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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz [2013/0065]
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Herkunft/Rechte: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir (CC BY-NC-SA)
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Broschüre: "Rede an den Deputierten Friedrich Schüler bei dem Feste der Ehrenbecherüberreichung am 6, Mai 1832"; Dr. Ernst Große; Mai 1832

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Beschreibung

Broschüre: "Rede an den Deputierten Friedrich Schüler bei dem Feste der Ehrenbecherüberreichung am 6, Mai 1832"; 32 Seiten; von Dr. Ernst Große.

Der Zweibrücker Anwalt Friedrich Schüler war Abgeordneter des Rheinkreises in der zweiten Kammer der Bayerischen Ständeversammlung. Dort setzte er sich vorallem für die Belange seiner Region ein. So wandte er sich vehement gegen die wirtschaftliche Ausbeutung des Rheinkreises (so wurde bspw. nur ein Bruchteil der für den Rheinkreis erhobenen Abgaben dort reinvestiert) und setzte sich für Presse- und Meinungsfreiheit. Bei einem ersten Fest im Januar 1832 zu seinen Ehren wurde die Gründung des "Deutschen Preß- und Vaterlandsverein" beschlossen.
Bei dem "zweiten Schülerfest" am 6. Mai stand die Überreichung eines Ehrenbechers an Schüler aufgrund seiner Verdienste um die Rechte des Rheinkreises etc. im Mittelpunkt. Dieser war übrigens durch eine Spendensammlung in der gesamten Pfalz finanziert worden.
Die vorliegende Rede ist als "Huldigung" von Schülers Verdiensten verfasst worden und gibt auch gleichzeitig die Ansichten des Autors Grosse wieder.

Der Journalist Ernst Grosse stammte aus Hannover und war 1830 nach München gekommen, wo er sich durch seine politischen Schriften und Gedichte bei der Regierung dermaßen "unbeliebt" machte, dass er inhaftiert wurde. Nach der Stellung einer Kaution durch den "Preßverein" begab er sich 1832 in den Rheinkreis und arbeitete mit Wirth und Siebenpfeiffer zusammen. Nach dem Hambacher Fest drohte auch ihm die Verhaftung, der er sich durch Flucht entzog. 1833 wurde er vom Landauer Assisengericht in Abwesenheit für 10 Jahre des Landes verwiesen.

Die Broschüre wurde nicht aufgeschnitten, daher sind nur wenige Seiten (1, 8, 9, 16, 17, 24, 25, 32) dieses Exemplars lesbar.

