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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz [2013/0097]
https://rlp.museum-digital.de/data/rlp/resources/documents/202112/12145114993.pdf (Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir (CC BY-NC-SA)
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Broschüre: "Die Fackel, Das neue Deutschland", Friedrich Funk, 1832

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Beschreibung

Material/Technik

Papier, weiß; schwarz * beschriftet

Maße

Breite/Länge: 22 cm; Höhe: 36 cm; Tiefe: 0,1 cm

Abschrift

Original: Deutsch

Die Fackel angesteckt von Friedrich Funck. 1 8 3 2 Preis: 12 kr. Das neue Deutschland. Die Zweibrücker Zeitung vom 6. Sept. und der Volksfreund vom 8. dieses bringen abermals den Vorschlag zur Auswanderung in Anregung. Der Rath in Algier eine Zuflucht vor dem Druck und der Schmach in Deutschland zu suchen, scheint nicht großen Beifall gefunden zu haben; es wird nun ein neuer Plan angegeben, der viel lockendere Aussichten zeigt, als irgend ein anderer der Art. In Nordamerika soll ein neues Deutschland gegründet werden, das alle diejenigen in sich aufzunehmen bestimmt ist, deren Hoffnungen und Forderungen die alte Heimath entweder nie erfüllen konnte oder nicht erfüllen wollte, daß Freiheit und Recht ohne Beschränkung in voller Freiheit gewähren soll. So lautet die Ankündigung. Es ist nicht zu läugnen, dieser Gedanke ist großartiger, als diejenigen, welche gewöhnlich die Auswanderer leiten. Nicht das Wohlsein der Einzelnen ist als höchster Zweck aufgestellt, sondern die Ehre und Freiheit des Volks. Die Welt soll nicht sagen, daß es kein freies Deutschland gebe; wenn es in Europa nicht zu finden ist, soll es jenseits des atlantischen Meeres anzutreffen sein. Alle volksthümlichen, dem Deutschen theueren heimathlichen Verhältnisse sollen fortbestehen, nur die Scholle auf der er lebt, soll verrückt werden; weder Sprache, noch Sitte, noch Freunde, noch Verwandte soll er zurücklassen; den größten Theil der süßen Lebensgewohnheiten soll er mitnehmen und unter freierem Himmel auf gesegneterem Boden wieder aufblühen sehen. Wenn wir bisher Züge deutscher Auswanderer erblickten, so glichen sie dem von Jägern verscheuchten Wild, welches sich einen neuen Weideplatz aufsucht, denn es galt ihnen bloß als Einzelne um ein unverkümmertes, gesichertes Fortkommen. Der neue Strom hingegen, welcher jetzt hinüber geleitet werden soll, erinnert an die Ansiedelungen der Griechen, welche die Götter der Heimath, die Sinnbilder der Volksthümlichkeit in das neue Vaterland mit hinüber nahmen, an die Pflanzstätte, welche die Mutterstadt nicht vergaßen 4 und durch jährliche feierliche Opfer das Andenken all ihren Ursprung erneuerten. Sechzigtausend freie über 25 Jahr alte Männer sollen sich zusammenthun, um in Nordamerika einen eigenen freien, jedoch mit den bereits dort bestehenden verbundenen Staat zu begründen, während sonst die Auswanderer sich in verschiedene bestehende Staaten unter Menschen der verschiedensten Abkunft zerstreuen. Gewiß, nicht rohe Gleichgültikeit gegen das Vaterland hat diesen Gedanken erzeugt, er ist in einem Herzen entsprungen, welches an dem Wohl und Wehe desselben einen innigen Antheil genommen hat und auch noch fortwährend nimmt. Nichtsdestoweniger ist es ein unglückseliger Gedanke. Er ist eine Frucht der Verzweiflung, welche nach dem Ausdruck des Volksfreundes an der diesjährigen Juni- und Julisonne gereift ist, — aber nicht der Verzweiflung, welche zu Heldenthaten treibt, sondern jener, die den Muth und die Thatkraft lähmt. Es ist wahr: die Feinde der Freiheit verfolgen kecklich ihre Bahn. Die Männer des Volks sind zum Theil in Kerker geworfen, zum Theil in die Verbannung getrieben, und diejenigen, gegen welche nicht einmal ein scheinbarer Vorwand aufzufinden ist, werden auf andere Weise aus ihrem Wirkungskreis entfernt. Die Volksversammlungen und vaterländischen Vereine, die Pflanzschulen des erwachten vaterländischen Sinnes sind untersagt, Kerker und Tod sind denjenigen angedroht, welche sie eröffnen und erhalten wollen. Die Schriften, in welchen der Volksgeist genährt wurde, sind fast insgesammt unterdrückt, und nur die feile Lüge und die freche Volksverführung darf sich ungehindert vernehmen lassen. Darüber jubeln denn die Feinde der Freiheit, als ob sie große Siege gewonnen hätten. Immerhin. Aber sollen wir ihren Wahn dadurch zur Wahrheit machen, daß wir uns für überwunden erklären? daß wir sagen: die Möglichkeit des Besserwerdens ist dahin!? Nein, deutsche Brüder ! Wohl haben die Frevler Werkzeuge ihres Verderbens zerstört, aber die Faust, welche ihren frechen Nacken zerbrechen wird, haben sie noch nicht verlähmt und werden sie auch sobald noch nicht verlähmen. Das mochten sie eben gern. Sie möchten die Sehnen der Volkskraft zerschneiden, um das Volk zu einer todten Gliederpuppe zu machen, welche sie durch künstliche Fäden in Bewegung setzen könnten. Wenn sie 60,000 freiheitliebende Männer aus dem Weg zu räumen vermöchten, das wär' ein Schlag, dessen sie sich mit vollem Recht als eines Sieges rühmen könnten. Sollen wir ihnen nun die Mühe ersparen ? Sol- 5 len 60,000 rüstige Männer freiwillig den Kampfplatz räumen, bevor sie nur ein Schwert gezogen, bevor sie nur einen Tropfen Blut verspritzt? Wahrlich das hieße, den Feind nicht nur für Sieger, sondern auch für des Sieges werth erklären, das hieße, ihm den Lorbeerkranz um die Stirn flechten. Jene Auswanderung wäre nicht nur ein Beweis der Muthlosigkeit ihrer Theilnehmer, sie wäre auch das wirksamste Mittel, in den Zurückbleibenden das Vertrauen auf endliche Gelingen der großen Sachen zu ersticken. Gerade jetzt gilt es, die Kräfte zusammenzuhalten, gerade jetzt kommt es darauf an, die Reihen der Freiheitskämpfer enger zu schließen. Nur nicht verzagt! Werden die Feinde des Vaterlandes nicht mehr durch den Anblick der Tausende erschreckt, welche zusammenströmten, die frohe Botschaft von Volksehre und Volksfreiheit zu vernehmen, werden sie durch den Klang der Freiheitslieder in ihren Träumen nicht gestört, haben sie den Strom abgedämmt, der aus dem Geiste Einzeler sich in die Seelen von Tausenden ergoß, — so sind sie doch noch weit entfernt, das Spiel gewonnen zu haben. Die helleuchtenden Flammen, haben sie erstickt. aber um so gefährlicher glimmt das Feuer unter der Asche fort; die Oeffnungen haben sie verstopft, aus denen Stürme hervorbrauseten, aber sie haben sich damit eine Mine bereitet, welche sie nicht niederwerfen, nie zerreißen und in die Lüfte schleudern wird. Wie trotzig und keck schaut nicht das dreiköpfige Ungeheuer um sich, nachdem es im Jahr 1823 die Freiheit aus dem äussersten Ende von Europa hinausgescheucht hatte! Und doch—nach den sieben Jahren des Elends erschien die hehre Göttin wieder und schlug dem Ungethüm tödtliche Wunden. Hätten in jenen Jahren die am glühendsten für die Freiheit begeisterten Männer aus Frankreich auswandern wollen, so würde Karl X. vielleicht noch heute auf seinem Thron sitzen. Aber sie warteten den Tag der Rache ab, und der Tag erschien, nach dessen Anbruch Millionen so lange geseufzt hatten. Zwar ist seitdem wieder ein mächtiges Bollwerk der Freiheit in Europa gefallen, und ein edles Volk ist unter seinen Trümmern begraben; aber um so mehr ist es Pflicht der Kämpfer für die gute Sache, bei der Hand zu bleiben und vor den Riß zu treten, wenn der Kriegsruf von Neuem erschallt. „Der Krieg," sagt Wirth, „ist der Wendepunkt unserer politischen Nichtigkeit und des Elends unseres Vaterlandes, der Krieg ist die wohlthätige Erschütterung, welche in dem kranken Organismus Europas eine heilsame Krisis herbeifuhrt ." Mögen die Feinde der Freiheit auch säumen, ihn zu begin- 6 neu, vermeiden können sie ihn nicht. Während sie zögern, entwickelt sich eine Macht, deren Daseyn ihnen zwar nicht verborgen ist, deren Stärke sie aber nicht ermessen können, die Macht der Heranwachsenden Jugend. Mögen sie immerhin spotten über die unreifen Helden — die Zöglinge der Kriegsschulen in Paris und Warschau werden doch stezs ruhmvoll hervorleuchten in den Bildern, welche der Nachwelt von den Juli- und Novembertagen des Jahrs 1830 überliefert werden. Und Deutschlands Jugend wird hinter der französischen und polnischen nicht Zurückbleiben, auch sie wird für die Freiheit zu siegen und zu sterben wissen. Nur sollen die Männer von reiferem Alter, welche so lange vergebens dem Tag der Freiheit entgegensehen haben, diese Jugend nicht verlassen, sie sollen dem feurigen Muth derselben die Stütze ihrer Besonnenheit und Beharrlichkeit nicht entziehen. Etwas Anderes ist es, wenn einzelne Männer, um den Quälereien der tückischen Gewalt zu entgehen, sich