russischen Angriff, den englischen Ueberfall, den italienischen Treuebruch? Wenn du nicht ärgerlich wärest, wuütest Du selbst, besser als ich, daß wir nie in der Geschichte einen gerechteren Krieg geführt haben als diesen. A. Ich weiß, wir sind angegriffen worden; wir konnten im August 1914 nicht anders handeln, als wir es taten. Aber trotzdem, sind wir wirklich ganz ohne Schuld? Haben nicht auch wir in den Jahren vorher Zündstoff zusammen getragen, der nur mehr des Funkens bedurfte, um in Heller Flamme emporzuprasseln. Was haben wir nicht in der Auslaudspolitik Fehler begangen? B. Ueber politische Fehler zu urteilen, fühlt uns heute noch der Ueberblick. Wer bei uns aber vom kommenden Kriege gesprochen hatte, hat ihn nicht begrüßt, sondern ernsthaft mit ihm gerechnet. Die alten Soldaten, die es für nötig hielten, uns vor furchtbaren Gefahren zu warnen, haben nicht gewünscht, daß der Krieg komme, sondern haben gewußt, daß er kommen werde. Gewiß haben einige von ihnen den Krieg nicht nur als Unglück betrachtet. Hast nicht du selbst immer geklagt über die Unmännlichkeit und Genußsucht unserer Zeit, hast Nicht du selbst gewettert über die zu hohe Bedeutung, die man dem Gelde beilege; hast nicht du selbst immer behauptet, daß der rechnende Verstand, die rückgratlose Geschmeidigkeit mehr gelte, als die harte Ehrlichkeit und die Treue, die einst der Stolz der Deutschen gewesen? A. Gewiß! Aber hat der Krieg daran etwas geändert? Sind die Wucherer und Streber deshalb ausgestorben? Liegen nicht im Gegenteil viele unserer besten Männer, unsere tapfersten und tüchtigsten Jungen unter der Erde, während mancher Lump und Schurke nach wie vor ungescheut sein Laubwerk treibt? B. Nein! — Du weißt selber, daß du übertreibst. Schon dadurch, daß du von Lumpen und Schurken sprichst, beweist du, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Du hättest früher nie gewagt, den und jenen Herrn deiner Bekanntschaft mit so ehrenrührigen Worten zu bezeichnen; jetzt rückst du von manchem ab wie von einem Verfemten. Wenn aber dein Schuster oder Schneider, wenn der Bauer, bei dem du im Sommer wohnst, wenn der Arbeiter, dem du sonst ziemlich gleichgültig gegenüberstandest, heute zu dir kommt, in seinem einfachen, verschlissenen, verbrannten und schmutzigen feldgrauen Rock, ein fast schon farbloses Bändchen im Knopfloch, dann setzt du ihn an deinen Tisch, holst ihm das beste Glas Wein und gibst ihm deine feinste Zigarre. Dann freust du dich, wenn er, schlicht und ungelenk nnd bescheiden, von draußen erzählt. Und wenn er wieder ausrückt, dann schickst du ihm — hoffentlich — jede Woche ein Päckchen mit Liebesgaben und bewahrst die Karten, in denen er dir dankt, sorgfältig auf zur Erinneruug für Kinder und Kindeskinder. Hast du nicht vielleicht manchmal den Wert eines Menschen unterschätzt? Du hast jetzt gelernt, tiefer zu sehen und zu unterscheiden; Kaste und Klasse sind dir gleichgültig geworden; du siehst auf den Charakter, nicht auf den Rang. A. Mit was für Opfern ist diese Erkenntnis erkauft! Darum frage ich immer wieder: Mußte der Krieg kommen? B. Unser Volk hat den Krieg wirklich nicht nur nicht gewollt, es hat nicht einmal an seine Möglichkeit geglaubt. Du kennst die Reden des Reichskanzlers, du weißt, daß der Kaiser und er bis zum letzten Augenblick versucht haben, die Explosion zu verhindern. Wir haben seit 1870 immer wieder die Möglichkeit gehabt, unsere heutigen Gegner vereinzelt zu fassen und vereinzelt zu schlagen. Wir haben dafür immer wieder die schönsten Gelegenheiten aus der Hand gelassen, nicht aus Torheit, sondern weil unsere Staatsmänner, weil selbst ein Bismarck einen Krieg nicht heraufbeschwören wollte. Unsere Gegner haben uns deshalb oft als Schwächlinge verhöhnt, uns herauzufordern und zu reizen versucht; wir blieben ruhig im Bewußtsein unserer Stärke und unseres Recht-. Meinst du wirklich, daß wir nun plötzlich all diese Ueberlieferungen verleugnet hätten, um den Kampf im denkbar ungünstigsten Augenblick zu beginnen? In einem Augenblick, in dem uns-, eine weltumspannende Koalition gegenüberstand! A. Nein, das glaube ich