Material/Technik

Papier, weiß; schwarz * bedruckt

Maße

Breite/Länge: 13 cm; Höhe: 21 cm; Tiefe: 0,5 cm

Abschrift

Original: Deutsch

An den Deputirten bei dem Feste der 6. Mai 1832 Dr. Ernst Große. Zweibrückern 1832 Druck und Verlag von G. Ritter Krank, landesflüchtig, kaum dem Gefängniß, der Polizeiaufsicht entronnen, tritt meine Muse, welche noch vor wenig Tagen als Majestätsverbrecherin und Hochverrätherin auf dem Armensünderstühlchen des Inquisitionssaales des königlichen Stadtgerichts in München saß, und ihr Bluturtheil von dem Mainzer Großinquisitor des deutschen Bundes erwartet, schüchtern in diesen freien Bürgerkreis. Doch Das ist die sanfte Dichtermuse nicht, Wie eine Schlachtenmuse bist du anzuschauen, Auf deiner Stirn geschrieben steht das Recht, Der Stolz der Freiheit strahlt aus deinen Mienen, Nicht Lieder trägst du, Donner auf den Lippen; Das ist der Mund, Der in dem Volke wiederhallt, am Throne Wagt das verbannte Wort: Wahrheit zu sprechen, Die feige Höflingsschaar erzittern macht. Geklingelt, gereimt, geleiert ist genug Von Dichterlingen des Jahrhunderts, Im trägen Schönheitsschlummer verfault die Zeit. Wir brauchen Männer, Bürger, die mit freier Stirn Des Vaterlandes Wohl berathen, Wir brauchen Herzen, die der Thaten fähig sind. — Du trägst die Bürgerkrone in den Locken, Du bist die hohe Muse der Beredsamkeit, Wie sie bei einem Rotteck einkehrt, einem Schüler. *) *) Aus den freien Nächten im Gefängniß, in der Münchner Frohnfeste geschrieben, welche, durch die Krankheit des Vers. gehindert, nächstens erscheinen. 1 2 Denn diese Muse die Thränen und Seufzer meiner Frau und Kinder heute in den Ehren- und Freudenbecher des Hochgefeierten schüttet; so geschieht dies nur, um sie als feurige Tropfen auf die Häupter jener auszugießen, welche ewig von ihrer Achtung der Rechte und Gesetze sprechen, und Menschen- und Familienrechte, indem sie Wittwen und Waisen berauben, mit Füßen treten; welche Religion und Gottheit im Angesicht der Völker heucheln, und den Gott, der in der Menschenbrust sich aufrichtet mit Bajonnetten und Kerkerriegeln verfolgen; welche im Namen ihrer Eitelkeit der Kunst und Wissenschaft Tempel aufbaun, und die Künstler und Schriftsteller auf dem Schub wie Vagabunden über die Gränze transportiren; welche den Griffel genialer Schmeichler, deren Hände vom Blute der Landeskinder triefen, in die Thränen und das Blut der Völker eintauchen lassen, um vor den Augen der ernsten richtenden Clio, welche die kindische Eitelkeit belächelt, die Tafeln der Geschichte zu einem Hof- und Staatskalender, dessen Prachteinband der Bauer und Bürger bezahlt, herabzuwürdigen: — während die wahrhaften klassischen und historischen Nationalwerke eines Westenrieder nur von dem Landesflüchtigen und Verbannten unter dem Schutze von fremden Regierungen durch die Unterstützung der bayerischen und deutschen Bürger gedeihen. — Die bayerischen Blätter sagten schon im Oktober 1830: „Die Kanonenschüsse der Preßfreiheit in Frankreich haben alle die, welche von 1815 an die deutschen Cabinette verwirrten, den Rath der Fürsten verfälschten, zur letzten verzweifelten Anstrengung unter ihr Panier gerufen. Das zweizüngige Geschlecht der Diplomaten, der alte Kastenadel, die Privilegierten, welche überall in den Provinzial- 3 und Landständen, wes Geistes Kinder sie find, gezeigt haben, ein ganzes Geschlecht von bedenklichen Staatsmännern, Ministern, furchtsamen Höflingen, servilen Beamten wird sich erheben. Da die Aristokratie nicht mehr wie in den früheren Zeiten der Feudalherrschaft auf ihre Adelsdiplome, Stammbäume, Excellenzentitel u s. w. vor den Augen der Bürger sich zu stützen wagte; so hat sie hinter die Krone sich verkrochen; selbst den Thron der Fürsten haben sie zum Tummelplatz, wo die Parteien mit der königl. Prärogative zu ihrem Nutzen sich herumzerren, erniedrigt. Auch in Deutschland mögen nur zu viele Hotels und Kanzleien der Minister, eben so viele Schlupfwinkel oder auch offene Feldlager, wo die Vorrechte und Ansprüche der Privilegirten, welche von der gesunden Vernunft und dem Zeitgeist abgewiesen wurden, unter dem Feldgeschrei des Royalismus und Monarchismus wider die sogenannten revolutionären Ideen sich verstärkten, gewesen seyn. Jetzt werden sie flüstern und intriguiren, Einfluß und Ansehen anwenden; Stellen und Aemter haben sie in ihrer Gewalt. Der Servilismus, die Anhänglichkeit, Unterwürfigkeit, die Zaghaftigkeit der Gesinnung ist in Deutschland noch groß. Die Beamten werden den Ministern, die Minister den Fürsten mit Anfeindungen und Befürchtungen in den Ohren liegen. — Wir haben für unsere Fürsten und unsere Freiheit die Waffen getragen; sollten wir nicht muthig genug seyn, die Waffen des freien Wortes wider eine Partei zu gebrauchen, welche stets die Widersacherin und Feindin der Freiheit und der Fürsten war?" „An diesem Blatte wird man sehen, was wir von den Machthabern zu erwarten haben *) — und wir haben es und wie? gesehen. - *) S. die bayr. Bl. Nro. 55 vom 1. Okt. 1850. 4 Erwarten sie nicht, meine Herren, daß ich Ihnen von dem Unglück meiner traurigen Verbannung, von den Schrecknissen des Kerkers, als dem größten Unglück meines Lebens rede. — Mein erster Odemzug der Freiheit sollte kein Seufzer, sondern ein Psalter, daß ich für Recht und Wahrheit zu dulden gewürdigt ward, seyn. Aber das Wild im Walde, der Vogel im Neste ist besser und wärmer, als die durch die Höfe und Aristokratien künstlich geschaffte, civilisirte Armuth in der Gesellschaft, wie sie jetzt ist, gebettet. — Rousseau, dem verfolgten, landesflüchtigen, kranken Rousseau, thaten sich im Schnee und Winter aus Barmherzigkeit die Thüren des Kerkers nicht einmal auf. Im Kerker hat die so hoch gepriesene bürgerliche Ordnung, hat der Staat mir zum erstenmale ein Obdach, eine bleibende Stätte bereitet. — Könnt' ich doch alle jene Klagen, welche sich ihres Ursprungs nicht bewußt sind, jene Unzufriedenheit mit Loos und Schicksal, jene Zerrissenheit der Gemüther, jene lebenssatten Gedanken, welche in dem Mangel politischer Institutionen, die der Entwickelung und Cultur der Gesellschaft gemäß sind, ihren Grund haben; jenen Nothschrei der Seelen, der durch die Zeiten dringt, an den Thronen laut werden lassen, — die Fürsten würden anders über die Unzufriedenheit der Geister denken! Jene, welche im Genuß nicht nur aller sinnlichen sondern auch geistigen Güter, im Besitze von Ehre, Amt und Stellen, die den Stolz und das Selbstgefühl erhöhen, sich befinden, haben gut reden um ihr historisches Recht zu behaupten, daß es nicht anders, als es gewesen sey, werde. Aber das Volk, das nichts als Pflicht, Mühe und Arbeit, Lasten und Steuern, die Bitterkeit und Blößen 5 des Lebens kennt, eS will auch, daß es seine Menschheit, daß es jene Kraft, die den Menschen stolz, frei und zum Ebenbilde Gottes macht, fühle. WaS sollen wir aber auf der Erde, in einem Leben, wo Hof und Adel, Aristokraten nicht nur Stellen und Rang, Reichthum und Besitz, sondern auch alles erhöhte Wirken des Geistes und Talents durch die Geburt vorweggenommen haben? Meine Herren! es ist nicht die Ueberspannung eines unruhigen Kopfes; es ist die Stimme eines überzeugten Gewissens, die aus mir und meinen Schriften spricht. Ich habe Jahrelang ohne Zeitungen zu lesen, ohne mich um das, was in den Cabinetten, in den Gemächern der Großen vorging, was die Könige thaten, zu bekümmern, gelebt. In mein Inneres, fern von dem unruhigen Treiben der Welt bin ich hinabgestiegen. Ich suchte und fand eine Größe darin, mit christlichem Entsagen aller äußeren Rechte mich zu begeben; die sinnlichen Genüssen jenen zu überlassen, die nichts als Ueppigkeit und Genüsse haben, bloß von dem Aether des Bewußtseyns, meinem geistigen Selbst zu zehren. Aengstlich, ach! mit welchen Zweifeln, habe ich mit Gott, Natur und meinem Gewissen gerechtet: Und weil ein wiedernatürliches Leben solcher Art als ein Alp auf mein Dasein drückte, die Sünden der Gesellschaft auf mein Haupt genommen. — Ja, meine Herren, ich bin ein Sohn der Religion; aus der Schule der Philosophen und Moralisten, eines Schleiermachers, eines Paulus, aus der stillen Andacht des Gemüthes, bin ich in die Politik hinüber getreten; und habe — o wie oft, als die Allianz, die Heuchlerin, die un-heilige, welche sich für eine Tochter des Himmels erklärte, den Gott der Geschichte im Angesichts der Völker abge- 6 schworen, Moral und Religion in die Cabinette hineingewimmert. Ich habe in meinem Lebewohl, welches den vorzüglichsten