über die Grenzen des Vaterlands entfernen für so lange, bis sie unter dem Schirm der Freiheit wieder zurückkehren können, etwas Anderes, wenn Tausende mit gesammter Hand für immer der Heimathlichen Erde Abschied zuwinken, um sich jenseits des Meeres ein neues Vaterland zu gründen. Jene können in der geringen Entfernung immerhin mit den Zurückgebliebenen in einem wirksamen Verkehr stehen, können für die gemeinsame Sache von ihrem Zufluchtsort aus vielleicht noch ungehinderter thätig seyn, als daheim, — diese sind für das Vaterland unwiederbringlich verloren, ihr letztes Lebewohl bedeutet: Vaterland, sieh du zu, was aus dir werde! Freunde und Brüder, seht wie ihr zurecht kommt. Mögen darum die Worte nicht verloren sein, welche vor einigen Monaten ein Mann sprach, der seitdem auf französischem Gebiet Zuflucht vor den Plackereien der Willkühr gesucht, der aber deßwegen das Vaterland nicht aufgegeben hat. Schon im Frühling dieses Jahres sagten Viele: Wir haben die letzte Hoffnung verloren, wir sehen, daß unser Elend täglich wächst, wir haben gar keine Aussicht, daß es jemals besser werde. Darauf erwiederte Savoye: „Die also denken, sind im Irthum. Noch ist Deutschland nicht verloren. Niemand soll das Vaterland verlassen. Das Vaterland muß uns das Höchste sein, für das Vaterland müssen wir Gut und Blut freudig opfern. Dem Vaterland gehören alle seine Kinder an, und wer es Preis gibt und von dannen zieht, begeht Verrath an ihm. Lenken wir also unsere Gedanken nicht nach Amerika, sondern auf uns selbst, auf unsere Feinde, auf diejenigen, weche uns aussaugen und unglücklich machen, auf diejenigen, welche uns das Vaterland rauben wollen." 7 Ja! ein neues Deutschland soll werden, aber nicht am Ohio, nicht am Missouri, sondern am Rhein, an der Elbe und an der Donau. Verjüngt soll das Vaterland erstehen aus der langen Noth und Schmach, wiedergeboren soll es werden zur Freiheit und zur Ehre. Die Hoffnungen der Edelsten sollen nicht wie ein leeres Traumbild schwinden. Darum mögen alle Söhne des Vaterlandes sich enger an einander anschließen, sich wechselseitig ermuthigen und weder wanken noch weichen. Es reiche das Volk sich die Brüderhand, Dem Volke gehört das deutsche Land. Nicht müde werden! Der finstere Geist, der schon so lange Europas wiedererwachende Freiheit in weiteren Kreisen umschlich, ist plötzlich ans Licht getreten in seiner abschreckenden Gestalt, und zur hohen Göttin so nahe herangeschritten in seiner anmaßlichen Frechheit, daß sie selbst, die ihren ächten Jüngern eine nie zu tödtende Begeisterung einflößt, einen Augenblick von innerer Qual, von tiefem Schmerz ergriffen, verstummen mußte. — Absolutismus heißt der finstere und freche Geist, der Urheber der Tyrannei, das unselige Erbtheil der Könige. Er unterminirt seit Jahrhunderten das Glück der Völker, die er in dumpfer Unterwürfigkeit erhält, um sie willkürlich zu beherrschen; er fordert unbedingten, blinden Gehorsam von allen Bürgern, deren Stirnen er das Wort „Unterthanen" aufprägt; er vernichtet die freie Meinungsäußerung, legt Fesseln an die Zungen derer, welche frei die ewige Wahrheit verkünden wollen, weil er weiß, daß seine verbrecherische Macht ohne Censur, ohne diese fluchwürdige Tochter eines Pabstes, so wenig fortleben kann wie der Fisch ohne Wasser; er tritt den Volksvertretern entgegen, welche die innere Stimme treibt, für das Wohl des Volkes, für das Heil ihrer Mitbürger zu reden, und belastet ihre Schultern mit Verfolgungen aller Art; er zwingt die Völker für seine dunkeln Pläne zu streiten, und das Blut zu opfern den falschen Götzenbildern, die er aufstellt; tollkühn stemmt er sich dem fortstrebenden Geist der Zeit entgegen, tollkühn führt er die Völker an den Abgrund des Schimpfes und der Schande; er ruft den Königen und ihren Helfershelfern, den Adligen, fortwährend zu: „Das göttliche Recht gebietet euch, zu eurem Vortheil zu 8 regieren; die Schreier nach Freiheit und Gleichheit in den Kammern und Journalen müßt ihr niederdonnern; das Volk ist nur Werkzeug in euren geweihten Händen, und muß sich Alles gefallen lassen!" — Dieser ungeschlachte Riese Absolutismus hat sich neuerdings in Deutschland Höher als je aufgerichtet, und dem deutschen Bunde in der freien Stadt Frankfurt anbefohlen, den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten wiederum zu verkünden: „Euer Vaterland soll fort und fort bevormundet, zerstückt, arm, ohne Vertheidiger, ohne wahre Garantieen bleiben; gehorcht ihr Unterthanen nicht dem Gebote unbedingter Unterwerfung und strebt ihr fort, Institutionen zu fordern, welche nur entspringen aus den Anmaßungen des demokratischen Geistes, so müßt ihr es euch selber zuschreiben, wenn die Oestreicher und Preußen, wiewohl diese eure deutschen Brüder sind, mit aufgepflanzten Bajonetten eine nachdrücklichere Sprache mit euch reden." — Und der Bundestag, abhängig von Preußen und Oestreich, in welchen Staaten der Absolutismus die tiefsten Wurzeln geschlagen , gehorchte den Machtsprüchen Metternichs und Ancillons, und schleuderte den vernichtenden Blitz auf die Stände, und zeigte schon im Voraus den Donnerkeil, den er im Zünden hält, um auch die Preßfreiheit zu zerschmettern. Beklagenswerthe Völker! Arme Volksvertreter! Gedemüthigte Volksschriftsteller! Hörte man nicht an vielen Orten und von vielen Seiten: Nun, was haben auch die Stämme des deutschen Volkes zu klagen, was hätten ihre Vertreter zu erringen, was sollten ihre Schriftsteller vor das Forum der Oeffentlichkeit bringen? So kann nur die Frechheit der Diplomaten, die Anmaßung der Kabinetsmenschen, der Servilismus kriechender Hofseelen fragen. Hindern nicht Zölle und Mauthen im Innern des deutschen Vaterlandes den Handel? Liegt nicht die Censur bleischwer auf unserm Munde? Verbietet und unterdrückt man nicht die Volksversammlungen, die mit eine große Stütze der Freiheit und des regern politischen Lebens sind? Ist nicht die Gesetzgebung verwirrt? Sehen wir nicht die Rechtspflege langsam sich fortschleppen? Herrschen nicht überall noch Feudalprincipien vor? Lahmt nicht materieller Druck, lähmen nicht kaum erschwingliche Abgaben den Staatsbürger? Wer, den nicht die Männer, welche ihre glühende Vaterlandsliebe kund geben, in den Kerkern umhergeschleppt, verbannt, durch alle Staaten und Stäätchen ihres Vaterlandes gezerrt? Vernichtet man nicht Gesetze, welche die Volksvertreter mühsam, nach langem Kampfe er- 9 rungen, mit einem Federstriche? Straft man nicht politische Verbrechen, die nur auf dem Papiere ausgeübt worden, mit Zuchthausstrafe, eine Strafe, die auch gemeine Mörder und Diebe trifft? Ist nicht das Gesammtvaterland, wie es im deutschen Bunde repräsentirt ist, politisch unmündig? Ist nicht die Zusammensetzung des deutschen Bundes, der absolute Staaten, constitutionelle Monarchien und Republiken in sich faßt, unnatürlich? Fehlt nicht dem gesammten Vaterland eine gleichförmige Staatsverfassung, Preßfreiheit, ein überall' gültiges Gesetzbuch, öffentliche Rechtspflege, Handelsfreiheit im Innern? Mangelt den deutschen Staaten nicht vor Allem die Bürgerbewaffnung und eine gemeinsame deutsche National-Vertretung, die es allein vermag, Deutschland im Innern und nach Außen stark zu machen, welche alle Stämme durch ein Band innig verkettet, die deutsche Volksthümlichkeit erhält, und die Vaterlandsliebe gleichmäßig erkräftigt? Fünfzehn Jahre schon seufzt das Vaterland nach seiner Wiedergeburt, und seit der Julirevolution ruft es laut und lauter nach derselben. Die Sehnsucht im deutschen Volke nach einem freien, wahrhaft freien Zustande ist um so lebhafter, als es sich überzeugt hat durch bittere Erfahrungen, daß der zerrissene Zustand Deutschlands Schuld ist, an dem niedergestürzten Ruhm des Vaterlandes, an der drückenden Armuth des tüchtigsten Volks, kurz an allen den traurigen Zuständen, wie sie in obren Fragen zusammengedrängt sind. Nachdem Frankreich einen meineidigen König vom Thron gestürzt hatte, nachdem die europäischen Völker im weiten Umkreise die Waffen erhoben, um das unheilige Machwerk der heiligen Allianz zu zertrümmern, da regte sich lebhaft in Deutschland der Geist der schönern Zeit, und die einsichtsvollen, die patriotischen Männer sprachen freimüthig die Ueberzeugung aus, daß Deutschland seine politische Schwäche, seine schimpfliche Knechtschaft abschütteln, und sich frei machen müsse von einer entehrenden Bevormundung. Das Volk jauchzte seinen Vertretern entgegen, das Volk las mit Begierde die Blätter, in denen seine Rechte vertheidigt, in denen ihm der Spiegel seiner Schmach und Schande vorgehalten, in denen ihm das Ziel gezeigt wurde , wornach es zu ringen habe, und zahlreich besuchte es die Volksfeste, welche die Stämme einander näher bringen, welche auf noch lebendigere Weise den Bürgern ans Herz legen sollten, was Noth ist, als das geschriebene Wort. Der Preßverein, gegründet von Männern, deren Herz die reinste Vaterlandsliebe bewahrt. 