nicht. Aber wenn wir auch kämpfen mußten, ist denn nicht jetzt endlich genug Blut vergossen? Könnten wir nicht unseren Feinden die Hand zum Frieden bieten? Wir sind die Sieger. Wäre es kein gewaltiges Schauspiel, wennn wir großmütig wären?. B. Wir haben uns schon wiederholt zum Frieden bereit erklärt; unser Reichskanzler hat immer wieder verkündet: Deutschland wolle keine Schuld an nutzloser Fortsetzung des Kampfes tragen. Unsere Feinde haben uns daraufhin nur verhöhnt, sie sehen in diescr Großmut nur Angst; England betrachtet jedes Friedensangebot als den Anfang unseres Endes und hat unsere Friedensbereitschaft, wie du weißt, mit sinnlosen Forderungen beantwortet! A. Aber glaubst du nicht, daß wir doch noch weiter entgegenkommen sollten? Wenn wir der Welt den Frieden wirklich wieder geben könnten, wäre dies herrliche Gut nicht selbst der größten Opfer wert? Würden wir äußerlich und innerlich wirklich so viel verlieren, wenn wir der Eitelkeit unserer Feinde etwas schmeichelten? B. Was sollen wir opfern? Sollen wir darauf verzichten, unsere Grenzen so zu ziehen, wie es für die Sicherung Deutschlands gegen ähnliche Ueberfälle, wie im Jahre 1914, unbedingt notwendig ist? Sollen Ströme deutschen Blutes vergeblich vergossen sein? Oder meinst du gar die hirnverbrannten Wünsche unserer Feinde: das siegreiche Deutschlaird solle durch Abtretung deutschen Bodens den Frieden erkaufen? Wir würden damit die Ehre unseres Volkes preisgeben, selbst wenn unsere Feinde tausendfache Entschädigung dafür böten. Du lächelst bei dem Worte Ehre! Du denkst jetzt wohl an den englischen Falstaff, der zynisch behauptet, man könne Ehre nicht essen und trinken. Aber ohne die Ehre kann weder der Einzelne noch das Volk atmen und leben. Jedes Stück deutscher Erde ist mit deutschem Blut gedüngt und Jahr für Jahr mit redlicher deutscher Arbeit neu erworben. Frage jeden deutschen Mann, keiner wird über solche Dinge auch nur sprechen wollen; sie sind uns, gottlob, selbstverständlich geworden. Aber selbst wenn es Menschen in Deutschland gäbe, die feige und mattherzig genug wären, um solche Gedanken zu denken und zu Taten werden zu lassen, glaubst du denn, daß je in der Weltgeschichte ein Volk sich durch Zurückweichen und Nachgie- bigkeit einen dauernden Frieden erkauft hat? Wann hat Deutschland mehr geopfert als in den Tagen Napoleons I.: Stück für Stück seiner Lande und seiner Rechte, und doch find all die Friedensschlüsse von Campo Formio und Luneville und Preßburg und Tilsit nur Waffenstillstände gewesen. Erst als Preußen sich aufraffte und wieder für die Ehre seiner Fahnen und seiner Geschichte focht, ist den Siegen ein wirklicher Friede gefolgt. A. Ach laß mich doch mit deinen geschichtlichen Erinnerungen und mit deinen Redensarten von Waffenehre und Volksehre! Was kümmert das mich, ich bin ein einfacher Mann, mein Leben sind meine Arbeiten im Geschäft und die kleinen Freuden in meiner Familie. Möge Frieden geschlossen werden, unter welchen Bedingungen nur immer, mir ist's gleichgültig; mein Kreis bleibt ungestört. Im habe dann wieder meine Söhne zu Hanse, zum essen und trinken was ich will und am Sonntag mit Weib und Kind in der schönen Natur spazieren gehen. Das nenne ich Glück, das will ich wieder haben; das hat mir dieser Krieg genommen. B. Und hoffst du wirklich, dies Glück wieder zu bekommen, wenn wir einen faulen Frieden schließen? Glaubst du wirklich, du könntest dein Leben dann wieder so anfangen, wie du es aufgehört hast, könntest dich wieder deiner satten Behaglichkeit freuen, könntest dich loslösen von all dem, was geschehen ist und geschieht? Glaubst du wirklich, daß es für dich ganz gleichgültig sein wird, wenn die Russen in Ost- und Westpreußen stehen, die Engländer in Hamburg und Hannover und Holstein, die Franzosen in Elsaß-Lothringen, die Italiener in Bozen und Brixen? Meinst du wirklich, daß unsere Feinde dann ausgerechnet Dich in Frieden ließen? Du wärst der erste, der über die furchtbaren Steuern klagen würde, die uns die Kriegsentschädigung auferlegen müßte; du wärst der erste, der empört feststellen würde, daß dein kleines Geschäft