Gründ meiner Anklage bildet, von jenem Augenblicke gesprochen, als ich, der um Brod und Einkommen gebrachte Familienvater von 4 Kindern, krank kaum meinen flüchtigen Fuß auf den damals noch gastfreien wür-tembergischen Boden setzend, als ein bundesgefährlicher Mensch, durch die Requisition der preußischen und braunschweigischen Regierung, und jenes unwürdigen bayerischen Ministers, der in Hrn. v. Wallerstein jetzt einen würdigen Nachfolger gefunden, verfolgt, in die Schauer eines Gehölzes tretend, ausrief: Deutsche Erde, heiliger Mutterboden! so bin ich denn dort sicherer, wo der stürzende Waldstrom schäumt, der Habicht am Felsen horstet, und das scheue Wild des Gebirges im Dickigt vor dem Rohr des Jägers sich verbirgt; als im sogenannten Schutze von Gesetzen unter meinen Landsleuten, den deutschen Menschen." — In jener stillen Nacht, in der schauerlichen Einsamkeit des düstern Waldes habe ich das Donnern aus der Ewigkeit, das aus den Mündungen der polnischen Kanonen wieder-hallte, vernommen. Ich hörte, wie der ewige Völkergott in dem Sturmwind der Ideen, der schon Kronen und Throne mit sich fortriß, über die Erde, die der ewigen Geistersonne ihre Lichtseite zukehrte, rauschte. Ich vernahm, wie der Völkergott in den hohen Rath der Helden und Weisen einen Napoleon, einen Luther, Friedrich den Großen, Joseph, Koszinsko, um über das Loos der Völker zu entscheiden, berief. — Ich sah, wie die Geister von Leipzig und Lützen auf den Sternen sich aufrichteten, und den Verbannten und Verfolgten, die man um derselben Freiheit willen, 7 für die deutschen Helden, wie es damals hieß, für König und Vaterland ihr Blut verspritzten, in Kerker und Fesseln warf, ihre Grüße schickten. — Nach die Hölle sah' ich in jener Nacht sich öffnen, und mit den Geistern des Lichtes um die Throne im Streit, die finstern Larven, die nach Blute lechzten, denen man schon so viel tausend Märtyrer der Wahrheit und des Rechtes geschlachtet hat, den schwarzen Bund mit den Obskuranten, Pfaffen, Aristokraten, dem Despotismus schließen, der sich in den Antichambern der Hofleute, den SalonS der Diplomaten und den Kabinetten der Fürsten von Tag zu Tage weiter verbreitet. — Da war es, daß der hohe Priester auch der deutschen Freiheit mich an den Hochaltar des Vaterlandes, an dem so viele Blutströme flossen, rief; und ich that, im Namen aller ächten Söhne des deutschen Vaterlandes, eine« heiligen Schwur, der durch die Ewigkeit, wo die freien Genien und Geister den freien Gedanken der Sterblichen entgegen« jauchzen, getragen, als Einer der vielen Seufzer aus der Brust des Jahrhunderts am Throne Gottes niedergelegt -wurde. Jetzt rührten mich die Thränen und Seufzer von Frau und Kindern, die tausend Thränenbäche der Mütter und Waisen, welche durch alle Länder fließen, nicht mehr. Seit jenem erhabenen Augenblicke weiß ich es; und wenn ganz Europa ein Schutt- und Aschenhaufen, wie Polen würde; wenn alle die Schlachtfelder, welche die Kanonen und Roß und Reuter nicht mehr tragen können, berstend sich aufthäten;— seit jenem erhabenen Augenblicke weiß ich es, daß durch Freiheit die Erlösung deS Menschenge« schlechtes im ewigen Rathe der Gottheit beschlossen ist. Ich wußte es schon damals in der Verbannung, daß der Weltgeist solche Apostel und Kämpfer der Freiheit, 8 wie wir in Schüler heute Einen feiern, in die Kammern und Volksversammlungen senden werde. Wiederum in der Einsamkeit des Gefängnisses, getrennt von Frau und Kindern und Freunden, eine Zeit lang ohne jede politische Lectüre hatte ich Zeit genug, jede Falte meines Innern zu durchsuchen; ich habe Gott und meinem Gewissen mehr als meinen Richtern Rechenschaft abgelegt. — Ein größeres Werk: Die Moral und Religion der Revolutionen, oder wie spricht die Gottheit bei den Aufständen der Völker sich aus? welches ich, (obwohl mir nicht nur das bayerische Strafgesetzbuch, sondern sogar Aretin's und Rotteck'S konstitutionelles Staatsrecht durch förmlichen und feierlichen Senatsbeschluß verweigert wurde) im Gefängniß in Gedanken vollendete, liegt zum Druck bereit. Ich werfe hier nur eine der Hauptfragen unserer Lage, welche besonders in Preußen und Norddeutschland von allen Kanzeln und Kathedern, aus allen Zeitungsspalten wiedertönen, aus: WaS sind Revolutionen? Antw. Große Evolutionen, sittliche AuSbrüche der Sünden, Verbrechen, Laster und Widernatürlichkeiten der Gesellschaft, welche die Nationen zu ihrer ursprünglichen Gesundheit zurückführen. — Was war das Christenthum? Antw. Eine große moralische Revolution, eine geistig aufzitternde Bewegung, welche die Seelen ergriff, und durch Jahrhunderte und Jahrtausende der ganzen Welt sich mittheilte. Hätte Herodes oder Pontius Pilatus, hätte der hohe Rath von Jerusalem ein Censurgesetz gleich dem des H. v. Schenk und deS östreichischen PilatuS in Frankfurt, der sich im Blute der Polen die Hände wäscht, erlassen; wir wären heut 9 zu Tage noch Heiden, und die christliche Religion wäre nicht nach dem bigotten München gedrungen. Die Anhänger des vormaligen Heidenthums mit ihren Götzenpriestern standen nicht anders den ersten Christen, als jetzt die Aristokraten mit ihren Pfaffen den zum Liberalismus Bekehrten entgegen. — Was war die Reformation, jene Vorläuferin der Revolution anders, als eine große allgemeine Aufregung der Geister und Gewissen, in welche das Licht der Vernunft, Wahrheit und ewigen Freiheit durch die dicke Nacht des Pabstthums drang. — Ein geistig aufgeregtes, von mächtigem Wollen, selbst von Leidenschaften bewegtes Volk ist der wunderbarste Anblick der Geschichte. Gerade die Aristokraten, Reaktions-, Restaurations-Congregationsmänner machen der Vorsehung den gräßlichsten Vorwurf. Wenn nicht auf jedem Schlachtfelde aus dem Blute der Erschlagenen der versöhnte Geist des erwachten Bürgerthums aufstieg; wenn nicht hinter jeder Kanone, die in Frankreich, Deutschland, Spanien, Portu-gall, Polen abgefeuert wurde, der strafende, rächende, erweckende Genius der besseren Zeiten, der mit Gottes Stimme aus den Wolken donnerte, stand; — war wirklich die Stabilität, die Herrschaft, die Wiederherstellung der sogenannten guten Ordnung der Impuls des Krieges gegen Napoleon, der alle moralischen, materiellen und physischen Kräfte eines ganzen Erdtheils in Bewegung setzte: — so waren die Schlachten von Leipzig, Waterloo, Wawr unnütz; so waren die letzten 40 Jahre nichts als eine rohe Metzelei, ein blutiges Würgen, Uebereinanderstürzen der Throne, ein Fastnachtsspiel, wo Könige, Feldherrn, Helden und große Bürger hinter den Coulissen hervortra-ten und verschwanden. — Aber ist es nicht mehr als got- 10 teslästerlich, wie jene Gottesläugner und politischen Materialisten, anzunehmen, daß so viel Millionen Menschenopfer geschlachtet wurden, nur damit die Diplomaten in Wien und London aus dem rothen schäumenden Blutkelch, von den Eingeweiden des Volkes rauchend, sich einander auf das Wohlseyn der Aristokraten und Baalspfaffen zutrinken?!! — Nur durch den Liberalismus wird die ewige Gerechtigkeit, der Gott in der Weltgeschichte gerettet. — Und wahrlich, man müßte verzweifeln, wenn nicht mehr über unsern Zeiten, als über der hohen Bundestagsversammlung in Frankfurt und der Conferenz von London schwebte. — Oder ist das höchste Wesen, wie die mystischen und politischen Jesuiten, die Görres- und Eosmänner von Kanzeln und Tribünen predigten und predigen, in unserer verruchten und verlästerten, von Bischöfen und Päbsten und Königen mit Bann belegten Zeit wirklich ausgelöscht? Hat der ewige Weltgeist, wie die Aristokraten behaupteten und behaupten, seine Hand von dem verfluchten, in Sünden, politischen Lastern, Atheismus und Jakobinismus untergegangenen Geschlechte wirklich abgezogen? — Da sey Gott für! Wer ist frech und gottesläugnend genug, irgend eine Zeit, sie sey die schlechteste und verworfenste, ohne ein lebendiges Einwirken der Gottheit zu denken? — Die ewige Liebe empört sich. Wo die Gottheit ihren ewigen Hauch zurückgezogen — Tod und Erstarrung müßte über Herzen und Gewissen ausbrechen; nicht Menschen, starre Leichen, Teufel wären die Figuren. Ihr, die ihr so sehr auf eure Moral, auf eure Religiösität, auf euer Gefühl der Wahrheit und des Rechtes pocht, ich denke der dräuende, der strafende, der furchtbar richtende Gott, dem ihr nur zu 11 oft Hohn spracht, und verläugnet, hat unter Blut und Schrecken mit der Heiligung des Rechts und der Wahrheit unter den Völkern in diesen und den vergangenen schrecklichen Zeiten sich furchtbar und deutlich genug