museum-digitalrheinland-pfalz
STRG + Y
de
Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz [2013/0061]
https://rlp.museum-digital.de/data/rlp/resources/documents/202111/25143142263.pdf (Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir (CC BY-NC-SA)
1 / 1 Vorheriges<- Nächstes->

Broschüre: "Freie Wahl und Freie Presse in Bayern"; Zweibrücken, 1831

Kontakt Zitieren Datenblatt (PDF) Entfernung berechnen Archivversionen Zum Vergleich vormerken Graphenansicht

Beschreibung

Aufsatz: "Freie Wahl und Freie Presse in Bayern"; Zweibrücken, 16 Seiten,1831.

Als Verfasser zeichnet am Ende der Schrift ein Dr. S. verantwortlich, bei dem es sich mit ziemlicher Sicherheit um Dr. Siebenpfeiffer handelt.

Er behandelt hier die mangelnde Freiheit von Wahlen im Königreich Bayern, wobei er weniger dem König, als seinen "Ministerial-Creaturen" die Schuld dafür gibt. Er gibt exemplarisch eine Eingabe von Würzburger Bürgern, die Bürgermeisterwahl betreffend wieder.
Weiterhin lässt er sich über Fragen der Pressefreiheit und der Zensur aus. In diesem Zusammenhang setzt er sich mit der "neuen bayerischen Censurverordnung" auseinander.
Zum Schluss vermeldet er, dass der von ihm herausgegebenen Zeitschrift "Rheinbaiern" die Zensur drohe und dass man sich dagegen juristisch zur Wehr setzen werde.

Gedruckt wurde die Schrift bei G. Ritter in Zweibrücken.
Auf dem Titelblatt ist eine Druckerpresse abgebildet.