von der englischen Konkurrrenz erdrückt würde. Statt behaglich mit dir am Familtentische zu sitzen, würden deine Söhne dir täglich und stündlich vorklagen, daß sie nirgends in der Welt Stellen finden, weil jeder Deutsche verachtet; deine Tochter, die mit dem Kunstmaler verlobt ist, würde dir vorjammern, daß niemand in Deutschland mehr Geld besitzt, um Bilder zu kaufen. Unser Handel und unsere Industrie, unsere Kunst und unsere Wissenschaft — alles stünde unter dem Druck der rücksichtslosern Feinde. Für Fremde müßten wir leben, für Fremde arbeiten, für Fremde sterben. Im Eisenbahnwagen und im Gasthaus, im Laden und auf der Straße, überall würdest du die Anmaßung der Fremden ertragen müssen, die dich geringschätzen, weil sie dich besiegt haben. Und all diese Schmach wäre letzten Endes doch zwecklos. Denn Deutschland würde trotz allem nicht aufhören können, Kriege zu führen oder wenigstens Kriege zu ertragen. Sieh doch hinüber nach China! Seit Jahrhunderten hat sich dieser gewaltige Staat eigener Politik begeben; gerade deshalb ist er zu einem der Schlachtfelder der Welt geworden. Blicke zurück in unsere Geschichte! Nie hat Deutschland mehr unter Kriegen gelitten, als in den Jahrhunderten, da es nicht kämpfen wollte und konnte. In den Zeiten unserer Ohnmacht sind von der Schlacht bei Lützen 1632 bis zur Schlacht von Leipzig 1813 fast alle Entscheidungsschlachten der Weltgeschichte auf unserem Boden geschlagen worden. Blättere einmal in den Erinnerungen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert und frage dich dann, ob die Deutschen von damals ihre Behaglichkeit hatten, ob es ein menschenwürdiges Dasein war, als die Franzosen und die Schweden, die Spanier und die Türken unsere Städte und Dörfer verbrannten! Wir Haben den „Frieden", von dem du träumst, jahrhundertelang gehabt; wenn du ihn wieder willst, so wahre dein Haus und dein Geld, deine Frau und deine Töchter, deine Söhne und deine Enkel. Es könnte sein, daß du einmal zwischen rauchgeschwärzten Trümmern kniest, Verzweiflung im Herzen. Weißt du denn überhaupt, was es heißt, den Krieg im eigenen Lande haben? Du hast den Krieg nie gesehen, ich kenne ihn. Dort, durch jenes reife Feld führt der Schützengraben; die Fabrik hier ist ausgebrannt und halb zerstört, das Ziel französischer Granaten. In deinem Hause wohnt der Feind, kein gutherziger deutscher Soldat, sondern ein Kosak, ein Turko, ein englischer Söldner. Du kennst die Greueltaten der Russen in Ostpreußen und Galizien. Dein Eigentum gehört nicht dir, sondern Fremden; sie trinken deinen Wein, essen dein Brot, schlafen in deinem Bett. Sie ernten von deinem Acker; sie arbeiten in deiner Fabrik, mit deinen Maschinen! Du zweifelst? Lies die Geschichte Preußens von 1806 bis 1813! Denke an Ost-Preußen, sieh nach Calais, sieh nach Saloniki! Und vergib nie, daß Dank unserer Siege unsere Feinde heute nur Neutrale mißhandeln können; Was würden sie tun, wenn sie nach Deutschland kämen! Antworte mir nicht, ich lasse dir Zeit; Morgen magst du mir sagen, ob ich recht habe oder unrecht. Not A. Ich habe über unser gestriges Gespräch lange nachgedacht; ich muß doch zugeben, daß du recht hast: Wir dürfen diesen Krieg durch keinen vorzeitigen oder halben Frieden beenden; wir müssen militärisch durchhalten. Aber ich sehe nicht ein, warum wir nicht nur kämpfeun, sondern auch diese Not leiden sollen. Ich habe zwar i»n der Zeitung oft genug von der englischen Aushungerungspolitik gelesen, aber wir haben trotzdem doch sicher alles Notwendige. Man will es uns nur nicht geben, um ein paar Leuten das Geschäft nicht zu verderben. Wir würden den Krieg viel leichter ertragen, wenn wir zu essen und zu trinken bekämen wie im Frieden. So aber haben wir Mangel an Brot, Fleisch, Eiern, Butter, Kaffee, Zucker. Wenn es so fort geht können wir uns und unsere Kinder nicht genügend ernähren, meinst du nicht, daß der Hunger droht? B. Lieber Freund, du übertreibst wieder einmal ganz gewaltig und beweisest zunächst einmal, daß du gar keine Ahnung hast, was Hunger ist. Du würdest mehr davon wissen, wenn du einmal im Schützengraben gestanden warst