verkündigt. Aber nicht bei den Gebeten der Lippendiener, nicht bei den Messen fauler Pfaffen, nicht bei jenen feigen Prinzen und Emigrirten, nicht bei den Reaktions-, Restaurationsund Congreß-Männern; nein, bei der Aufopferung für Freiheit und Vaterland, auf den Schlachtfeldern von Griechenland, Spanien, unter Polens Kanonen, bei dem Ausrichten und Erheben der Völker ist der ewige Weltgott gewesen. — Gerade die französsische Revolution mit ihrer Kraft, mit ihrer Kühnheit, mit ihren hochherzigen Leidenschaften, mit ihrem Feuer und den Flammen des Geistes, die halb Europa jetzt in Brand setzen und verzehren, hat (so paradox es manchen klingen mag) den Gott der Kraft, des Glaubens in die Geschichte gebracht. Aber jene matten, feigen, niederträchtigen, atheistischen Zeiten vor 1789 sind es, die ihr gotteslästerlich und niederträchtig genug nicht nur zu-rückwünscht, sondern sogar zurückfordert; jene Zeiten, wo die Willkühr auf dem Throne, die feige Wollust, Schwel-gerei und Ueppigkeit der Großen mit ihren Maitressen, der Hoffart und dem Stolze des Aristokratismus an den Stufen des Throns saßen. Freilich die Privilegirten, die hof- und hochgebornen, die besternten, bebänderten Herrn, die nur die Wahrheiten, die ihnen bequem sind, jene Ereignisse und Entwickelungen, welche sie aus ihrer vornehmen Behaglichkeit nicht aufschrecken, in der Weltgeschichte gelten lassen, haben ihre eigene, privilegirte, hoffähige Moral, ihre privilegirte Religion, ihr privilegirtes Recht, ihre pri-vilegirte Weltgeschichte. So ist es denn eine Versündigung an der Moral, 12 an der Humanität, jene Institutionen nicht so weit und breit als möglich in das Volk hineinzuführen. So fordern nach menschlichen und göttlichen Rechten die Völker ihre Erweckung, ihre Erhebung von ihren Fürsten. Hier ist es, wo die Revolutionen sichtbar vom Himmel begünstigt und aus moralischen und sogar religiösen Gründen gerechtfertigt werden. — Ueber diesen Text sollten die Oberhofprediger und Beichtväter, statt über das göttliche Recht der Könige ihre Reden hatten! — Die Theologen haben von einer Todsünde gesprochen. Ich kenne nur eine Todsünde, welche die absoluten Staaten begehen, den Menschen schon in der Geburt, wenn nicht Stand, Rang und Verhältnisse ihn begünstigen, zu töd-ten. Unsere Gesellschaft, wie sie jetzt besteht, ist die Kindesmörderin, die ihre eigene Säuglinge würgt. — Die Last, Verkehrtheit und Unnatürlichst der hergebrachten, bürgerlichen Einrichtungen ist es, welche so viele Tausende und wieder Tausende nicht werden läßt, was sie seyn können, seyn sollen, seyn müssen. Dies ist der Schrei der Verzweiflung, die warnende und mahnende Stimme der Moral, der Ruf der Revolutionen, der durch die Zeiten dringt. — Sollen auf der einen Seite alle Pflichten, auf der anderen Seite alle Rechte liegen? — Das wissenschaftliche Befördern und Heraufrufen der Talente in absoluten oder nicht wahrhaft und rein repräsentativen Staaten an den Thron, ist zuletzt nur eine Phrase. Wie weit reicht mit dem besten Willen der Blick des Fürsten? Und nur die bereits ausgebildeten, durch Glück und Zufall hervorgehobenen Kräfte und Talente kann der Staat gebrauchen. Aber die Möglichkeit der Bildung, die Entwickelung, die Vorzugs- und ausschließungsweise in 13 den Händen der Aristokraten ist, ist gerade das, was vorhergegangen seyn muß. Alle Universitäten, Schul- und Bil-dungsanstatten reichen da nicht aus. Alles, was der Staat für Wissenschaft, Kunst und Bildung u. s. w. thut, wird und kann nur einen, den geringsten Theil des Volkes berühren. — Was hat die Menschheit durch das Abmühen der herrlichsten Genien und Talente, wenn sie durch Geburt und Zufall auf eine niedere Stufe der Gesellschaft geworfen wurden, ehe die natürliche Wirksamkeit sich ihnen eröffnete, verloren? Wie viel hochbegabte Menschen und Künstler, deren moralisches Wollen zu so viel Widerstand von allen Seiten nicht stark genug war, sind durch dies unnatürliche und vergebliche Ringen von jeher dem Staate, der Welt entzogen?— Zwar haben wir außerordentliche Genies und Talente, that- und willenskräftige Charaktere gesehen, die aus innerm Drang zu einem großen Ziele unwiederstehlich getrieben, alle Schranken der Geburt, des Standes, der Verhältnisse umwarfen, oder siegreich und glücklich überstiegen. In der That, die sittliche und moralische Größe, die unerschöpfliche Fülle des Talentes ist es, welche die Sünden der Gesellschaft gut macht, und ihre Lücken ausgleicht. Wer aber kann von dem Einzelnen verlangen, daß er ein Gott sey während tausend andere weniger als Menschen sind, und sich besser in ihrer Ueppigkeit, in ihrem Wohlleben, als jene bei all ihrer edelsten Aufopferung und Anstrengung befinden?! Oder war und ist nicht das Leben bei weiten der meisten großen Künstler, ausgezeichneten Schriftsteller und Gelehrten u. s. w. bis auf wenige Ausnahmen, nur einen fortwährenden Kampf, ein Widerstreben, ein ununterbrochenes Anringen wider Rang, Stand und Geburt, welche die Stellung, die jenen von Natur und Geist gebührt, einnehmen; oder im glücklichsten 14 Falle ein endliches Ueberwinden der Verhältnisse und hergebrachten Formen, die sich ihnen mit falscher Heiligkeit und usurpirten Rechten entgegen stellten? -- Nur der Krieg, große und plötzliche Auf- und Umschwünge der Weltbegebenheiten, wo das Bedürfniß, die Nothwehr des Staates große Männer, Helden und Minister auS den untersten und allen Klassen des Volkes an die Spitze der Heere und Kabinette führt, machen Hievon eine Ausnahme. Aber der Krieg ist eine große moralische Aufregung der Völker, wo der Zustand der Natur in die Civilsation und gesellschaftliche Unnatur Hereintritt; wo dem Manne der That, dem entschlossenen Muthe jeden Augenblick die Laufbahn offen ist; der Hellen Einsicht, der klugen Ueberlegung, der Tapferkeit gegenüber der Feige, der Dumme, der vornehme Alberne sich nicht behaupten kann. Und das ist gerade der schlagende Beweis. Man stelle den gleichen Zustand in den Gerichtshöfen, der Administration, in allen Fächern der Staatsverwaltung her; oder mit andern Worten: man gebe ein wahres Repräsentativstem, eine wirkliche und wahrhaftige Volksvertretung; nur das große, offene, losgegebene Leben, das alle Kräfte bis in die Tiefen des Volks erregt, nur die große öffentliche Bewegung der Nationen, welche die repräsentativen Verfassungen in die Stabilität des Jahrhunderts bringen, kann und wird die Geister zugleich beruhigen und befreien. Nur in einem freien, offenen, bürgerlichen Leben können die Menschen so gut, frei und glücklich, als sie der Himmel haben will, seyn. — Zweckten jene Institutionen blos ab auf den bürgerlichen äußern Nutzen; so wären durch Erlaß eines Steuersimplums Bürger und Bauern leichter, als durch ein Preßgesetz zufrieden gestellt. Jene 15 Begeisterung, die über Tod und Leben auf den Schlachtfeldern, in den Deputirtenkammern und Bürgerversammlungen einen so erhabenen Flug nimmt, ist etwas Heiligeres und Höheres. Und, meine Herren! es ist die Zeit bereits gekommen, wo während der Junker, der Baron, die Freiherrnauf Bällen und Concertsälen, Bildergalerien, Reisen nur die Annehmlichkeiten und Reize des Lebens kosten, der Bürger, der Bauer, der Handwerks- und Geschäftsmann, der nur Druck und Steuern und Zehnten kannte, der in den Amts- und Polizeistuben ein Esel über den andern gescholten wurde, anfängt, aus der Werkstätte, vom Pfluge, vom Ambos, aus dem Comptor und Laden als Mensch und Bürger hervor in die Wahl- und Bürgerversammlungen und Deputirtenkammern zu treten. Jenen Zustand des Rechts, der Freiheit, des entfesselten Geistes herbeizuführen, die Würde des Menschen, des Bürgers zu retten, Moral, Bürger- und Christentugend, die Blitze der Wahrheit und ewigen Gottheit in die Wolken der Zeit hereinzuführen — wer vermag es: Allein die freie Presse! Wenn man nur die Sicherheit der Staaten, die Würde des Thrones, die Heiligkeit des Gesetzes, und wie die abgenutzten ministeriellen, stabilen oder vielmehr aristokratischen Redensarten weiter heißen, bei den Daclamationen gegen die freie Presse aus dem Spiele lassen wollte. Die ahnenstolze, hochgeborne Bornirtheit muß dem bürgerlichen Hausvorstande eine ziemliche Portion Dummheit zutrauen. Was wird denn selbst bei dem größten Erfolg der freien Presse geändert? Antw. Daß vielleicht ein Bauers- und Bürgerssohn, wie die Generale und Präfecten Napoleons, den Kittel aus, die Minister - Generalsuniform anzieht, daß die Könige statt hoffähiger Dummköpfe und dressirter