10 wurde unterstützt und fand Theilnehmer überall, wo nur einigermaßen eine freiere Regung sich kund geben konnte, wo man die Ueberzeugung hervorzurufen im Stande war, daß die entfesselte Rede die wichtigste Waffe, die festeste Stütze der Freiheit ist. Ueberall gab es sich kund, daß die deutsche Nation zu erwachen begann aus dem lethargischen Schlafe, in welchen sie versunken war. Baden, Hessen, Sachsen, Baiern, Braunschweig, Hannover, Nassau schritten vor, und die Stände brachten Fragen in Anregung, welche die Regierungen, die bisher nur stumpfen Gehorsam und stumme Nachgiebigkeit gekannt hatten, in die Enge trieben. Die Volkskraft fühlte sich. Volksthätigkeit trat ins Leben. Man entwarf Adressen, und einzelne Gewaltreiche beantwortete man mit energischen Potestationen. Den Willkürhandlungen gehorchte man nicht, man stritt mit Festigkeit und Ausdauer auf dem Wege des Gesetzes für die Rechte, welche sich ein Volk nie darf rauben lassen, ohne die Menschennatur auf das Schmählichste herabzuwürdigen. — Da regte sich auf einmal der deutsche Bund, der lange geschlafen. Das immer Heller werdende Licht blendete seine Augen, er schüttelte sich empor; Oestreichs und Preußens waffengerüstete Hände winkten und er gab Lebenszeichen, daß er noch immer bereit sei, der deutschen Nation das Brandmal der Entehrung aufzudrucken. Finsterniß soll sich über alle deutsche Gauen hinverbreiten. Ewige Nacht soll herrschen über den deutschen Stämmen. Die Thatkraft soll gefesselt bleiben. Der Geist soll elendiglich verkrüppeln, damit der Mensch leichter der Willkür gehorche und noch die Ruthe küsse, die ihn schlägt. Ein despotischer Geist soll sich überall festranken und die Volkskraft tödtlich umschlingen. Die Freiheit, die Ehre, die Nationalität, ja das Leben der Deutschen will man an den Abgrund führen, der Volkssouverenität überall den Todesstoß geben. Die Leitung des Staats soll nach den Einfällen eines schwachen Einzelnen gegängelt werden. Die Masse des Volks soll nothdürftig essen und trinken, unter der Last der Arbeit hinkeuchen, schlafen, sich fortpflanzen und die Kinder wieder zu Knechten erziehen. Die Volksvertreter, wenn sie auch mit aller Bescheidenheit, mit größter Mäßigung die Bedürfnisse derer zur Sprache bringen, welche sie vertrauensvoll zum Schutze ihrer Rechte berufen, sollen nur demüthige Bittsteller, Jaherren, abhängige Fürstendiener sein. Bevormunden will man die Stände, damit sie nicht weiter gehen, als es der Durchlauchtigste Bund haben will. Indem man den Volks - Wohlstand 11 immer mehr zerstört, die Aufklärung vom Volke wegscheucht, die unumschränkte Herrschaft immer fester zu gründen sucht, kurz bei allen Handlungen des Absolutismus, beruft man sich fort und fort auf die deutsche Bundesakte, deren wenige Artikel, die von Volksrechten handeln, deren wichtigste Artikel, die uns Preßfreiheit und Handelsfreiheit verbürgen, man nicht ins Leben treten läßt. O der brennenden Schmach! Ueber die VI Bundesbeschlüsse haben die Deutschen viel gejammert. Viele haben sich einschüchtern lassen, als der Bundestag auf dem Papiere verkündete, er werde zu den äussersten Mitteln, zur Waffengewalt greifen, um das Volksleben in Deutschland ganz zu erdrücken. Zaghafte Seelen ließen sich Furcht einflösen und seufzten, daß der Bundestag wie mit einem Schlage alles zum Verstummen zwinge. Sie schlugen die Hände über dem Kopfe zusammen, als sie einsahen, daß Oestreich und Preußen eine Diktatur ausüben über die constitutionellen Staaten und verzweifelten an Allem, als der bürgerfreundliche Leopold so zuvorkommend schnell das badische Scheinpreßgesetzchen zurücknahm. Ich frage, was ist verloren, wenn sich das deutsche Volk nicht selber aufgibt? Nichts ist verloren; im Gegentheil die Bundesbeschlüsse sind für die ächte Freiheit, für die ganze, vollkommene Freiheit wahrhaft Segen bringend. Sie zeigen, daß die, welche von Oben Heil erwarten, betrogen sind. Sie überzeugen, daß ein besserer Zustand in Deutschland nur aus dem Volk selbst hervorgehen kann. Sie beweisen, daß die sogenannten Constitutionen nur betrügerische Papiere sind, Spielkarten in den Händen der Fürsten. Sie öffnen dem Volke die Augen, und machen ihm klar, daß nur eine durchgreifende politische Reform eine glückliche Zukunft verbürgt. Sie zerrissen vollends das Vertrauen zu der Idee, als würden die Regierungen gnädigst dem arman Volke Hülfe bringen, und vereinigen alle Parteien in Deutschland, welche Verbesserungen wollen zu gleichen Anstrengungen in der Erringung der heiligsten Güter. Wohlan, ihr Männer, jetzt gilt es mehr als je! "Nicht müde werden" sei euer Wahlspruch. Wirkt unaufhaltsam für die Freiheit. Verbreitet mehr und mehr die Ideen, deren Verwirklichung euch das schöne Gut auf immer sichert und laßt nicht ab, zu reden, zu schreiben, euch zu versammeln, zu besprechen. Der künstliche Zustand der Spannung, wie er jetzt besteht, kann nicht fortdauern. In England verbürgt die vom Volk errungene Reformbill, daß die Frei-

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12 heit auf der britischen Insel vorschreiten wird. Frankreich läßt sich sicher nicht lange mehr von dem Bürgerkönig und dem aller Ehre verlustigen, geldgierigen, schmutzig-eigennützigen Juste-Milieu anführen. Seid wachsam, Deutsche! Gott kann irgend einem Königsherzen stille zu stehen gebieten, und wie mit einem Zauberschlage ändert sich Europas politische Gestalt. Die französische Juli-Revolution machte euch regsam, ihr erwachtet; eine neue Umwälzung in Frankreich, die nicht ausbleiben wird, macht euch frei. Benutzet, unterstützet die Presse auf alle Weise. Tretet in immer größerer Anzahl dem Preßverein bei, daß das freie Wort immer mehr um sich greife, und die Masse des Volks immer mehr erkenne, wornach sie zu streben hat. Belebt, wo ihr könnt das Nationalgefühl und überzeugt jeden im Volk, daß ein einiges, freies Deutschland sich erheben müsse, dessen Institutionell aus volksthümlichem Geiste hervorsprießen müssen. Verbreitet auf alle Weise die Blätter und Flugschriften, welche die hohe Volkssache vertheidigen. Haltet die politische Regsamkeit aufrecht und werdet nicht müde, Adressen und Protestationen zu entwerfen. Die Stände werden an dem Muthe und der Ausdauer des Volkes sich erkräftigen, von der Rednerbühne herab laut die Stimme erschallen lassen für die Freiheit und Recht. Die Volksvertreter werden reden, wie es ihr erhabener Standpunkt sie lehrt. Fürchtet nicht Oestreichs und Preußens Waffengewalt. Durch ganz Deutschland sind die Keime der Freiheit verbreitet. Die Schweiz hat sich, seine Volkssouverainität errungen und ihre Adels-Kaste gedemüthigt. Tyrol fühlt, daß es vom Wiener Cabinet getäuscht wurde. Die Ungarn fühlen Oestreichs schwere Hand. Gallitzien und Posen ergrimmen, daß man neben ihnen ihre polnischen Brüder unaufhaltsam geschlachtet. Die Mächte fürchten den Krieg. Sie wissen, daß der erste Kanonenschuß ganz Europa erbeben macht bis ins Innerste hinein. Darum noch einmal: „Nicht müde wer. den!" Nicht müde werden: ist das große Geheimniß, alles in der Welt durchzusetzen. Folgt diesem Wahlspruch und ihr werdet euch die Freiheit erringen, sollten auch hunderttausend Bajonette drohen, euer Recht und euch niederzuwerfen. Die Heiligkeit der Fürsten. Die Menschen finden es bisweilen bequem, Dingen einen Werth beizulegen, den sie ursprünglich nicht haben. So läßt man ein mit 13 gewissen Zeichen versehenes Stück Papier, welches an sich keinen Heller werth ist, für einen Thaler oder für fünf hundert oder für tausend Gulden gelten und genießt dadurch den Vortheil, große Summen leicht und sicher mit sich führen zu können. Aehnlicher Weise schreibt Man auch gewissen Menschen gewisse Eigenschaften zu, welche sich im Grund genommen nicht oder nicht immer bei ihnen finden, weil das angenommene Vorhandensein derselben zu einem bestimmten Zweck ebensowohl dient, wie das wirkliche. Der Kriegsmann z. B. muß glauben, daß sein Befehlshaber in Sachen des Dienstes ein durchaus verständiger Mann sey, er muß ihm darum in Dienstsachen unbedingt folgen, als einem, der nur das Rechte anbefiehlt, denn vernünftiger Weise thut ein Mensch nur das, was er für recht hält. Wollte aber der untergeordnete Krieger die eigne Ueberzeugung wider den Befehlshaber geltend machen, so wäre die strenge Heerordnung aufgelöset, ohne welche erfolgreiches Wirken einer Kriegsmacht unmöglich ist. Um dieser Ordnung willen muß er das, ihm von jenem Gebotene mit solchem Eifer und solcher Genauigkeit