und nur ein hartes Stück Brot und eine Schnitte Speck im Brotbeutel gehabt hättest, wenn das feindliche Sperrfeuer die Feldküchen verhindert hatte heranzukonnnen und du nun mit knurrendem Magen feindliche Angriffe hättest abwarten und abwehren müssen. Das ist Hunger, der wirklich weh tut. Was du Hunger nennst, hat damit gar nichts zu tun. Du kannst dich nicht mehr vollessen und mußt deine Lieb-lingsspeisen dann und wann entbehren. Wenn auch an manchen Wochentagen das Fleisch ausfallen muß, so kann man das durch etwas anderes ersetzen; du hast ja sonst an Freitagen auch gefastet, nun fastest du eben am Dienstag und Freitag und ersparst dir damit eine Karlsbader Kur. Es schadet gar nichts, wenn deine Frau oder deine Köchin etwas mehr kochen lernt als bisher; unsere Väter haben auch nicht jeden Tag Fleisch gegessen und sind deshalb doch recht gesunde und leistungsfähige Männer gewesen. Wir Wohlhabenden sollten Wirklich nicht von „Hungern" reden, zumal da wir bestimmt wissen, daß unsere Vorräte durch die Ernte wieder reichlich ergänzt werden; wir sollten im Gegenteil froh sein, daß wir dem Vaterlande auch ein kleines Opfer bringen dürfen. A. Du denkst immer an die Wohlhabenden, aber denke doch an die Minderbemittelten, an das Landvolk und seine Taglöhner, an die große Masse der mit kärglichem Gehalte fest besoldeten, an die Arbeiter und die kleinen Handwerker; die leiden Not, oder willst du auch das bestreiten? B. Keineswegs! Aber auch hier wird die nach und nach verbesserte und umfassender gestaltete Organisation unserer Volksernährung abhelfen! Das wird und muß unser deutsches Organisationsgenie fertig bringen. Und ist dir nie aufgefallen, daß es Arme gibt, die viel weniger klagen als die Reichen? Wir haben ja vor diesem Kriege gar nicht gewußt, welch ein Heldenmut, welch eine Opferwilligkeit, welch eine Leistungsfähigkeit und Leistungsfreudigkeit in dem sogenannten „Volke" lebt. Ich bin im Felde viel mit ganz einfachen Leuten zusammen gewesen; ich rechne die Tage zu den schönsten meines Lebens, denn sie haben mir den Glauben an Deutschlands Zukunft zurückgegeben. All die Eigenschaften, die in den mittleren Schichten unserer Bevölkerng zu Redensarten geworden sind, sind beim Bauern und Arbeiter, abgesehen von irregeführten, verblendeten Elementen, wirklich Vorhanden: Treue, Wahrhaftigkeit, Aufopferung, Dankbarkeit und Vaterlandsliebe. Kein Hurrapatriotismus, aber ein schlichtes, stolzes Empfinden. Jeder von diesen alten Landwehrleuten hat den Frieden, die Heimkehr zu Frau und Kind sehnlich gewünscht, aber fast keiner hat gemurrt oder geklatscht oder geklagt. In vielen Bauernhäusern und Arbeiterwohnungen hat man diesen Krieg besser verstanden, als in gewissen Kreisen von „Gebildeten". Kluge Arbeiter und Bauern wissen, daß es sich um den Daseinskampf deutschen Volkes handelt, in dem die „Heimat" so tapfer und opferwillig kämpfen muß, wie die „Front". Manch kleines Fähnlein, das an Siegestagen die Straßen unserer Vorstädte schmückt, bedeutet viel mehr, als das Banner an manchem Palast und Prunkbau. A. Damit magst du recht haben, aber mit solcher Anerkennung allein kannst du die Not nicht beseitigen. Wenn der Hunger mit am Tische sitzt, erzwingt er schließlich dem tapfersten Alaun und der heldenmütigsten Frau die bittere Frage auf die Lippen: was sollen wir essen, was sollen wir trinken, vovon sollen wir uns und unsere Kinder kleiden? B. Du scheinst mich nicht ganz verstanben zu haben, ich habe dir diese Fragen schon beantwortet. Wenn der Arbeiter und Bauer sich uns gegenüber als Bruder beweist, uns, wo er kann, brüderlich hilft. so müssen wir ihm eben auch helfen, wenn er uns von seinem Ueberfluß abgibt, müssen wir ihm von unserem geben. A. Du denkst wohl an unser Geld, meinst du, wir sollten mehr zahlen, mehr Kriegsanleihen zeichnen und die wohltätigen Einrichtungen kräftiger und dauernder unterstützen. B. Lass nur vor allem das Wort „Wohltätigkeit" beiseite, das klingt immer nach Almosen. Wir wollen unsere Dankbarkeit beweisen, darum zahlen wir! Wir zahlen aber viel zu wenig; wir sollten jeden Groschen, den wir entbehren