Original: Deutsch

16 Puppen auf der Wachtparade, am Thon und in den Anti-chambern bürgerlichen Verstand, das Licht, die Biederkeit und Weisheit des Volkes um sich haben. Das ist das ganze ungeheure Räthsel der Zeit, das kein Fränzel, kein Philipp, kein Ludwig, kein Friedrich; wie es scheint, nur ein Wilhelm IV. in England begreift *). — Lassen sich die Fürsten nur von dem Geschwätz von Zufriedenheit, Sicherheit und Anhänglichkeit, welches diejenigen um und in der Nähe des Thrones führen, welche Rang, Ehren, Einkommen, Einfluß bei dem bestehenden absoluten Systeme, wie in Preußen, besitzen, bethören. Unter den Thronen, die auf Leichen aufgebaut sind, rühren sich die alten Gebeine. Noch über den Gräbern der Könige, wo alsdann leicht ein anderer Ruf als der': es lebe die Charte! ertönen dürste, werden die Zuckungen der Partheikämpfe, wird der Trommelwirbel sich erheben. — Unter die Männer und Greise, welche damals, als sie im heiligen Kriege die Waffen für Freiheit, und Vaterland ergriffen, noch Jünglinge waren, unter ihre in Schlachten und Gefechten grau gewordenen Kameraden, die Landwehrmänner von der Katzbach, auf daS Schlachtfeld von Leipzig, unter die benarbten und zerschossenen Krieger von Waterloo, welche aus tausend offenen Wunden bluteten, sollten die deutschen Fürsten, statt unter die Aachner, Karlsbader und Laibacher Diplomaten, Wiener und Berliner Kabinetsmänner und Groß - Inquisitoren deS *) Nur die kleine Unbequemlichkeit erwächst für die Fürsten, daß sie der kleinen Launen und Eitelkeiten aus Schaam vor Verdienst, Bürgertugend und moralischer Größe sich begeben müssen, und nur bei dem in den Appartements sitzen gebliebenen Hofdomestiken-Adel die Kuppler für ihre Liebschaften, Wohl- und Augendiener für ihre Vortrefflichkeiten Anden werden. 17 deutschen Bundes traten. Wenn der König von Preußen mit den Geistern von Blücher, Scharnhorst, Stein, Friedrich dem Großen statt mit Hrn. v. Kampz und dem russischen Gesandten einen Staatsrath hielte; so würden die Bundestags- und sonstigen Beschlüsse anders ausfallen. Der Liberalismus er ist mit der rothen Mütze, mit der republikanischen Fahne: Schutz den Hütten, Krieg den Palästen! mit dem Consulmantel in die Weltgeschichte getreten, und die Zepter der Könige haben sich vor seinem blanken Schwerdt gebeugt. Er stand hinter Napoleons goldenem Kaiserstuhle. Er hat als Geist der Wissenschaften in Preußen, wo sie ihn, ohne daß sie es wissen, in ihren Hochschulen, Akademien, in ihren Militärschulen, Universitäten beherbergen, Eingang gefunden. In dem deutschen Freiheitskriege 1814 hat er sich gegen die Franzosen, die ihm ungetreu geworden, zu den Waffen der Deutschen gewandt. Die preußischen Landwehrmänner bei Jüterbock, an der Katzbach, bei Leipzig haben sein Kreuz getragen. In dem Kabinette von St. James ist er auf und abgegangen. Es ist derselbe Geist, der, als Deutschland und Europa an seinen Siegen gleichsam ermattet, die Diplomaten ihn ausstießen, nach Griechenland sich flüchtete; und von dort aus, als die heilige Allianz ihn einen Rebellen nannte, ist er Anno 30 mit allen Attributen der Legitimität in Frankreich auf den Thron gestiegen. Aus der Mitte der schlagfertigen Colonnen, welche der Absolutismus nur für sich bewaffnet glaubte, ist er in Spanien und Portugall hervorgetreten. Er hat es versucht mit Constitutionen, Republiken, Charten, Bürgerkönig-thum. Dieselben Kanonen und Bajonette sind für und gegen ihn gerichtet gewesen. Durch das Blut und die 2 18 Gräuel der Schreckenstage, durch den Despotismus Napoleons, der das alte Regime niederwarf, hat er sich hin-durchgewunden, — ich sagte den Despotismus Napoleons, jenes bewunderungswürdigen Gewaltmenschen, der alle Rechte auseinanderriß, Habe und Gut und Besitzthum, Königreiche, Stände, wie einen alten verbrauchten Hausrath übereinanderwars,an Thronen und Staatsgebäuden so lange rüttelte und schüttelte, bis aus dem Trotz und Widerstand der Verzweiflung, an denen er selber unterging, nun der junge Geist des Muths und des Selbstgefühls, der jetzt die Welt bewegt, erwachte. — Durch die Restau-rations- und Reactionssysteme des wiedereingeführten alten Regimentes hat er seinen Weg zu den Barrikaden, bis in die Sümpfe Polens, wo er seine siegreiche Fahne auf-pflanzte, gefunden. Wer will ihm widerstehen? Sein Wesen ist der Sieg. Die Menschen haben ihn mit Blut und schwarzem Verrath befleckt, er selbst, der heilige Genius, ist rein geblieben. Alle jene Deutschen, welche aus den Schlachten von Leipzig und Waterloo kamen, und ihre Waffen an den Gräbern und Altären, wo die Wittwen und Waisen der gefallenen Helden weinten, niederlegten, sie wußten es, was der Weltgeist ihnen versprochen hatte. Die heiligen Todten, die freien Geister auf den Sternen, welche für Vaterland und Freiheit gefallen waren, sie führten mit ihnen das heilige Freiheitsgespräch, das jetzt nur einen gemeinschaftlichen Ausdruck unter allen Völkern hat, in der heiligen Stille des Gemüths fort. So ließen sie sich durch das Federgeräusch der Diplomaten in Wien, Carlsbad und Aachen nicht stören. So ließen sie die Protokollführer auf dem Bundestage die diplomatischen Tintenfässer mit dem Blute von Leipzig anfüllen, um sie nich 19 für das deutsche Volk, für die Reichsfreiherrlichen, für die Standsherrn, für die Mainzer Untersuchungsacten leerzuschreiben. Ob ein Hr. v. Gentz oder v. Münch-Bellinghausen die Diplomatenfeder ansetzt, ob ein Metternich oder Kampz, ein Russe oder Oestreicher Conferenzschreiben, Instruktionen für den deutschen Bundestag erläßt: die freien Ideen sind den Diplomaten aus der Schute entwachsen; die Ereignisse, welche drängen, strömend anschwellen, die Fluth der Weltgeschichte, welche in Wolkenbrüchen die Kabinette ersäuft, schlägt den Diplomaten und Königen über dem Kopfe zusammen. Der Zeitgeist, der seine lancastersche Methode des Liberalismus im Großen treibt, hat auch in Deutschland eine Lehranstalt des wechselseitigen Unterrichts errichtet, wo jeder deutsche Volksstamm, so lang an seinen Constitutionen und Institutionen buchstabirt und syllabirt, bis wir Freiheit, Einheit, Gleichheit! so laut, daß die Berliner, Wiener und Frankfurter Bundestagsschulmeister mit ihren russischen Knuten nicht mehr zum Worte kommen, in die Weltgeschichte hineinlesen. — Ein ganzer Welttheil ist voll Hoffnungen, Wünsche und Befürchtungen. Wir haben die größten Tage der Weltgeschichte gesehen. Die Tage unerwarteter, mächtiger Ereignisse und historischer Entwicklungen sind wieder neu gekommen. Man hat, und man braucht nicht mehr zu untersuchen, mit welchem Rechte, gesagt: die Völker haben sich größer als die Fürsten gezeigt Heil dem Manne, Heil dem Bürger! der, als die Gekrönten, Diplomaten, die geistlichen und adligen Pharisäer, die Pfaffen und Aristokraten von Gottes Gnaden vor dem Julidonner, der den neuen Eintritt des Völkerheilandes in die Weltgeschichte verkündete, mit 20 ihren Bösen Gewissen