ausführen, als wenn ihm kein zweckmäßigerer Befehl ertheilt werden könnte. So wird auch den Fürsten Heiligkeit beigelegt, d. h. es wird als rechtsgültig angenommen, daß der Wille des Fürsten als solchen durchaus gut sei. Da man nehmlich gestehen muß, daß es widersinnig wäre, einen Menschen zum Vollzug eines schlechten Willens zu verpflichten, und da auf der andern Seite in der Verfassung die Verpflichtung liegt, den Geboten des Oberhauptes zu folgen, so muß unterstellt werden, daß der Wille dieses Oberhauptes gut sei. So wie es aber toll würe, einem Menschen zuzumuthen, daß es einen Wechsel oder einen Kassenschein in jeder Beziehung für klingende Münze, also für unverbrennlich, für unzerreißbar, für schmelzbar halten sollte, eben so toll wär' es, von dem Krieger zu verlangen, daß er wirklich glauben sollte, sein Befehlshaber könne nie irren, oder von dem Unterthan, daß er darauf schwören solle, seine Herrscher könne nie etwas Böses wollen. Es kann nur die Anforderung gestellt werden, daß der Krieger, der Bürger so thue, als wäre das der Fall, was doch in der That nicht ist und nicht seyn kann, kurz, daß er gehorche. Alle die genannten Annahmen haben ihren bestimmten Zweck; über diesen sie hinausdehnen hieße, sich lächerlich machen. Nun wird es freilich Keinem einfallen, die Schmelzbarkeit eines Wechsels oder die papstartige Unfehlbarkeit eines Hauptmanns als Glaubensartikel aufzustellen. Dagegen sucht man hie und da dem 14 Begriff der Heiligkeit einen Umfang zu geben, in welchem ihn der gesunde Menschenverstand nicht zu fassen weiss. So wurde z. B. vor einiger Zeit ein Wirth in Untersuchung verwickelt, weil sich in seiner Gaststube das Bild des Großherzogs umgedreht aufgehängt fand, so das die Rückseite sichtbar war, und das mit Kreide gezeichnete Bildnis; Siebenpfeiffers zeigte, und weil auf der entgegengesetzten Wand unter das Bild der Großherzogin geschrieben war: „Wo ist mein Mann?" Der Stadtdirektor sah darin eine Verletzung der geheiligten Person des Großherzogs und forschte nach dem Umdreher, dem Siebenpfeiffer-Maler und dem Schreiber als nach Majestätsverbrecherin. Aehnliches Verfahren mag auf ähnliche Veranlassung oft genug Vorkommen. Man erkennt daraus, daß die Beamten gar zu gern die Heiligkeit im kirchlichen Sinn fassen und eine ehrfurchtsvolle Scheu gegen Alles, was den Fürsten irgend verstellt, in Anspruch nehmen. Sehr klug. Denn wenn man diesen Anspruch gelten läßt, so gebührt jene Scheu auch ihnen, als welche im Namen und an Statt des Fürsten dastehn. Allein der kirchliche Begriff hat mit dem politischen Nichts zu schaffen. Die Heiligkeit des Fürsten bedingt lediglich den Gehorsam, und wo kein Ungehorsam gegen einen Befehl des Oberhauptes statt findet, kann auch von keiner Verletzung seiner Heiligkeit die Rede sein. Der Begriff der Unverletzlichkeit ist nicht mit der Annahme der Heiligkeit zu vermischen. Unverletzlich heißt der Fürst, sofern Beleidigungen gegen ihn durch Androhung von Strafen verhütet werden, welche höher sind, als die auf Beleidigungen gegen einen anderen Menschen gesetzten. Diese Unverletzlichkeil kommt aber natürlich nur dann in's Spiel, wenn gegen den Fürsten etwas gethan ist, worüber, auch wenn es gegen einen andern Menschen verübt wäre, Strafe erkannt werden müßte, also nur, wo eine wirkliche Beleidigung statt gefunden hat. Lächerlich ist es also, eine Handlung in Bezug auf einen Fürsten zum Verbrechen zu stempeln, welche in Bezug auf einem anderen Menschen keine Klage begründen konnte. Diese Bürgerlichkeit kommt aber daher, daß man Heiligkeit und Unverletzlichkeit vermischend, den Fürsten zu einem Gegenstand abgöttischer Verehrung macht, was nicht statt finden kann, wenn man beide Begriffe trennt, und jeden in seiner Schärfe auffaßt. So, wie dieselben hier aufgestellt sind, finden sie nicht nur in der sogenannten monarchischen, sondern auch in der republikanischen Verfassung ihre Anwendung. Wenn man in einem freien Gemeinwesen das Gebot jenes Beamten folgt, so geschieht es in der Annahme, daß der Wille jenes Beamten der 15 beßte sey. Eben so widerstreitet es auch nicht dem Begriff reiner Freiheit, die Person des obersten Beamten durch geschärfte Strafbestimmungen vor Verlesung zu sichern. Es ist dies eine Ehre, die das Volk sich selbst erweiset, indem es den an seiner Statt und in seinem Namen Dastehenden gegen Muthwillen und Bosheit in besonderen Schutz nimmt. Dieselbe Bedeutung, als Ausdruck der Selbstachtung eines Volkes haben auch gewisse, dem Oberhaupte zuerkannte besondere Zeichen der Achtung. Ganz verschieden von solcher Auszeichnung sind aber besondere, freiwillige Ehrenbezeugungen, welche dem Oberhaupte erwiesen werden. Diese fliehen weder aus dem Begriff der Unverletzlichkeit noch aus dem der Heiligkeit. Vernünftiger Weise können sie nur statt finden, um dem Oberen eine Anerkennung ganz besonderer Verdienste auszudrücken, und nur wenn sie dazu dienen, haben sie Werth und Bedeutung. Werth und Bedeutung verlieren sie, sobald man anfängt, sie dem Würdenträger als solchen zu erweisen, und die, von welchen sie in solchem Fall ausgehen, verunehren dadurch sich selber. Es ist darum ein Beweis politischer Mündigkeit, wenn die Bürger von Würzburg und von Mannheim zwar herkömmliche jedoch freiwillige Ehrenbezeugungen für ihre Fürsten unterließen, weil dieselben die Bundesbeschlüsse gut geheißen hatten. Sonderbar genug, spricht das Teutsche Volksblatt, vom 29. Aug. d. I. gerade die entgegengesetzte Meinung aus. Der Verfasser des ersten Aufsatzes in jener Numer findet den Beweis eines großen Fortschrittes auf der Bahn des constitutionellen Lebens darin, daß die Einwohner der Grafschaft Schaumburg, obwohl unzufrieden mit dem Verfahren der Regierung, dennoch dem Regenten bei seiner Reise in ihr Land große Ehrenbezeugungen erwiesen haben; denn daraus sei zu schließen, daß sie unterschieden zwischen der geheiligten Person des Landesfürsten und zwischen den verantwortlichen Ministern. Dieser Beweis ist in der That wunderlich und zeigt uns abermals eine über das Maß hinausgehende Ausdehnung des Begriffs der Heiligkeit. Wenn aus der Annahme dieser Eigenschaft für das Oberhaupt das Recht hervorgeht, für seine Regierungshandlungen keiner Verantwortlichkeit unterworfen zu seyn, so fließt andererseits aus derselben keineswegs für die Bürger die Verbindlichkeit, auf den Gebrauch ihrer Urtheilskraft hinsichtlich jener Handlungen zu verzichten, und schwarz für weiß zu nehmen. Etwas Anderes ist das Urtheil eines Gerichtshofes, etwas Anderes das Urtheil der Menschen als solcher. Jenes kann den mit der höchsten Würde Bekleide 16 ten nicht treffen, diesem fällt der Fürst eben sowol anheim, wie der Bettler. Jenes hat für den Schuldigen Strafe zur Folge, dieses Verachtung. Der Bürger kann also, ohne der Heiligkeit des Fürsten zu nahe zu treten, diesen verachten, nur darf sich diese Verachtung nicht in Uebertretung der in seinem Namen bekannt gemachten Gesetze äußern, und — der Unverletzlichkeit halber — eben so wenig in wirklichen Beleidigungen oder in Versagung einer Ehre, die seiner Würde gebührt. Ehrenbezeugungen, welche die Würde gelten, müssen durchs Gesetz bestimmt sein. Ehrenbezeugungen hingegen, welche nirgends vorgeschrieben sind, die gelten den Verdiensten der Person, nicht ihrer Stellung. Da nun nirgends geschrieben steht, daß man bei Ankunft eines Fürsten verbunden ist, Triumphbogen zu errichten , feierliche Auszüge zu veranstalten u. s. w., so kann auch dergleichen nur als Anerkennung einer wirklichen nicht aber einer angenommenen Vortrefflichkeit dienen. Wenn demnach solche Ehren dem Kronprinzen bei seiner Reise ins Schaumburgische erwiesen wurden, und wenn man doch keine Verdienste desselben aufzählen kann, vielmehr nur von Unzufriedenheit mit seiner Regierung zu sagen weiß, so müßte man es eher für ein Zurückbleiben der Schaumburger auf der Bahn des constitutionellen Lebens ansehn, daß sie der angenommenen Heiligkeit eine Auszeichnung zu Theil werden ließen, welche dem wirklichen Verdienst gebührt und welche sie auch nachher dem wirklichen Verdienst erwiesen, indem sie ihren Abgeordneten Werthmüller eben so feierlich empfingen, wie vorden Regenten. Freilich mag es einem Herrscher von Gottesgnaden in seinem Dünkel ärgerlich seyn, zu sehen, daß ein Volksmann eben so gefeiert wird, wie er selber. Allein die Selbstachtung eines Volks erheischt es, über solchen Dünkel hinwegzusehn, der todten Würde ihre todte Ehre zu lassen und dem Zeichen der lebendigen Anerkennung ihren Werth dadurch zu bewahren, daß sie es lediglich der wahren Würdigkeit zu Theil werden läßt. Wenn an den beiden gegebenen Beispielen gezeigt ist, wie der Begriff fürstlicher Heiligkeit ungebührlich