können, unserem ärmeren Bruder zuwenden, und selbst dann — was bedeutet alles Geld der Erde gegen die Opfer, die täglich und stündlich für uns gebracht werden? Du weißt, welch unsägliches Elend der Soldat unserem Lande fern hält; muß einen da nicht schamrot werden, wenn man von Herren und Damen Klagen über die „ewige Bettelei" hören muß! Ja. Wenn es sich um eine neue Mode handelte, um ein neues Bar, um einen eleganten Sommeraufenthalt, aber es handelt sich ja nur um Unterstützung hilfloser Verwundeter, um Essen und Kleider für Kriegsbeschädigte, um das Rote Kreuz, um unsere Kriegsgefangenen!. Es empört mich schon lange, wenn so manche unserer wohltätigen Einrichtungen immer wieder gezwungen ist, in der Zeitung um Beiträge zu bitten. Das ist eine Schande für ein reiches und mächtiges Volk; man möchte wirklich wünschen, daß unsere wohlhabenden Kreise weniger vom Vaterland sprächen und mehr für das Vaterland täten. A. Ich gebe dir Wort für Wort recht, aber du mußt mir zugestehen, daß eine noch so große öffentliche Wohltätigkeit oder, richtiger gesagt, eine noch so warmherzige Betätigung nationaler Dankbarkeit doch nicht aller Not steuern könnte. Deshalb bekommt der Arbeiter doch nicht genug Brot, Fleisch, Butter, Eier, Zucker. Diese Mängel kann die Gesellschaft nicht beseitigen, sondern nur die Regierung, Ich weiß, datz die Absperrung vom Auslande unsere Zufuhr an Nahrungs- und Futtermitteln bedenklich verringert hat, aber trotzdem,— wenn die Regierung ihre Pflicht erfüllte, hätten wir mehr zu essen. Du kannst nicht leugnen, daß Fehler gemacht worden sind und daß immer wieder Fehler gemacht werden. B. Ich leugne das auch gar nicht. ES sind zweifellos Fehler gemacht worden. Aber wir sind jetzt an einem Wendepunkt angekommen. Die REgierungen haben versprochen, mit aller Kraft Wandel zu schaffen! Wir wollen hoffen, daß die Verantwortlichen Stellen über diese Schwierigkeiten hinweg den richtigen Weg finden, der letzte»» Endes über Sieg oder Stte-derlage in diesen» Krieg entscheiden wird. Es

Original: Deutsch

mußten Fehler gemacht werden, aber eine spätere, gerechtere Zukunft wird nicht nach dem Verfehlten urteilen, sondern nach dem Erreichten. A. Ich sehe schon, wo du Hinaus willst. Du möchtest am liebsten alle Kritik verbieten! Wir Steuerzahler sollen höchsten» den Mund aufmachen dürfen, um zu loben und anzuerkennen. B. Nein! Kein großer Organismus kann und darf der Kritik entbehren; jede Regierung würde zugrunde gehen, wenn ihr die Verbindung mit den Regierten abgeschnitten würde. Ich bin vollkommen damit einverstanden, wenn Sachverständige verbesserungsvorschläge machen, besonders wenn sie ohne Uebertreibungen und Verallgemeinerungen ihre Meinung vortragen! Ich freue mich stets, wenn auf Grund solcher Kritiken Falsches beseitigt wird und Richtiges zustande kommt. Aber mancher hat geschimpft und gehetzt, um des Schimpfens willen, mancher hat das Maul aufgerissen", nur um als tapfer und tüchtig angesehen zu werden. Das ist im Frieden lächerlich, im Kriege gefährlich, drückt die Stimmung und reizt die Unverständigen sogar zu Gewaltmaßregeln, die gar nichts nützen, aber alles verderben können. A. Was sollen wir dann aber tun? B. Zuerst einmal nachsehen, ob in unserem eigenen Hause alles in Ordnung ist, ob wir die wohlmeinenden Vorschriften unserer Kriegswohlfahrt immer ganz gewissenhaft befolgen, ob wir nicht durch Ansammlung unnötiger Vorräte den Aermeren die Lebensmittel wegnehmen und verteuern, ob wir nicht durch Verbreitung blödsinnigen Klatsches die Aufregung Urteilsloser steigern. Durch Selbstzucht läßt sich vieles erreichen. Der Bauer, der Händler, der Kaufmann, der in diesen Krieg-zeiten nicht an sich, sondern an das Vaterland denkt, kann manche Not lindern und mancher sinnlosen Teuerung steuern. Hamster und Wucherer aber haben eine schwere Schuld zu tragen! Wir Deutschen müssen jetzt zusammenhalten. Wir dürfen nur an unser eines großes Ziel denken: jede selbstsüchtige Regung ist Landesverrat. Wenn wir von den Beamten mit Recht verlangen, daß sie ihren Alten Schimmel abzaumen und in den Stall bringen, so müsten auch