erzitterten und erschracken, den freiere Gott der Zeit in seiner Brust erkannte. Heil und unsterblichen Ruhm ihm, dem ächten Volksvertreter, der, als die Könige und Mächtigen der Erde jenen Heiland, den sie schon einmal an das Kreuz der heiligen Allianz geschlagen, die Mündungen ihrer Kanonen und die Spitzen ihrer Bajonette in Polen, und die diplomatischen Galladegen, Orden, Titel und Sterne, königl. Vetos, Hofintriguen in den deutschen, fanzösischen und englischen Kammern entgegenhielten, — Erleichterung von Steuern, Druck und Abgaben und Schwelgerei der Höfe, welche zuvor von den Leibern genommen werden müssen, ehe die Geister sich aufrichten können, Unterordnung der materiellen und physischen Kräfte, der Finanzen, des Heeres als Mittel unter die sittlichen und moralischen Zwecke der Gesellschaft laut und unerschrocken wie Keiner zu verkündigen wagte. — Heil, dreimal Heil und unsterblichen Ruhm Ihm, dem Fels der Patrioten, dem Stolz der Bürger, Ihm, der als die Worte und Mahnungen der Volksvertreter an den Thronen umsonst verhallten; als nach dem Falle Warschaus die Partei der Finsterniß, Willkür und Barbarei, die bis dahin im feigen Hinterhalte lauerte, jene Larven der Diplomaten off'ner aus den Kabinetten hervortraten, und die Kämpfer der Freiheit, denen Sieg oder Untergang Pflicht, der leiseste Schritt des Schwankens ewige Schande war, unter dem Panier der sogenannten Mäßigung gerade im entschiedensten Augenblicke des Gefechtes laß und müde wurden; — Heil ihm! der ungleich so vielen wohlredenden und geschwätzigen Söhnen dieser phrasenreichen Tage, dem servilen und liberalen Geschwätz der Salons und Journale schweigend die That entgegensetzte. Die That 21 sagte ich, — die Stiftung und Aufrechterhaltung des Preßvereins wider das Verbot der Könige, die seinen Stifter mit Hochverrath bedrohten, die den halbgesunkenen Bürgermuth in so viel tausend Brüsten Heller wieder entzündete, — hat sie nicht nach wenig Wochen und Monden das Gepräge einer weltgeschichtlichen Thatsache voll unermeßlicher Folgen nicht nur für Deutschland vor den Augen von ganz Europa angenommen? — Kein gedrücktes Leben voll Niedrigkeit, Entbehrung, Unbemerktwerden, Vergessenbleiben, wie es jene Genußmenschen in dem Wörterbuche der „Revolutionäre" stehen haben; nein ein glückliches Familienleben, eine heitere, jeden Genuß des Lebens gewährende Existenz, Reichthum und Ehre und Gesundheit (hört es, und nehmt es euch zum Muster, ihr Besitzenden und Reichen!) hat Schüler dem Vaterlande und der Freiheit zum Opfer gebracht. Hinweggerissen werden, aus den Armen einer liebenden Gattin, weinender Kinder, ich weiß, was es bedeutet. Schüler, an dessen, durch die Bürgerkrone geweihtes Haupt die Hand des Häschers aus Furcht vor der Rache des Volkes sich nicht zu vergreifen wagte, hat die Schrecknisse des Gefängnisses nicht gefürchtet. — Im Namen derjenigen deutschen Schriftsteller, welche an Bürgersinn und Bütgerstolz dem großen, bayerischen Todten, der heute dem großen Lebenden seine Größe über das Grab hinüberschickt, gleichen, die sich nicht als gelehrte Troßknechte den Höfen und Verlegern ver-miethen, nicht von Hofdamen, sondern von Männern und Bürgern gelesen werden wollen, lege ich die Werke We-stenrieders des deutschen und bayerischen Volksschriststellers: Die Lieder aus dem Gefängnisse, Früchte 22 meiner Verbannung, meiner Einkerkerung heute auf dem Altar der Bürgerfreiheit nieder. — Ein deutscher Mann, den der Jubel der Bürger aus dem Gefängnisse kaum begrüßte, hat die feige, verachtete deutsche Journalistik durch Muth, unerschrockene Kühnheit zu Ruhm und Ehren gebracht. Möge aber auch der Preßverein dahin wirken, daß während der junge Geist der Tage in den Journalen geschäftig ist, die alten, kernhaften, deutschen Freiheits- und Wahrheitsgedanken auf den Bücherbörten nicht verdorren! Die Opposition sagt mit Recht: der Bauer und Bürger soll nicht für den Adel und die Pfaffen die Steuern; aber die Abonnenten sollen auch nicht für die Kaffehausschwätzer und Maulhelden ihre Aktien und Abonnentengebühren zahlen. Was könnte aus der Literatur, der Politik, dem Leben werden, wenn den rechten Geistern das Leben offen stände. Schülers Beredsamkeit hat meine Muse aus dem Gram um Freiheit und Vaterland mit ihrem Donner aufgeweckt. Ich, der ich lange, lange Jahre jede Größe, jede Bürger- und Mannestugend entbehrte, ich werde nun und nimmermehr den erhebenden Augenblick, als ich Schüler mit den Augen und Ohren des Dichters, und Bürge des neunzehnten Jahrhunderts zum erstenmal in jener merkwürdigen Sitzung über das Militäretat in der bayerischen De-putirtenkammer reden hörte und sah, vergessen. Meine Muse hat den Königen zum Gedächtnisse das Bild des Bürgers, des Volksdeputirten, der die Aristokratien aller 32 deutschen Höfe und die Krähwinkler Diplomaten in Frankfurt wie in Berlin, fast eben so sehr, als die polnischen Kanonen in Schrecken setzte, an die Kerkenwände gemalt. Ein Mit- *) Dr Wirth. 23 bürger, der in diesen Zelten, wo man mit Gewehrkolben censirt, und selbst die literärischen Wuchrer und Spekulanten feig von den Pressen zurück treten, sich Verdienste erwarb, wird die Lieder und freien Nächte im Gefängnisse dieser hochansehnlichen Versammlung zur Ehre seines großen Landsmanns in Kurzem vorlegen. Hier nur einige flüchtige Pinselstriche: Wie wenn in einem Saal geputzter Herrn und Frauen *) Im eleganten Frack, modernem Zuschnitt, Dom marmornen Piedestahl ein alter Brutus, Ein Kato niederstiege unter die Wachtparaden-Helden Mit Federhut und Tschakko, unter die Karikaturen Der Ministerien in Uniform mit Galladegen — Man weiß nicht, soll man lachen oder weinen? — Wie aus Ruinen, Wo man nur Todte glaubt, die riesige Gestalt Des Wandrers dich erschreckt: Ein fremder Gast, so trat'st Du von den Höhen Der Vorzeit in die Zeit, ein unvollkommner Bote Der Freiheit, sie ist des Freien kaum noch würdig Die Sklavendienste als Hofmagd gegen Pensionen, Titel Und Orden gern verrichtet. Ein edler Gram zog Furchen Auf diese Stirn, der Stolz der Mannheit blitzte Aus diesem Feuerauge. Nicht scharfer Spott, ein Lächeln kaum Auf deinen Lippen waren Dolche Für Höflinge. Und wenn die dunklen Braunen Dom Zorn des Rechtes sich zusammenzogen; zitterten Die feigen Schurken, und Bürger überflog Des freien Mannes Schamgefühl und Würde. O diese Lippen Auch ohne Rede waren sie beredt; Wo Du gingst, Ging Freiheit unter Ehrenbogen *) Freie Nächte im Gefängniß. 