ausgedehnt wird, und wie er der Wahrheit gemäß zu beschränken ist, so kann nun weiter gefragt werden, ob und wann dieser Begriff ganz wegfallen, ob und wann der Gehorsam gegen das Oberhaupt aufhören kann. Wir mußten diese Frage verneinen und abweisen, wenn wir mit dem Teutschen Volksblatt übereinstimmten in der Behauptung: „So lange der Grundsatz, daß die Person des Fürsten heilig sei, festgehalten 17 wird, so lange ist die Verfassung keiner wirklichen Gefahr ausgesetzt." Dann mußten wir aber auch zugeben; alle in der Verfassung gewährten Volksrechte könnten aufgehoben werden, und die Verfassung bliebe doch stehn, wenn nur das Recht des Fürsten gehandhabt wurde. Das wäre ein schön Stück von Verfassung! Drehen wir aber jenen Satz um, und sagen: So lange die Verfassung keiner wirklichen Gefahr ausgesetzt ist, so lange wird auch der Grundsatz von der Heiligkeit der Person des Fürsten festgehalten werden, — dann haben wir eine Beantwortung obiger Frage, nemlich: die Heiligkeit des Fürsten steht und fällt mit der Verfassung. Indessen wird Heiligkeit auch dem unumschränkten Herrscher beigelegt, bei welchem von Verfassung keine Rede ist. Die Antwort muß also umfassender seyn. Zu dem Ende müssen wir uns deutlicher machen, weshalb man überhaupt dem Fürsten den besten Willen beilegt, weshalb man sich zum Gehorsam gegen ihn verpflichtet. Thun wir dies, so finden wir, daß der Zweck der bürgerlichen Gesellschaft das Dasein einer Macht erheischt, welche den Vollzug der Gesetze besorgt, und die Mittel hiezu von den Einzelen in Anspruch zu nehmen hat. Da nun Manche in ihrem Eigenwillen oder aus Selbstsucht die Gewährung dieser Mittel verweigern oder gar thätlich dem Vollzug des Gesetzes in den Weg treten könnten, so müßte das Oberhaupt stets gefaßt sein, einen Zwang eintreten zu lassen. Um aber die Nothwendigkeit solchen Zwanges möglichst zu entfernen, verpflichten sich Alle, es nicht auf den Zwang ankommen zu lassen, sondern der einfachen Aufforderung des Oberhauptes zu gehorchen. In dieser Verpflichtung ist jedoch die Voraussetzung enthalten, daß das Oberhaupt nichts Anderes fordert, als Vollzug des Gesetzes, Verwirklichung des Gesammtwillens, daß sein Wille nichts Anderes ist, als der Gesammtwille. Da nun der Gesammtwille als der beßte gelten muß, so ist auch der Wille des Fürsten als der beßte anzusehen, aber wohlgemerkt, unter jener Voraussetzung. Jene Voraussetzung kann sich aber als irrig bewehren. Es kann Fälle geben, wo es keinem Zweifel unterliegt, daß der Wille des Oberhauptes dem Gesammtwillen geradezu entgegen ist. In solchen Fällen hört die Annahme der Heiligkeit (des beßten Willens) und der pflichtmäßige Gehorsam auf. Vornweg findet dies statt, wo das Oberhaupt nicht in seiner Würde, nicht im Namen der Gesammtheit, sondern als Einzelner sich hinstellt und als solcher etwas fordert, wozu Keiner ein Recht hat. Wenn z. B. ein Fürst Vergnügen daran fände, geradezu den Räuber zu spielen, wie 18 Heinrich IV von England vor seiner Thronbesteigung, so wäre es eine Narrheitl, hier der Fürsten in ihm zu sehen und auf seine Forderung ihm zu geben, was man bei sich hätte, eben so thöricht, wie wenn ein Weib meinte, es dürfe eine entehrende Zumuthung vom Fürsten nicht abschlagen. Aber auch durch solche Handlungen, welche nur in Folge seiner hohen Stellung von ihm ausgeübt werden , kann das Oberhaupt das Vorrecht der Heiligkeit verlieren, wenn dieselben nemlich geradezu den Zweck des Gemeinwesens zu zerstören drohen. Wenn also ein Fürst anu Trägheit oder Feigheit oder Habsucht das Land verrathen und verkaufen wollte, so würde er sich dadurch zum Feind des Landes erklären; sein böser Wille könnte nicht in Zweifel gezogen werden; Gehorsam gegen ihn wäre Verbrechen. — Die genannten Fälle sind bei jedem Herrscher denkbar, bei dem unumschränkten sowol, wie bei dem durch die Verfassung gebundenen. Beim Letzteren aber läßt sich die Grenze des Gehorsams noch schärfer bestimmen. Das Oberhaupt, welches die vollziehende Gewalt ganz in Händen hat, die gesetzgebende aber einer besonderen Behörde überlassen, oder mit dieser theilen muß, ein solches Oberhaupt kann den Gehorsam der Bürger nur für diejenigen seiner Gebote ansprechen, welche es ausdrücklich in Gemäßheit der verfassungsmäßig zu Stande gebrachten Gesetze erläßt. Bei Anordnungen entgegengesetzter Art darf er nicht auf Befolgung rechnen, durch dieselben setzt er sich der Gefahr aus, daß man seinen Willen als einen bösen verachtet. — Als allgemeine Regel läßt sich demnach aufstellen: So wie der Krieger im Allgemeinen verpflichtet ist, seinem unmittelbar Vorgesetzten als einem dienstverständigen Mann zu gehorchen, so der Bürger dem Oberhaupt als demjenigen, welcher den Gesammtwillen ausspricht. Aber so wenig ein ehrenwerther Krieger dem Gebot seines Hauptmanns, das Gewehr zu strecken, folgen wird, wenn er die Stimme seines Feldherrn hört, welche das Gegentheil befiehlt, oder wenn er klar sieht, daß sein Hauptmann ein Feigling und Verräther ist, eben so wenig darf der Bürger den Geboten des Oberhauptes folgen, wenn diese verfassungswidrig sind, oder den Verrath tdes Vaterlandes und der Freiheil offenbar bezwecken. 19 Republik. Die alten Phönizier waren Schlauköpfe. Sie waren bekanntlich das bedeutendste Handelsvolk der alten Welt, und um es zu bleiben und allen Nacheiferern die Lust zu benehmen, die nämlichen ausgedehnten Handelsreisen wie sie zu machen, streuten sie die fürchterlichsten Schilderungen von den Meeren und Ländern aus, die von ihnen besucht wurden. Die List gelang ihnen, und wer wird sich wundern, der die Leichtgläubigkeit der Menschen kennt und weiß, wie sehr Furcht und Schrecken die Leute von den reizendsten Unternehmungen zurückhalten können. Aehnlich den Phöniziern handeln die Monarchisten, so oft sie merken, daß die Idee einer Republik unter dem Volke Gefallen und Interesse gewinnt. Noch mit weit schrecklicheren Farben, als jene Meer und Länder schilderten, wissen sie dem leichtgläubigen Haufen das Bild der Republik vorzumalen. Da sieht man ein Land schwarz und Düster — überall Rauch, Staub, Schutt und Trümmer — glühende Lava wälzt sich von den Höhen, wo aus geöffnetem Schlund ewig die Feuersäule emporsteigt — Bäche und Ströme fließen voll Blut —furchtbare Ungeheuer fallen über die Menschen her, und verbreiten unter ihnen Tod und Verderben. Unser Jahrhundert nennt sich ein aufgeklärtes, und darum ist es gewiß wünschenswerth, daß es auch in der That von allem Wahn und Aberglauben frei werden möge. Man darf durchaus an keine Gespenster glauben, also auch an keine politische, und darum wollen wir es vorerst einmal näher betrachten, in wiefern die Monarchisten sich Blösen geben, wenn sie vor dem großen Haufen das Bild der Republik mit so außerordentlich grellen Farben malen. Gewöhnlich, ja immer stellen die Monarchisten die Schreckenszeit der ersten französischen Revolution als Bild der Republik hin. Das ist nun freilich sehr unverständig; aber da sie wissen, daß sie nur durch Uebertölpelung beim großen Haufen, der ja gar nicht gewohnt ist, verständig behandelt zu werden, was ausrichten können, so ist ihnen dies Mittel genug. Es gibt leider so viele Menschen, die wie abgerichtete Studentenköder ein Stück Braten verschmähen, wenn man ihnen zuruft: es ist vom Jud'! und dafür das Stück Kommißbrod wählen, das man ihnen mit der captation benevolentiae — es ist vom Bursch! anbietet. Unter den Gebildeten des Zeitalters sogar ist die Verstandesthätigkeit so sehr niedergedrückt, daß die Monarchi sten mit ihrer Übertölpelungskunst auch bei ihnen vollkommen ihr Ziel erreichen. Ich habe Männer gesehen, die dem Ansuchen nach von einem der sieben Weisen Griechenlands hatten abstammen können, die aber wenn man ihnen das Wort Republik nannte, Gesichter zu schneiden begannen trotz einem Anachoreten, der den Teufel gesehen. Da mag man tausendmal sagen: seid getrost und fürchtet euch nicht: blickt auch Amerika hin — blickt auf das alte Rom und Griechenland, und die Lebendigen und die Todten werden euch heilen von eurem Wahn und Schrecken. Es hilft nichts. Wie ein von Furcht bewegter Mensch weder siehet noch höret: so geht bei ihnen die verständigste Einwendung verloren. Sie haben einmal die Aversion, und die Republik ist vom Jud', von dem doch, wie die Geschichte lehrt, ganz andere Dinge her sind. Die Schreckenszeit der französischen Revolution als Bild der Republik aufzustellen, ist eben so widersinnig, als wenn einer den Zustand des macedonischen Reichs nach dem Tode Alexanders als ein Bild der Monarchie hinstellen wollte. Waren die Monarchisten redlich, dann mußten sie die Republik in ihrem blühenden, gesicherten Zustand zeigen, und dann ließe sich eine Vergleichung