wir uns von dem alten Friedensschlendrian lossagen; wir müssen auch e«in-mal etwas Ungewohntes ertragen und müssen uns nicht über jede kleine Entbehrung aufregen. Wenn wir stets an unsere Brüder im Felde denken und nie vergessen, daß jedes Opfer, das wir bringen, für sie den Krieg verkürzt, dann werden wir vieles ertragen können. Einstweilen ertragen wir die Leben-mittelknappheit. Wir werden über ein paar schwere Wochen bald hinweg kommen. Das wird uns gelingen; wir haben ist diesem Kriege Schwereres klaglos ertragen. Wir haben im Jahre 1915 eine Mißernte gehabt; wir spüren selbstverständlich die Folgen davon erst jetzt. Aber wir werden sie nicht mehr lange spüren, die Ernte dieses Jahres wird besser werden. Wir haben seit dem letzten Sommer reiche Getreideländer gewonnen; wir haben uns den Zugang zu den Balkanstaaten erkämpft. Glaubst du wirklich, daß all das gleichgültig sein wird? Ich habe dir vorher von dem Schützengraben erzählt, von den Soldaten, die mit einem Stück Brot und einem Stück Speck in der Tasche den feindlichen Angriff abwarten und abwehren müssen. Uns geht es unvergleichlich besser! Haben wir das Recht, mehr und besseres zu verlangen, als unsere Feldgrauen? Nach der Ernte und nachdem unsere Lebensmittelversorgung gleichmäßig ausgebaut sein wird, sind die Zentralmächte die Partei, die "im Innern" getrost ausharren kann, jahrelang, wenn es sein muß, bis der Uebermuth der Feinde gebrochen ist. Und ist es nicht ein stolzes Gefühl, daß dann wir in der Heimat mitgeholfen haben am Siege, daß unsere Soldaten, wenn sie zurückkehren, Frauen und Kindern als Mitkämpfern die Hände schütteln können?. Wenn Heimat und Heer so zusammenhalten, dann ist uns der Sieg sicher. A. Ich sehe ein, daß wir den Krieg nicht durch einen faulen Frieden beendigen dürfen, ich gebe auch zu, daß wir entbehren müssen. Aber werden wir denn dann auch siegen? Werden all diese Opfer dann auch Erfolg haben? B. Darüber wollen wir morgen sprechen! Sieg! B. Du hast mich gestern gefragt, ob wir siegen werden? Selbstverständlich werden wir siegen! Du kennst doch ebenso gut wie ich unsere militärische Lage. Im Westen bedrängen wir die Franzosen bei Verdun ... A. Ja glaubst du denn, daß wir Verdun bekommen werden? Mir hat neulich ein Freund gesagt, er habe von einem Herrn, der einen Gefreiten kennt, gehört, ein Offizier, der aus dem Felde zurückgekehrt sei, glaube nicht, daß wir Verdun bekommen werden. B. Das ist wieder einmal das richtige Kriegsgeschwätz: Vermutungen irgend eines Bierbankstrategen, der, um seinen Unsinn schmackhafter zu machen, behauptet, er wisse alles von einem Soldaten. Wenn man der Sache dann nachgeht, ist der Soldat entweder gar nicht vorhanden oder er hat gar nichts gesagt oder er hat etwas ganz anderes gesagt. Du bist doch sonst ein vernünftiger Mensch und würdest im Frieden nicht die Hälfte von dem glauben, was erzählt, geklatscht, gelogen wird. Jetzt aber im Kriege glaubst du deinem Friseur und deinem Hühneraugenoperateur und deiner Brotfrau und deinem Milchmadel. Obgleich du zugibst, daß das Große Hauptquartier täglich einen ernsthaften, klaren und ehrlichen Bericht veröffentlicht, der alles Vertrauen verdient. Und dabei sollten wir gerade jetzt gegen jedes unverbürgte Gerede außerordentlich vorsichtig sein. Was wirklich geschieht, das wissen nur die obersten Heerführer: den Zusammenhang der Dinge, die Notwendigkeit dieser oder jener Maßnahme können nur ganz wenig Leute in Deutschland überschauen. Der einfache Soldat, ja selbst der Truppenoffizier, sieht nie mehr als einen winzigen Teil des Schlachtfeldes; von dem, was außerhalb seiner Kompagnie geschieht, weiß er fast nie etwas Sicheres. Er beurteilt daher Erfolge oder Verluste stets nach seinen paar Mann; in der Hitze des Gefechtes kann er leicht falsch urteilen. Wird er nun noch selbst verwundet, so trägt der Schmerz dazu bei, sein Urteil zu trüben. Ich will damit gar nichts gegen unsere tapferen Verwundeten sagen; im Gegenteil, ich ärgere mich genug, daß sie jetzt oft weniger rücksichtsvoll behandelt werden als im Anfang. Aber wenn ich wissen will, wie die großen