24 Mit solcher Siegerhoheit, Mit solchem Trotz des Siegs in Mien' und Blick, In Gang und Stellung, als bedürft' es Nicht erst der Kämpfe, nein nur des Triumphs! — Wie duckte in die Ecke sich das seid'ne Völkchen, Das wie'n gebiss'ner Spitz vor Wahrheit Sich schmiegt und biegt, den Schmerz einsteckt und winselt. Wollt ihr wissen, warum die Zeit so klein? weil sie so schlecht; Talent ist käuflich, Muth nicht satt zu füttern Mit Rang und Ehre; Verstand er geizt nach Renten. Im Eisenpanzer standest Du der Redlichkeit, Und alle Pfeile falscher Schützen, die zitternd Mit feigen Händen ihren Dogen spannten, Sie prallten ab an Deinem Muth, an Deiner Klugheit. O Du, bei dem vereint Kraft, Einsicht, Helle des Verstandes, Ein Gedank' aus diesem Kopf' ist mehr werth, denn Portefeuillen Voll Faselein und Phrasen von zehn Schenk'schen Und Wallersteinschen Ministerien. Kühn von Entschluß, besonnen In Ausführung, ein Niese von Charakter, unbeugsam An Willen, redlich, unerschütterlich Von Grundsatz! — Dieß ist der Mann Wie ihn die Zeiten fordern, nun will ich glauben An Größe des Jahrhunderts. Deine Worte fallen, Des Patriotismus Saamen in die jungen Herzen, Die Saat der Thaten sproßt in vollen Aehren, Die Zukunft sammelt Garben. So steigt . Aus seiner Bürgermitte, von Verdienst erhöht, Ein Präsident auf seinen Stuhl, so stieg Der röm'sche Konsul, er, der Erste nicht an Rang, An Bürgertugend, auf den curulschen Sessel, Die Freiheit hatte Nie einen würdigern Repräsentanten; Nur einen Mann wie Schüler 25 In jeder Deputirtenkammer, Nur einen Mann wie Schüler In jedem Staatsrath: und Napoleon Er wär kein kaiserlicher Autokrat, Vor Bürgertugend hätte geneigt sich sein Genie. — Doch meine Muse, die du schüchtern flohst Dom Tische des Gefangenen, aus dem Wasserkrug Begeistrung trinkend, wenn der Tritt Des Häschers dir verscheuchte die Gedanken, Du konntest nur Mit Reimen, wie mit Ketten rasseln, An Eisenstäben blühen keine Blumen, wie Todte In ihren Särgen modern matt und bleich, Gespenster in den kahlen Wänden, zehrten Sich die Gedanken auf. Kann man im Kerker Den Freien würdig singen? Ihn Der Freien Freiesten, des Volkes Zier, Den größten Patrioten, Ihn, den ersten Bürger? Wenn frische Luft Vom Rhein um des Gefangenen bleiche Wangen fächelt, Der deutsche Strom, die Eichenwälder brausen, In milder Frühlingssonne Strahlen pflücke Im grünen Eichenhain zum Bürgerkranze Die frischen Blätter, denke wieder Die kühnen Worte, mächtigen Gedanken, sammle Die Blitze, die er warf dem Höfling ins Gesicht; und wenn Begeist'rung dich erfüllet, wie sie Seine Brust, Ein tiefer, stiller Strom, mit wenig Geräusch, doch vollen Wogen Durchzieht: dann setze dich Auf einen Fels am Rhein, und greife kühn In deine Saiten, Freihettslieder stürmend: Dann treten die Bürger aus den Häusern, Ein ganzes Volk versammelt sich — „Mein Talent, m. H.! hat den Jammer zum Vater, die Armuth zur Mutter, die nackte Noth, das Elend und die 26 Verzweiflung zu Schwestern und Brüdern, die Sünden und Laster, die aus den scheußlichen Umarmungen jener entspringen, zu lebenslänglichen Begleitern und Gespielen gehabt. Meine Muse, welche bald mit dem büßenden Angesichte einer Magdalena Reue und blutige Thränen über die Greuel und Verworfenheit einer niederträchtigen Zeit schluchzend gen Himmel weinete; bald als ein feuriger Rache-engel in die Schlösser und Palläste, um fürchterlich Gericht zu halten an der Hand der Natur und ewigen Wahrheit herniederstieg — diese Thränen- und Feuermuse hat alle die finstern Höhlen des Elends, die schwarzen Gemächer des Jammers durchkrochen, wo dem ab-gemagerten Fleiß das Blut und der Schweiß unter den Nägeln hervor auf das halb verfaulte Strohlager quillt; während die vornehme Ueppigkeit aus dem wollüstigen Rosenbette der Industrie faullenzend mit Austern und Renten sich mästet.*) „In meinem Gefängnisse, als Religion, Wissen, Poesie, das Dreigestirn unseres christlichen modernen Lebens, dem nur noch die Freiheit, damit alle Himmlischen auf Erden wandeln, fehlte, mich trösteten, sprach die Freiheit: *) Aus dem confiscirten Lebewohl. Diese Schrift, welche die 2te Auflage binnen 14 Tagen erlebte, und wenn die Verleger in Bayern einigen Muth besäßen, während meiner Gefangenschaft noch mehrere Auflagen erlebt hätte, ist ein Beweis mehr: daß man in Bayern die Gerichte unter Polizeiaufsicht gestellt hat; nach §. 4 der Verfassung soll den Gerichten die Bestrafung der Verbrechen und Vergehen durch die Presse vorbehalten bleiben. Herr Fürst von Wallerstein, dieser gewissenhafte Beobachter der Verfassung, nimmt sich als ein gewandter Höfling die Freiheit, vor dem Urtheilsspruch des Appellationsgerichts den Verfasser wegen Hochverrath, Majestätsverbrechen, Aufruhr und beleidigter Amtsehre des Herrn Ministers einzukerkern, und den Verleger zu gleicher Zeit mit Confiscation zu bestrafen. 27 Die Freiheit.*) Die Freiheit sprach: »Des Knaben Sehnen War schon des Dichters Lorbeerkranz, Doch ach! mit Blut und heißen Thränen Benetzt' ich seinen lichten Glanz. Des Jünglings Busen will zerspringen Von der Begeist'rung voller Glut; Wer will der Freiheit Lieder singen, Muß opfern ihr sein letztes Blut. Für ihres Volkes Ruhm und Stärke Ist nicht der Dichter Herz erglüht, Sie schreiben über ihre Werke: „Politisch Lied ein garstig Lied!" Getrunken haben sie, gegessen, Wo der Champagnerstöpsel flog, An großer Herren Tisch gesessen; Als Schlacht und Sieg vorüberzog. Sie haben in den Kreis bei Hofe, Wenn man ein Festspiel arrangirt, Als unterthän'ge Kammerzofe Die deutsche Muse eingeführt. Um Titel, Orden zu verdienen, Schwang sich Genie auf Rang und Höh, Doch deutsche Bürgerkronen grünen Im großen Zirkel nicht beim Thee. Du hast dich mir mit heil'gen Schwüren Auf Tod und Leben hoch gelobt; Ich mag dich in Verbannung führen, Du hast die Treue gleich erprobt. Das Aug' es kennt ja keinen Schlummer, Das nur für die Geliebte wacht, Du hast auch in des Kerkers Kummer Beim Wasserkrug nur mein gedacht. *) Lieder aus dem Gefängniß. 28 Der Dichter. Wo du dich zeigst, du Engelsgleiche ! Was ist der Ketten Last und Graus? Doch ihre Länder, ihre Reiche Sind nur ein groß GefangenhauS. Ein tiefrer Kerker war mein Leben, Und Noth und Hunger mein Gewinn , ES hat der Staat mir nichts gegeben,' Daß ich im Thurm sein Schuldner bin. Ich weiß nicht andern Gott und Glauben, Dir gab' ich Jugend Weib und Kind; Könnt ihr mir andre Güter rauben, Die meinem Herzen theurer sind? Und wenn schlau dieß Geschlecht der Schande In Rang und Ehren furchtsam schlüpft, Zerbrech' ich auch die letzten Bande,' Die mich an's Joch der Zeiten knüpft. Ha! Meinung, Ansehn, Vorurtheile — Was sind sie? Schall nur hohl und leer. Der Wahrheit lichte Flammensäule Zeuch' du vor dem Jahrhundert her. Wenn von den Sonnenhöh'n der Zeiten Schaut schwindelnde Vernunft herab; So werf' ich die Bedenklichkeiten Hier tief in meines Kerkers Grab. Was keiner wagt, ich will es wagen, In Ketten trotz ich der Gefahr, Mit meinen Fesseln will ich schlagen Wie David die Philisterschaar. Und müßt' ihr mit Kanonen kriegen, Läuft auf Congressen man zu Hauf', In Feuer- und in Flammenzügen Mit Blut schreibt meine Verse d'rauf. 29 Mitbürger! Diese meine Volks- und Freiheitsmuse war von den Aristokraten des Wissens und der Literatur, als sie den Weg zu Hof und Ehrenstellen, durch Akademien und Antichambern nicht mit ihnen ging, nicht be- und mißachtet. Nun, so weiß sie, wie es Ver- und Unbeachteten zu Muthe ist, und ist ferne von dem Ahnen- und Zunftstolz der Genies und sogenannten excellenten Geiste, demüthig als die Muse der Armen und Bedrängten, unter dem Volke, das selbst so manche liberale Aristokraten mit Achselzucken über die Schulter ansehen, stehn geblieben. Es ist Zeit, daß die Bürger- und Vokskräfte erwachen, und die Schriftsteller und Journalisten in das Volk zurück treten.