anstellen zwischen ihr und der Monarchie. Daß die Monarchisten das nicht thun, ist verdächtig und gefährlich. Wer seine fünf Sinne beisammen hat, der wird leicht zu Entgegnungen hingetrieben werden, und schwerlich möchte die Republik gegen die Monarchie verlieren, auch wenn man beide von ihrer Nacht- und Schattenseite betrachtet. Ja nennt nur die Septembertage, den Greveplatz, die Guillotine, das furchtbare Kleeblatt Danton, Robespierre und Marat, die Proscriptionen u. s. w. Wir Republikaner können an weit mehr Zeiten, Orte, Marterwerkzeuge, Schreckenisnamen und himmelschreiende Thaten erinnern, als ihr. Wenn wir nur bei der französischen Geschichte stehen bleiben; da sehen wir die einzige Bartholomäusnacht eben so schrecklich als jene Septembertage: die Bastille mit ihren Marterkammern und Käfichen steht in einem verwünschten Andenken bei den Franzosen: Ludwig XI. Karl IX. und Ludwig XIV. sind ein weil gefährlicheres Kleeblatt von Wüthrichen, als jenes aus der Schreckenszeit, und die Proscriptionen und Dragonaden unter der Regierung des großen Ludewigs sind in jeder Hinsicht greulicher als die Proskriptionen der Revolution. Die Feinde der Republik gewinnen damit nichts, daß sie ein so fürchterliches Bild von derselben entwerfen: denn die Stupidität der 21 Menschen mußte doch gar zu arg sein, wenn sie nicht bald darauf verfallen sollten, die nämliche Methode, mit der man die Republik angreift, zur Vertheidigung derselben zu benutzen, oder sie wenigstens als Mittel anzuwenden, um die Kapuzinaden, die hier und dort gegen die Republik laut werden, zum Verstummen zu bringen. Diese Kapuzinaden gehen im Allgemeinen darauf hinaus, der Republik einen bösen Name» zu machen. Dies Mittel wirkt ja auf den vorurtheilliebenden Haufen allmächtig. Die Republik wird darum verschrieen als eine Räuberin, Mörderin, Sittenverderberin und was noch weiter ist. Welcher ehrliche Spießbürger könnte bei solchen Umständen von der Republik reden hören, geschweige an sie denken! Aber nicht genug, daß man ihren Charakter so anschwärzet; man geht sogar auf ihr Entstehen, so zu sagen auf ihre Geburt zurück, um ihr hier schon den Stempel der Häßlichkeit aufzudrücken, und das schöne Kind als einen Wechselbalg zu verschreien. Nicht aus dem Haupte des Zeus, sagen die Kapuziner, entspringt die Republik, sondern aus dem Hirn schwärmerischer Jünglinge, exaltirter Köpfe und unruhliebender Bösewichter. Wer den Satz gläubig nachbetet, der kann damit zufrieden sein. Wer aber die Sache herumzuwenden versteht, der überzeugt sich bald, daß der Vorwurf, den man gegen die Republik richtete, weit mehr die Monarchie treffen muß. Es gibt in der That nicht ein einziges Beispiel in der Geschichte, welches eine solche Entstehung der Republik bewiese. Die Republik ist die Tochter hoher Einsicht und Bildung, die Tochter der Vernunft, und so offenbar göttlichen Ursprungs. Die Monarchie hingegen entwickelt sich in den Zeiten der Barbarei, wo kein Recht außer das Faustrecht gilt, wo der Stärkere den Schwachen sich unterwirft. So wie die Vielgötterei dem Gottesglauben vorangeht, wie die Priesterkulten früher da sind als der reine Vernunftglaube; so sind auch Fürsten und Könige früher da als der Staat, Knechte und Sclaven früher als freie Bürger. Die Republik ist der politische Rationalismus: sie ist der Staat in seiner größten Reinheit und Vernünftigkeit. Gibt's ein politisches Fortschreiten der Menschen —- und welcher Hochverräther an Gott wird dies leugnen! — dann wird der Republikanismus seinen Sieg auf der Erde feiern: denn im vollkommenen Menschenzustande können keine Höhere und Vornehmere mehr sein, sei es im Reiche Gottes im Himmel oder im Reiche Gottes auf Erden. 22 Nur noch ein Wörtchen gegen die Kapuzinadenmänner zum Schluß. Sagt mir doch, was wolltet ihr dem Volke, das die Bibeln in der Hand hat, und dem es einmal einfallen konnte, das achte Capitel des ersten Buchs Samuels euch vorzuhalten, auf die Frage antworten, wie es denn mit der göttlichen Entstehung des Königthums bei den Juden eigentlich beschaffen sei? — Das Volk begehrt da einen König, wie andere Völker haben. Der Nationalgott aber sieht in diesem Begehren ein Verwerfen seiner selbst, und willfährt dem Volke nur darum in seinem Begehren, daß es die Strafe trage, die sein eitles Wünschen wohl verdient hat. Die Entstehung des Königthums bei den Juden hat also nur in sofern etwas Göttliches an sich, als die göttliche Langmuth Etwas zuließ. Doch lassen wir die heilige Geschichte. Sagt, ihr Kapuziner, habt ihr denn noch nie daran gedacht, daß die Monarchie, wo sie nicht bereits durch Gewalt bestund, nur durch schleichende Ueberlistung eingeführt werden konnte? Gedenkt doch an die Geschichte der ersten Cäsaren, oder, weil's näher liegt, an den Affen der Cäsaren Napoleon, und sehet, welche Schlangenpfade eingeschlagen werden mußten, um das Auge des Volks von dem hochverrätherischen Diebstahl abzulenken. Wann durfte die Monarchie von einem Cäsar so offen ausgerufen werden, wie die Republik von einem Brutus! Warum mußten die großen Kronräuber durch blutige Spiele auf den Theatern oder auf den Schlachtfeldern den Sinn des Volkes berauschen, um es für ein schlaueres Spiel, was man vorhatte, zu betäuben! Wäre die Monarchie etwas Göttliches, dann wäre sie auch etwas Ersehntes, Erflehtes und zum Voraus Geliebtes. Dann dürfte sie kommen wie die Sonne am Morgen, und die Blumenkelche der Herzen würden sich erschließen, die Gefühle der Seelen würden sich ihr entgegen schwingen in jubelnden Tönen, und in allen Augen wurde der Thau feuriger Entzückung perlen. Aber diesen schönen Morgen wird die Menschheit nur dann erleben, wenn die junge Freiheit ihren Tag in das irdische Jammerthal niedersenden wird , und Nacht wird es sein, bis jener Morgen kommt. So tief ist die Menschheit noch nicht gesunken, daß sie ohne Liebe und Begeisterung nicht treu dem Kleinod bewahrte, dem beide gehören. 23 Doppelte Grabrede des ewigen Juden am Sarge der Freiheit. Gänzende Ordensstern- und Glatzenversammlung! Ich allein darf es wagen, hier an diesem Ort ein Wörtchen zu reden: denn mir wäre es grade erwünscht, wenn mir ein Fürst den Kopf abhiebe, oder mir ein Ruheplätzchen anwiese in irgend einem Zuchthaus. Da ich dies aber gar nicht hoffen darf: denn es ist nun einmal gegen das Schicksal; so wird es mir Jedermann glauben, wenn ich versichere, daß ich bloß aus Freiheitsliebe hier rede, und gar nicht gewillet bin, irgend einen zeitlichen Vortheil dadurch zu erschnappen. Es ist recht schön von euch, ihr Kronen und Glatzen! daß ihr es euch nicht habt nehmen lassen, der Freiheit die letzte Ehre zu erzeigen, da das gemeine Volk ihr die erste Ehre erwiesen hat. Doppelt habt ihr der Verblichenen die letzte Ehre erwiesen: denn ihr bringt sie nicht allein zu Grabe, sondern ihr habt sie auch in den Sarg gebracht. Unter der Umarmung der Fürsten, mit den Sterbesakramenten der Pfaffen versehen, ist die Freiheit aus diesem Jammerthale geschieden. Ich sehe Thränen in euren Augen, ihr Gold- und Schorköpfe! Meine Pflicht als Leichenredner ist es, Thränen, die am Grabe geweint werden, zu trocknen, und kann ich was dafür, wenn ich euch vielleicht Freudenthränen von den kalten Wangen abwische? — O weinet nicht ihr scharfsichtigen Diplomaten und Conferenzmänner! Bedenket, daß ihr nur im Wahne lebt, und nicht in der Wahrheit! Erhebet eure Augen von der Sinnenwelt der Ordenssterne zu der Christenwelt der Himmelssterne, und erfüllet eure Seele ganz mit Betrachtungen über die Unsterblichkeit der Freiheit! Es geht kein Ständchen verloren in der Sinnenwelt, und ich schwör es euch bei der großen Thorah und bei meiner langen Erfahrung in den Jahrhunderten — es geht auch kein Wort, kein Ton, keine leise Regung des Gemüthes verloren. Grabt dieses Grab bis zum Mittelpunkt der Erde, und tiefer kann ja kein Erdensohn graben; laßt alle Kanonen und Stücke einschmelzen, und wälzet den ungeheuren Metallklumpen auf dieses Grab: ihr werdet doch nicht sicher sein, daß diese Todte auferstehen. Ihr ist die Erde leicht, ihr Schorköpfe! und jedes Grab ist ein Ausgang aus dem Mittel-

Original: Deutsch