Operationen verlaufen und was sie für einen Zweck haben, dann frage ich keinen einzelnen Mann, sondern lese die Berichte aus dem Großen Hauptquartier. A. Du meinst also, daß wir Verdun nehmen werden? B. Ja! — aber darauf kommt es nicht an. Das Ziel unserer Operationen ist immer und überall das feindliche Heer. Wenn wir das vor Verdun Zusammenhauen oder in Verdun oder hinter Verdun — die Hauptsache ist, daß wir es zusammenhauen. Und du wirst mir doch zugeben, daß die Franzosen jetzt schon außerordentlich schwere Verluste erlitten haben. Wir dürfen hier die Geduld nicht verlieren. Der moderne Krieg ist eben etwas anderes als der Krieg von 1870. Die große Veränderung der Waffen und Fechtweisen hat die Schlachten und Kriege verlängert. Damit muß man sich abfinden! A. Aber die russische Offensive? B. Das macht wirklich keinem Sorge, der die Vorgänge verständig verfolgt hat. Zu Beginn des Feldzuges sind die Russen bis nach Krakau und Königsberg vorgedrungen. Da wart ihr ganz ruhig und gelassen, wie eben ein großes Volk sein muß. Ihr wußtet, wir Deutsche und unsere österreichisch-ungarischen Waffenbrüder werden den Feind schon wieder hinauswerfen. Jetzt, wo die Russen ein paar Kilometer Raum gewonnen haben, glaubt ihr, diese gewaltsam vorgetriebenen Massen würden unseren Sieg beeinträchtigen? Dabei seht ihr doch, daß der Gegenstoß glückt, und könntet wissen, daß wir an der Ostgrenze Feldherren stehen haben, die im Verlauf dieses Krieges Schwereres vollbracht haben. Und gerade so wäre es im Westen bei einer englischen oder im Süden bei einer neuen italienischen „Offensive"! Seid froh, daß Hindenburg und Linsingen und Conrad von Hötzendorf für euch denken und für euch kämpfen. Wenn ein Sonderling trotz Tannenberg und der Masurenschlacht, trotz des Siegeszuges in Galizien und Polen und Serbien immer noch kleine Zweifel hat, dann ist ihm eben nicht zu helfen, dann ist er ein so jämmerlicher Feigling, daß es wirklich um jeden Soldaten schade ist, der für ihn blutet. A. Schimpfe doch nicht so! Man wird doch noch reden dürfen. 8. Man könnte wirklich manchmal die Geduld bei solchem Gerede verlieren. Unsere Flotte hbat die Engländer geschlagen; unsere Weltheere siegen bei Ypern und Verdun, die Armeen Oesterreich-Ungarns halten unüberwindlich und heldenmütig die Wacht in den Alpen, im Osten liegen die toten Russen zu Tausenden vor unseren Schützengräben; die Türken haben Kut el-Amara genommen; die Franzosen und Engländer kommen bei Saloniki keinen Schritt weiter — und ihr schämt euch nicht, eure kummervolle Bierbankpolitik auszuspielen. A. Du mußt das nicht so übel aufnehmen; manche Leute sind eben durch die Dauer des Krieges etwas nervös geworden. Sie würden allesruhiger ertragen, wenn sie ein Ende sähen. B. Ich merke schon, wo du hinaus willst; jetzt kommt die Frage, die mir sicher schon hundertmal gestellt worden ist, wie lange der Krieg wohl noch dauern werde. A. Ja, wenn du das wüßtest! B. Ich weiß es so wenig wie du; das heißt, ich weiß, daß der Krieg zu Ende sein wird wenn wir unsere Feinde besiegt haben, England einsieht, daß es sich verrechnet hat. A. Aber das kann vielleicht noch recht dauern. B. Hast du jemals während einer schweren Operation den Arzt gefragt, ob es lange oder kurz dauert? Ich glaube nicht; ich glaube, deine erste und einzige Frage war, ob du am Leben bleiben oder sterben wirst. So stehts mit uns auch. Es handelt sich jetzt nicht um Wochen oder Monate, sondern es handelt sich um Sieg oder Untergang. Wir siegen überall, in West und Nord und Ost und Süd, wenn ihr in der Heimat uns nicht den Sieg verderbt. Ihr verlängert den Krieg mit eurem Klatschen und Klagen, ihr allein könnt unsere Erfolge zerstören. Ihr tragt dann die furchtbare Schuld an eurem Verderben und an dem Verderben eurer Kinder. A. Du übertreibst... . B. Ich übertreibe gar nicht. Jetzt schon hofft England auf eure Mithilfe. Jetzt schon glaubt England, wir Deutsche seien bereits halb erstickt und unsere Siege seien nur mehr die Zuckungen eines Manne», der keine Luft mehr bekommen kann. A. Das ist boch ein roher Vergleich! B. Dafür ist er auch von