— Die Großen, die Mäcenaten haben sie nicht in ihren Sold genommen; nun so darf sie dem Handwerker, dem Kaufmann, dem Bauer und Bürger, der seine 6 kr. in den Opferkasten der Freiheit beisteuerte, deutsch und ehrlich die Hand zum Dank drücken; und der Dichter des Volkes braucht nicht an den Pforten und Thüren der Gewaltigen um Pensionen und Gnaden zu betteln; in den Vorzimmern geadelter Buchhändler, gleich den Redactoren der freiherrlichen Cotta'schen Allgemeinen Zeitung mit Bücklingen und Kratzfüßen zu kriechen. Die Könige haben sie verbannt; nun wohlan denn; mögen freie Bürger ihr eine Heimath geben! Sie, die Himmlische, ist aus den Palästen der Fürsten, wo man das Recht und die Wahrheit nicht zu Gaste lädt, hungrig herausgegangen; ich bin überzeugt, daß jeder Rheinbayer in der ärmsten und niedrigsten Hütte seinen letzten Becher Wein, sein letztes Stückchen Brod mit dem verbannten Harfner theilen würde. Durch den Richterspruch unabhängiger Richter, die sich nicht zu Stockmeistern des Zeitgeists erniedrigen wollten, welche das Henkerschwerdt, das von dem Blute der 30 Bürgeropfer die Aristokraten schon triefen sahen, von dem Vaterlande hinweggezogen, ist die gefesselte Freiheitsmuse aus der Münchener Bastille befreit. Aber setzen Sie mich, meine Herren! in den Mäusethurm am Rhein, stellen Sie Leyer und Schwerdt, einen Krug Wein mit Brod in die Ruinen hinein; lassen Sie, wenn meine Kinder, alsGenien, ein Kahn auf dem liederreichen, Begeisterung brausenden deutschen Strom herüberträgt, der ewige Gott der Freiheit von seinem Donnersitze mit mir redet, meine Lieder von den Lippen eines rheinischen Mädchens von fern ertönen; — und Sie haben meinem Genius, der von seiner Wiege an in Ketten schmachtete, mehr Licht, Luft, Freiheit, als in dem königl, Hannov. Staatsgebäude, wo die königl. adeligen Stockmeister meinen armen Landsmann König nun schon seit Jahr und Tag in Banden und Eisen halten, gegeben. Es ist drückend und unerträglich für den Schriftstel-der, für das selbständige Talent von den aus dem Schweiß des Volkes erpreßten, üppigen und geraubten Allmosen ler Höfe, der nur für Schmeicheleien, gelehrtes oder un-gelehrtes Speichellecken ausgetheilt wird, — jeder Ehrenmann wird lieber trocken Brod essen und Wasser trinken! — zu leben. Aber was ist ermutigender, belohnender, als die Steuer der Wahrheit, der Vaterlandsliebe anzunehmen aus den Händen des freien Bürgers, der von dem durch die Lieder des Dichters erhöhten Tagewerke und Geschäfte dem Geiste die Zinsen abträgt? —- Ja, diese Kreuzer, meine Herrn! werden manchem von großen und kleinen Tyrannen zertretenen Geiste den Druck und das Kreuz von Geist und Herzen nehmen. Diese Kreuzer, meine Herrn! werden ein Kreuz au die mit dem Fleiß und Schweiß der Bürger angefüllten Cassen des 31 Staates machen, daß die Hofpensionisten und Publizisten- die Hofschmarotzer-Pensionenritter und Poeten mit ihren Händen nicht nach dem Gute des Volkes greifen. — Diese Kreuzer, meine verehrten Mitbürger! werden Kindern und Kindeskindern so viel tausend Kreuzer und Gulden für die Denuncianten und Polizeispione, die Saphir und Lindner, welche die Patrioten mit ihren feiten, erkauften Witzen und Lügenkünsten verhöhnen, ersparen. Diese Kreuzer sie werden alle kühnen Geister und hochsinnigen Talente, denen von den Königen kein Sold ausgezahlt wird, alle edlern Kräfte und Gedanken, die noch im deutschen Volke schlummern, in den Dienst des Vaterlandes und der Freiheit rufen. Diese Kreuzer werben die tausend" Millionen, welche die Wollüstlinge, Schlemmer und Hurer der Höfe auf Kosten des Staates in Gottes over des TeufelNamen verzehren, dem Bürger und Bauer abnehmen; diese Kreuzer werden die große Schuld der Könige, welches die Gekrönten seit Jahrhunderten für Freiheit, Geist, Talente, Bürgerglück und Wohlfahrt betastet, au dem Vaterlande, an der Menschheit abtragen. Vor diesen Silberkreuzern — o sehen Sie doch, meine verehrten Mitbürger! wie die goldenen und silbernen Kreuze der Besternten und Bekutteten zittern und abfallen! Schon ist, während wir hier bei Schülers Ehrenbecher mit stolzen Herzen am freien Bürgermahle saßen , den Bundesdiplomaten in Frankfurt zu den Noth-schild'schen Diners der Appetit vergangen. — Aus diesen Kreuzern ist Schülers Ehrenbecher geschmolzen. *) Der Jubel und die Toaste ließen den Sprecher kaum ausreden! 32 Dank, Ehre und Preis Schüler dem Bürger, der uns ein Fest gab, daS kein König mit allen zusammengepraßten und gehäuften Millionen uns geben konnte und wollte. Dank und Preis jedem rheinländischen Bürger, der meiner bis jetzt nur in die traurige Einsamkeit der Verbannung und die Winkel des Gefängnisses zurückgescheuchten Muse, Gelegenheit gab, die Begeisterung der Freiheit, des Rechtes, Bürgerstolz und Bürgergefühl in nicht erdichteten Liedern in das ganze deutsche Vaterland im Hellen Jubel hinaus zu singen und zu klingen! — Heil jedem Bürger, jedem Deutschen, der nicht so glücklich wie ich, durch Preußische, Hannovrische, Braunschwei-gische, Sächsische Geistes-Cordons, Censoren, Polizeispione, welche unter Blüthenbäumen lagern, hindurchzustehlen, nur im Geiste hier an diesem Feste der Freiheit und der Bürgertugend zugegen ist. Möge jedes deutsche Herz, wie hier in dem großen Pulsschlag für Freiheit, Einheit, Gleichheit, Erlösung des Einen großen schönen Deutschlands zusammenschlagen! Heil Deuschland! Heil allen freien Völkern! Heil Ihm, den die freien und gedrückten Völker als ihren Retter und Befreier ehren Heil Friedrich Schüler! —

Literatur

  • Dr. Britta Hallmann-Preuß, Georg Karl Rings, Dr. Fritz Schumann (2009): Johannes Fitz - genannt der Rote. Bad Dürkheim
  • Herausgeber Kulturministerium Rheinland-Pfalz (1982): Hambacher Fest 1832-1982. Neustadt an der Weinstraße
  • Hrsg. Kultusministerium Rheinland-Pfalz (1990): Hambacher Fest 1832 Freiheit und Einheit - Deutschland und Europa (Katalog zur Dauerausstellung). Neustadt an der Weinstraße
  • Kurt Baumann Hrsg. (1982): Das Hambacher Fest - 27. Mai - Männer und Ideen. Speyer
Verfasst Verfasst
1832
Ernst Ludwig Große
Gedruckt Gedruckt
1832
Georg Ritter (Verleger)
Zweibrücken
Wurde erwähnt Wurde erwähnt
1832
Friedrich Schüler
1831 1834
Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Objekt aus: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Der über 2000-jährigen Tradition des Weinbaus in Bad Dürkheim entsprechend, ist das Stadtmuseum in einem ehemaligen Weingut untergebracht. Auf über...

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