24 punkt der Erde. Hier habt ihr sie begraben, hier stehen Heer von Wächtern, um die Todte zu bewachen: aber dort schon erbebet die Erde, und die ihr eine in Staub und Moder gehüllte Jammergestalt wähntet, schwinget sich dort mit der Siegesfahne verklärt über die Gräber empor. Traurige Bürger- und Bauernversammlung! Was steht ihr hier und ringet die Hände? Glaubet ihr mit der Freiheit sei es aus, und sie sei maustodt? Laßt euch doch nichts weiß machen von den Glatzköpfen und Diplomaten. Glaubt ihr in diesem Sarg läge die heroische Gestalt der Freiheit verschlossen, die in den drei Tagen aus Tausend Wunden blutete und doch nicht verblutete, die in Polen mit tausend Herzen starb, und doch lebendig blieb? Sagt, was war denn ihr Tod, und was ihr Ausgang aus diesem Leben? O ihr Thoren, der Sarg, den ihr hier sehet, ist nur mit etwas Besseres, als Lumpen sind, ausgestopft — nämlich mit Papier, man will euch nur glauben machen, die Freiheit sei gestorben, damit ihr der Verlornen auf ewig Lebewohl saget. Glaubt es mir, die ganze Leichenanstalt ist nichts weiter als eine traurige Komödie, wo man die Freiheit kaum in effigie begräbt, und ihr werdet noch zeitig genug über eure jetzige Trauer lachen können. Nein, sie ist nicht todt, die süße Freiheit, die den Gewaltigen demüthigt und den Unterdrückten aufrichtet. Sie eilet hin und her auf der Erde, um Feuerflammen in die Herzen zu säen, und den Muth der zagenden Völker zu beleben. Sie geht durch die verschlossenen Thüren der Gefängnisse, und stärket durch ihre Erscheinung den ermatteten Dulder. Sie tritt an die Wiege neugeborener Kinder, in ihnen die Blumen ihres ersten Erdenfrühlings grüßend. Die stehet am Bett des Tyrannen in einsammer Mitternacht — und der zittert und bebet, und läßt neue Bücher verbieten, und neue Soldaten ausheben. Sie ist noch da — sie lebt, ihr düsteren Leidtragenden! was sucht ihr also in diesem Sarg? — Gewiß mancher Ludwig Philipp wird vor dieser Berry noch Angstschweiß des Todes schwitzen! Amen. 25 Schneiderhölle der Censur. O die häßlichen Septembertage! Warschau fiel im September. O die häßlichen Septembrisierer! Man sucht der Entwicklung republikanischer Verfassung zu schaden, indem man die Schreckenszeit der ersten französischen Revolution dem großen Haufen als grell gemaltes Schreckbild vorhält. Dieß Schreckbild, wenn noch mit so fürchterlichen Farben aufgetragen, wird einmal erbleichen, ist schon halb erblichen. Aber der polnische Völkermord schreit zum Himmel, wohin auch die Vertriebenen ziehen, und die in den Gruben des Ural seufzen, und die mit großen Heldenwunden unter dem Rasen der Schlachtfelder schweigend liegen — sie Alle höret und siehet der Gott der Völker. Folgende Zeitungen würden in den deutschen Bundesstaaten erscheinen dürfen, obschon sie in ihren Namen Aehnlichkeit mit verbotenen Blättern hätten: die deutsche Kanzel — der Bote aus der Residenz — die neuen Zeitfloskeln — der Schwachsinnige — der Schläfer am Rhein — das Fürstenfreundchen und die hundscommune deutsche Zeitung. Wo sind die alten deutschen Weiber hingekommen, die während der Männerschlacht die Wagenburg vertheidigten, und ihre aus dem Kampf fliehenden Männer mit dem Schwert in die Feldschlacht zurücktrieben? — Ach, wo sind ihre Männer hingekommen! Heut zu Tage werden die Völker folgendermaßen unterjocht. Die Körperkraft des Volkes, die Jugend, wird durch militärische Disciplin gebändigt; die Geisteskraft, die Mannheit, wird durch den 26 Dienst - und Amtszaum gezügelt , und der Reichthum des Volkes wird an den Thron angelehnt. Purzelt der Thron, so purzelt auch der Goldklumpen. Auch die Geschichte eines Volkes besteht aus Tag und Nacht. Die Monarchie ist die Nacht, die Republik der Tag. Die Monarchie geht dem Morgenroth des Volkslebens voraus und dem Abendroth folgt sie nach. Wohl dem, dessen in die Tageszeit ungeboren oder verstorben verschläft. Die historische Nacht breidigt nicht: sie erweckt, ja länger sie dauert, desto heißere Sehnsucht nach dem Morgen. Der republikanische Tag der Römer beginnt mit einem Brutus und endigt mit einem Brutus, wie der Tag mit rothem Himmelsglanz anfängt und endigt. Der erste Brutus vertrieb die Nacht, der zweite wurde von ihr überwältigt. Lange lebe du, Stiller Mann, in Ruh. Irre nicht umher Auf fischdurchwimmeltem Meer; Suche nicht als Held Ruhmn im Kampfesfeld; Sei dir stets ohn' Glanz Bürgerehrekranz; Cäsarn, der da steigt, Sei ein Cato geneigt. Sieh' dann lebest du Lange und in Ruh' Curiositäten. 1. Doppelte Aufklärung. Als der sogenannte Griechensänger neulich mit seinem Freund Nimrod die Messe zu Frankfurt besuchte, liefen ihm viel große und kleine Kinder nach, wie weiland dem Rattenfänger zu Hameln. 27 Er mochte denken, der Zulauf gelte seiner werthen Person. Ein Augenzeuge versichert aber, es sei ein anderer Grund gewesen. Nemlich man hielt ihn ob seiner blauen Kleidung für einen Polizeidiener, und seinen Freund Nimrod für einen Gauner, der von ihm aufs reinliche Verhöramt abgeführt wurde. Daher der Zulauf — Bei seinem Umherstreichen gerieht der Populäre in ein Spielwaarenlager, und kaufte allerlei Tand für seine hoffnungsvollen Sprößlinge. Als ihm nun der Kaufmann unter anderen Herrlichkeiten auch ein Kinderschwert verlegte, warf der Ritter vom lahmen Pegasus die witzige (!) Frage auf: „ob dies das Schwert sei, welches die Frankfurter dem Wirth verehrt hätten?" Der Kaufmann war um eine Antwort verlegen; wir aber können dem Frager versichern, daß Wirths Schwert kein Kinderschwert ist, sondern eine tüchtige Klinge hat, scharf genug, um etlichen Dutzend Hochverräthern, deren Nackenwirbel bekanntlich trotz ihrer Steifheit nicht von Eisen sind, ihr Recht anzuthun. 2. Warum? — Darum. Wenn die hohe Bundesversammlung eine Zeitschrift verbietet, so geschieht es in der Regel um der Ruhe und Ordnung in Deutschland willen. So bei Unterdrückung der deutschen Tribüne, des Westboten, der Neuen Zeitschwingen, des Freisinnigen, des Wächters am Rhein, des Volksfreundes, der politischen Annalen von Rotteck. Da aber jede Regel ihre Ausnahme hat, so muß man es auch bei Zeitungsverboten nicht so genau nehmen; ja, da die hohe Versammlung in Zeit von 6 Monaten sich siebenmal um die Ruhe und Ordnung in Deutschland verdient gemacht hat, so kann man es ihr wol als eine edle Bescheidenheit auslegen, wenn sie bei der achten Zeitung jenen Ruhm nicht von Neuem in Anspruch nimmt. Man soll sich also nicht wundern, vielmehr es bewundern und preisen, daß der unterdrückten, deutschen allgemeinen Zeitung nicht Störung der Ruhe und Ordnung Schuld gegeben, sondern daß das Verbot derselben lediglich auf die Autorität gegründet wird, welche die hohe Versammlung am 20. September 1819 selber sich ertheilt hat. Niemand soll darüber bedenklich den Kopf schütteln. Konnte der große Catesius schließen: ergo sum (ich denke, also bin ich), - so ist es auch in der Ordnung, wenn der Bundestag sagt: Ich darf, also thu ich's. Ich hab' gesagt, ich dürfte, also darf ich. 28 3. Nassaus Glück. Wenn die Vollkommenheit einer Verfassung darin besteht, das so viel wie möglich alle Bürger vom Oberhaupt abhängen, so möchten wenige Länder sich einer besseren Einrichtung rühmen können als das Nassauische. Der Adel arm und wenig zahlreich, ist hier aufs festeste an den Thron gekettet. Man bescheert ihm Compagnien, Rittergüter, Pensionen, Aemter und Würden, und ist seines Gehorsams und seiner Anhänglichkeit vollkommen versichert. Die Gelehrten, — mit Ausnahme der wenigen, welche sich bloß aufs Forschen oder aufs Bücherschreiben legen können und mögen — stehn insgesammt im Dienst des Herzogs oder der herzoglichen Regierung. Ein Wink von dem Herrscher — und sie sind außer Erwerbsthätigkeit. Selbst die Dorfschulzen, anderwärts überall frei von den Gemeinden gewählt, sind hier von der Regierung ernannt und Werkzeuge der Regierung. Was nicht bloßer Landmann, oder Gewerbsmann, oder Handelsmann, oder Schriftsteller oder geschäftsloser Verzerer ist, — wer irgend durch seinen Beruf Einfluß hat, trägt, wo möglich den Dienstrock und führt das Beiwort herzoglich. Der Seelsorger ist ein herzoglicher Pfarrer, der Sachwalter ein herzoglicher Prokurator, der Arzt ein herzoglicher Arzt, der Ortsvorsteher ein herzoglicher Schultheiß. Kurz im Nassauischen wimmelts von herzoglichen Leuten, und das Lehenwesen des Mittelalters ist hier verjüngt zu schauen. 