einem Engländer. Aber auf die Worte kommt es nicht an, sondern auf die Absicht, die dahinter steckt. Jetzt schon hat England mit dürren Worten erklärt, was es mit uns anfangen werde, wenn es siege. Wir sollen dann, mindestens ein Jahrhundert lang die Sklaven Englands sein, die Früchte unserer Arbeit sollen England, und zwar England allein, zugute kommen; wir sollen Englands europäisches Indien werden. Weißt du, was das heißt? Weißt du, daß Indien vor der Eroberung durch England ein blühendes, reiches Land war, bewohnt von freien, glücklichen, vornehmen Menschen, und daß es jetzt ein Helotenland ist, ein Land der Pest und der Hungersnot. Wünschest du das oder die Not der Irländer, die Wehrlosigkeit und Vergewaltigung, wie sie jetzt "Neutrale" von England erdulden müssen, für diech und für deindeine Kinder? Dann fahre weiter fort, wie du angefangen hast, jammere über jeden Verlust und über jede Entbehrung, denke nur an dein kleines Ich, sprich nur von der Notwendigkeit, den Krieg zu beenden. Du kannst unseren Feinden keinen größeren Gefallen tun! Wie wird Mister Smith sich freuen, wenn er allein auf der Welt zu gebieten hat, wenn dein Geld in seiner Tasche klingt, wenn dein Sohn als englischer Söldner in der ganzen Welt für England fechten darf. Willst du das? A. Wie kannst du nur fragen! Aber bu übertreibst sicher. So etwas sagt man, aber ein Kulturstaat wie England tut so etwasnicht. B. Genau so habt ihr zu Beginn des Krieges über die Aushungernngspolitik gesprochen. Da habt ihr auch gelächelt und die Hände in die Taschen gesteckt und jede Vorsichtsmaßregel der Regierung für unnötig gehalten. Wollt ihr denselben Fehler noch einmal machen? Ihr dürftet, fürchte ich, dann keine Zeit mehr zum Lächeln haben. Was England sagt, da- hat eS noch immer getan; e- hat sogar immer mehr getan, als cs gesagt hat. Es waren keine Redensarten, wenn seit Jahrzehnten in der englischen Presse gepredigt wurde, daß Deutschland zu vernichten sei. Ein Volk, das alle Stämme der Erde gegen uns in den Kampf führt; ein Volk, das gleichgültig vom Hungertode unserer Frauen und Kinder spricht, will uns vernichten, um allein allen Gewinn der Welt einzuheimsen. Nur unser Sieg kann diese Vernichtung und englische Gewaltherrschaft verhindern. Wir werden siegen, wenn die Heimat hinter dem Heere steht. Die Frauen müssen drum geduldig auf ihre Männer warten, die Väter auf ihre Söhne, die Mädchen auf ihre Schätze. Wir müssen jede Entbehrung klaglos ertragen; wir müßten selbst hungern, wenn es nötig wäre. Denn wenn wir jetzt nicht durchhalten, ist es mit unserer Freiheit zu Ende, nicht nur mit dem Staat Deutschland, sondern mit jedem einzelnen Deutschen, vom Fürsten herab bis zum Bettler. Der daran zweifelt, beweist nur, daß er das Wesen dieses Krieges nicht erfaßt und blind wie ein Maulwurf ist. Glaube mir, wir haben nur eine Wahl: durchhalten oder verderben. Das Durchhalten führt zum Siege und zu einem festen, dauernden Frieden, das Versagen führt zum Ende. Willst du wirklich die Verantwortung auf dich laden und dich, deine Kinder, deine Freunde, uns Deutsche alle zu Sklaven Englands machen? A. Aber auf mich kommt es doch nicht allein an? B. Auf dich kommt es an, auf jeden einzelnen. Wenn du willst, dann wollen zehn und zwanzig, und wenn zehn und zwanzig wollen, dann wollen Hunderte und Tausende. Durch innere Kraft hat Deutschland gesiegt, nur durch innere Schwäche kann es zugrunde gehen. Bitte geben Sie das Blatt weiter, sein Inhalt ist für Jeden wertvoll! Druck und Verlag von Knorr & Hirth in München Nachdruck nur nach vorgängigem Einvernehmen mit dem Verlag gestattet!

Literatur

  • David Welch (2014): Germany and Propaganda in World War I: Pacifism, Mobilization and Total War. London

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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Objekt aus: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Der über 2000-jährigen Tradition des Weinbaus in Bad Dürkheim entsprechend, ist das Stadtmuseum in einem ehemaligen Weingut untergebracht. Auf über...

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