4. Hessens Hoffnung. Der 15. September, der Tag der Begründung der hessischen Verfassung ist in Fuld und Marburg festlich begangen worden. In Fuld weigerten sich die geistlichen Herren, bei dieser Gelegenheit ein feierliches Hochamt zu halten; die Bürger aber erbauten sich auf eigene Hand, indem sie auf öffentlichem Markt ein Festlied absangen. In Kassel wurde die Feier jenes Tages nicht gestattet. Warum? — das mag der Regent wissen. Vielleicht soll das Verbot die Gemüther auf einen Streich vorbereiten, den man gegen die Verfassung im Schilde führt. Wenigstens gehen in dieser Beziehung sonderbare Gerüchte — und die Gerüchte sind in neuerer Zeit, wenigstens was die Anschläge der Fürsten und ihrer Diener betrifft weniger unzuverlässig, als sonst. Der Kurprinz soll geäußert haben, die Verfassung sei von ihm nicht als Regenten, sondern 29 als hessischen General beschworen worden. Diese Unterscheidung wäre in der That eine klägliche Ausflucht auf die Anfrage der Hanauer in ihrer offenen Erklärung: ob Fürsteneide heilig? Außerdem will man wissen, es werde vom Bundestag eine Commission ernannt werden um die hessische Verfassung zu untersuchen und zu prüfen, ob dieselbe mit dem monarchischen Prinzip im Einklang sei. Dies ist freilich überflüssig, denn auf den ersten Blick ergibt sich, daß in der hessischen Verfassung, trotz dem ungünstigen Urtheil Börnes der anmaßende demokratische Geist ganz besonders spuckt. Sollte übrigens jene Prüfung wirklich vorgenommen werden, so würde es natürlich nicht bei der bloßen Ansicht und beim Bericht bleiben, sondern es würden auch nachdrückliche Maßregeln ergriffen werden, um die demokratische Unsauberkeit herauszufegen und die Verfassung mit dem heilbringenden monarchischen Princip in Einklang zu bringen. Die Hessen mögen sich also vorsehen, oder wie man im gemeinen Leben sagt, die Ohren steif halten. 5. Würzburgs Noth. Wegen des Gaibacher Festes und insbesondere wegen der dort unterzeichneten Adresse ist die Stadt Würzburg in so schwere Ungnade beim König gefallen, daß derselbe ihr auf seiner Badreise nach Brückenau das Glück seines Besuchs entzogen hat. Wer die de- und wehmüthige Zuschrift des Landwehrobersten kennt, der weiß wie schmerzlich „die große Mehrzahl der gutgesinnten Bürger" dies empfunden hat. Zur Vergrößerung des Unglücks mußte auch noch am Geburtstag Sr. Majestät die Landwehr mit Ausnahme von etwa 50 Mann von der Parade wegbleiben. Die Gemeindebevollmächtigten, diese treuen Diener des Königs sind nun außer sich vor Betrübniß. Sie sind zu Rath gegangen, wie des Königs Grimm zu besänftigen sei, und in der Verzweiflung haben sie mit siebzehn Stimmen gegen fünf beschlossen, den Hauptredner von Gaibach, den I. Bürgermeister Behr zum Sündenbock zu machen. Drei von ihnen sind nach Aschaffenburg gereiset, um den König zu bitten, er möge den Revolutionär in Ruhestand versetzen. Aber das wird schwerlich die Stadt von dem allerhöchsten Unwillen retten. Die Verlegung des Appelationsgericht nach Aschaffenburg ist beschlossen und wird wahrscheinlich demnächst vor sich gehn. Wer weiß, was noch ferner für Zornschalen über Würzburg ausgegossen werden. Nichts kann retten, wenn nicht die ganze Bürgerschaft in die Fußstapfen der Gautinger 30 oder Wasserburger tritt. Die Würzburger Zeitung enthält dazu vortreffliche Anleitung. Erstlich muß man sich entschuldigen, daß man nicht schon früher die Gesinnungen treuster Ergebenheit in eine allerunterthänigsten Zuschrift zu den Füßen Sr. Majestät niedergelegt hat. Man muß bekennen, daß man in der thörigten Meinung gewesen, eine solche Erklärung, wie sie untern Fuß gegeben war, sei eine Anerkenntnis vorausgegangener Schuld, eines bewiesenen Mangels an Ergebenheit, und in diesem Wahn habe man eine besondere feierliche Versicherung für ungeeignet gehalten. Zweitens muß die Bürgerschaft erklären, es habe doch nur ein Theil von ihr die verhängnisvolle Gaibacher Schrift unterzeichnet und dieser Theil habe damals ein bischen zu tief ins Glas geguckt gehabt. Drittens muß Sr. Majestät vorgestellt werden, daß am allerhöchsten Geburtsfest, welches gerade auf einen Markttag fiel, die armen Bürger dem lieben Brod nachzulaufen hatten, es muß Sr. Majestät vorgerechnet werden, wie viel Gulden jeder Landwehrmann in seinem Geschäft durch Theilnahme an der Geburtstagsparade verloren haben würde, und wie nur dieser Umstand zu der schweren Unterlassungssünde Veranlassung gegeben habe. Viertens muß die Bürgerschaft gegen die in Würzburg zum Vorschein kommenden Tagblätter, welche das Mißfallen des Königs erregen, ihren Abscheu ausdrucken. Fünftens muß sie dem König vorstellen, daß in Würzburg gar keine Unzufriedenheit mit ihm möglich sei, fintemal der Untermainkreis als das Schooskind Sr. Majestät behandelt werde und keinen Heller in die Central-Staatskasse liefern, sondern all seine Abgaben in seinem Bereich zu seinem Besten verwendet sehe, also daß die Abgaben dort nur dazu dienten, das Geld in Umlauf zu bringen, welches dann größtentheils wieder in die Hände der Beitragenden zurückkehre . Und zum Schluß muß sie mit einer Stimme ausrufen: Zum Vollgenuß unsers Glücks fehlt weiter Nichts als die Versicherung der allerhöchsten Huld, Vergessenheit des Vergangenen, Gnade, Gnade! 6. Schwabenstreiche. Es ist schon vielfach erzählt, wie die Stuttgarter Bürger mit den beruhigenden Zusicherungen der Minister nicht zufrieden, vom König selbst eine bündige Erklärung in Betreff der Bundesbeschlüsse begehrt haben, wie der Obmann des dortigen Bürgerausschusses, Dr. Waltz in feierlichem Zuge au der Spitze der Bürger die Schrift nach dem 31 Schloß trug, und wie der Stadtdirector sich dem Zug entgegenstellte und gebieterisch rief: „Rott' er sich nicht zusammen! Geh er auseinander !" Darüber ist's nun zu allerlei Händeln gekommen. Die Bürger haben den Stadtdirector bei der Regierung wegen Gewaltthätigkeit verklagt, sind aber abgewiesen worden und haben obendrein vom König selber einen Verweis erhalten, wogegen der Stadtdirector Lob eingeerntet hat. Der König hat erklärt: „Was ich gesagt hab', hab' ich gesagt; mit den Bundesbeschlüssen hat es sein Bewenden; dem Obmann hat der Bürgermeister die Schrift wieder zuzustellen und Unser allerhöchstes Mißfallen zu erkennen zu geben." Darwider sagt aber der Obmann: „Was wir geschrieben, haben wir geschrieben ; ich nehme weder die Schrift zurück noch den Vorweis an; beide mag der Bürgermeister dem König wieder zurückbringen." Mittlerweile war Waltz von der Regierung beim Criminalgericht zu Eßlingen wegen Unbotmäßigkeit verklagt: allein auch hier ist die Regierung mit langer Nase abgefahren; die Klage ist vom Gericht für unzulässig erklärt. Kurz, Bürger und Richter stehen dort im Schwabenland ihren Mann und fürchten sich nicht vor fürstlichen und amtlichen Donnerwettern. Die Blitze von den Kanzeln werden nun gar wirkungslos niederfahren, sind wenn die Pfaffen am 27. Sept. über den vorgeschriebenen Text: „Fürchte den König und menge dich nicht unter die Aufrührer!" — predigen , so wird man über das armselige Possenspiel lächeln. Wenn der König nur an einem der revolutionären Bösewichter sein Müthlein recht kühlen könnte! Aber der Hierzu ausersehene Herausgeber des Hochwächters, Rudolph Lohbauer hat ihm einen neuen Schwabenstreich gespielt; er hat eine kleine Reise nach dem Rhein unternommen und sitzt wohlbehalten in Straßburg. 7. Das Verhängißvolle R Wer kennt nicht den Meister aller Demagogenrichter, den Universitätsrichter Arends in Gießen! Das ist ein Mann, wie man ihn in unserer aufgeregten Zeit braucht. Er weiß der Regierung von jedem Studenten aufs Haar zu sagen, in wiefern er vermöge seiner Schwachmüthigkeit oder seiner Gleichgültigkeit gegen das Vaterland bei der Anstellung vorzüglich zu berücksichtigen oder aber wegen Theilnahme an geheime Verbindungen zurückzusetzen sei. Immerdar liegt vor ihm aufgeschlagen das schwarze Buch, in welches jeder eingetragen wird, welcher sich des Verbrechens der Deutschheit verdächtig oder — was 32 dasselbe ist — schuldig macht, und zahlreiche Späher sind in steter Thätigkeit, um die erforderlichen Angaben zu liefern. Alle Vorsicht ist hier vergebens, und nur ein glücklicher Zufall kann den Demagogen vor der richterlichen Spürnase retten. Solch ein seltner Zufall kam vor einiger Zeit einem schlimmen Burschen zu Stätten und brächte dagegen einen armen Teufel ins Unglück. Ein aus Darmstadt gebürtiger Späher bemerkte nämlich, daß ein gewisser Traut Theil an geheimen Verbindungen habe und berichtete das seinem Meister. Nun haben bekanntlich die Bewohner der Residenz Darmstadt mit mehrere»nberühmten Athenern das gemein, daß sie kein R aussprechen können. Demnach hörte Arends von seinem dienstbaren Geist statt Traut immer Daut, und da sich nun wirklich ein Daut im Verzeichniß der Studenten fand, so wurde dieser unbedenklich ins schwarze Buch eingetragen. Und doch war derselbe ein lammfrommer Mensch, der kaum wußte, was Demagogerei ist. Man kann sich den Schrecken des Unglücklichen denken, als ihm bei seinem Abgang von der Universität ins Zeugniß gesetzt wurde: »Ist der Theilnahme an geheimen Verbindungen verdächtig." Er jammerte und flehte. Vergebens. Er stand im schwarzen Buch und sein Zeugniß blieb unverändert. Der eigentliche lose Vogel aber kam ungerupft davon.
Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Objekt aus: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Der über 2000-jährigen Tradition des Weinbaus in Bad Dürkheim entsprechend, ist das Stadtmuseum in einem ehemaligen Weingut untergebracht. Auf über...

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