Material/Technik

Papier, weiß; schwarz * bedruckt

Maße

Breite/Länge: 13 cm; Höhe: 20 cm; Tiefe: 1 cm

Abschrift

Original: Deutsch

Freie Wahl und Freie Presse in Bayern. _______________ Zweibrücken, 1831. Druck und Verlag von E. Ritter. _______________ Preis 9 Kreuzer. 3 Bayerns Schrei. _______________ Das bayerische Volk, ernst und würdig wie alle Völker, die ihrer gerechten Sache gewiß sind, harrete zwar voll Sehnsucht, aber auch voll Vertrauen in die Weisheit seines Königs und auf die im Volke selbst lebende Kraft seiner Institutionen, des Augenblicks, wo Ludwig die Deputirten des Landes um seinen Thron versammle, damit Er in einer stürmisch aufgeregten Zeit am einhelligen Ruf hingebender Anhänglichkeit sich erquicke; damit Er den erneuerten Schwur unverbrüchlicher Treue vernehme, den jene Abgeordneten abzulegen freudig sich hindrängen; zugleich aber, damit sein königliches Herz, das wie jenes Seines unvergeßlichen Vaters nur im Glücke des Volkes sein eigenes finden will, den gerechten Klagen, Wünschen und Beschwerden dieses Volkes theilnehmend sich öffne, und damit seine Regentenweisheit, verstärkt durch den Beirath der freimüthigen Wortführer eines freien, biedern und aufgeklärten Volkes, die Mittel sicher finde, um die Wunden des Vaterlandes zu heilen, die Staatsverfassung von den sie selbst zerstörenden Auswüchsen zu reinigen, im Geiste der schönen Eingangsworte zu entwickeln, und auf solche Weise den Bund des constitutionellen König-und Bürgerthums aufs Neue zu bekräftigen, gegen alle stets drohender anstürmenden Gefahren zu beschützen und zu befestigen. Die Hoffnung, das Vertrauen des bayerischen Volkes, obgleich durch die frühern Landtags-Verhandlungen und selbst in der jüngsten Zeit auf so manchfache Weise verletzt, wuchs, als der königliche Aufruf an die Urversammlungen eine freie, 4 unverfälschte Wahl zu bezwecken schien, und allen Behörden die Einmischung in die Wahlen verbot. Ja — so konnte die Masse, welcher die Verhältnisse nicht genau bekannt waren, denken — ja! unser König liebt uns, er will uns helfen: denn er will uns hören, uns selbst hören, nicht die Ministerial-Creaturen einer niedergedrückten, verfälschten Wahl; und hört er uns selbst, so ist die Hülfe gewiß. Aber — wie diese Minister überhaupt mit der Verfassung und den Rechten des Volkes, mit dem königlichen Namen und dem Thron selbst nur ein strafbares Spiel treiben, so sannen sie auch hier alsbald auf Mittel, die Absicht des Regenten zu vereiteln, und jener allezeit bereite Dämon des Bösen, der aller Gewalt von Anbeginn sich anheftet, ließ sie nicht lang umsonst sinnen. Nicht nur verkündeten sie, am Vorabend des weltgeschichtlich wichtigen Landtags, eine Censur, womit sie die durch die Verfassung ausgesprochene Preßfreiheit, somit die Verfassung selbst und das constitutionelle Leben tödten; sondern sie vernichteten auch jene freie Wahlen des Volkes überall, wo eine zwangvolle Auslegung einer auf andere Fälle berechneten gesetzlichen Bestimmung ihren Machtsprüchen einigen Schein leiht: sie stießen die freigesinnten Wortführer zurück. Freilich, wie konnten sie anders? Wie konnten sie die ausgezeichnetsten Männer des Gesetzes, der Freiheit, der Ehre wünschen? Wie konnten sie Männer gerne sehen, die in ihrer Liebe und Treue zum Könige, wie im reinen Feuer der Vaterlandsliebe, nur den hohen Beruf, die heilige Pflicht erkennen müssen, im Angesichte des Throns als Ankläger der Minister aufzutreten, weil sie dem Könige die Liebe und Anhänglichkeit seines Volkes, dem Volke das Vertrauen zu seinem Könige rauben? Behr, Hornthal, Bestelmeier und andere, deren Namen goldenen Klang haben in 5 den Ohren des Volkes, sind nicht zugelassen — und ein langer Schrei des Unwillens durchhallt, am Rhein wie an der Isar, alle Gauen des Vaterlandes. Die erleuchtete Stadt Würzburg hat eine eben so energische als ehrfurchtsvolle Vorstellung an den König abgesandt, mit mehr als 600 Unterschriften der angesehensten Bürger, und mehr als 2000 würden unterzeichnet haben, hätte nicht der Herr Regierungspräsident durch Anordnung gesetzwidriger Beschlagnahme solches verhindert. Außerdem ist eine Vorstellung sämmtlicher Gemeinde-Bevollmächtigten, worunter der an Behr's Statt nun berufene Ersatzmann selbst, durch Staffete nach München gesandt worden. Aehnliche Maßregeln treffen alle Städte, wetteifernd an Liebe zum Vaterland und König; ins Besondere sind wir authentisch unterrichtet, daß Bamberg wegen Hornthal's Ausschließung mit gleichem Nachdrucke eingeschritten ist. In Nürnberg hat, wegen Bestelmeier's Ausschließung, der größte Theil des Magistrats und der Gemeinde-Bevollmächtigten ihre Stellen niedergelegt, sich förmlich geweigert, der Censurordonnanz zu gehorchen, und durch eine Addresse an den König deren Zurücknahme verlangt. So weit bis jetzt unsre authentischen Nachrichten. Die Vorstellung der Stadt Würzburg theilen wir nachstehend unsern Lesern mit, zum schönen Beweis, wie die Sprache der Freiheit zugleich die der Gesetzlichkeit und Liebe zum Regenten seyn kann. Was wird der Erfolg seyn? Wird es gelingen, den getäuschten, den verrathenen König zu überzeugen, welche große Gefahren sich bereiten und von welcher Seite sie kommen? Oder ist das Maß der Strafbaren noch nicht voll, welche den Thron mit ihren heillosen Intriguen umspinnen? Werden die Minister es darauf ankommen lassen, daß, um König und Verfassung zu retten, das Aeußerste geschehe? Werden 6 sie die sinnliche Anklage der Nationaldeputirten erwarten? Die Kammer auflösen?------------? Dies sind Fragen, welche alle Bürger mit bangen Ahnungen erfüllen. Möge die nächste Post das Land mit so großer Freude durchtönen, als jetzt die Trauer, der Schmerz, der Unwille ist. Möge der König die Gefahr ganz erkennen und auch mit ganzer Maßregel, durch einen Entschluß, der seiner hohen Majestät würdig ist, dem drohenden Unheil begegnen, und der Aufregung ein Ende machen, welche weder die jämmerlichen Maßregeln eines ministeriellen Zwergdespotismus, noch die süßlichste Thronrede eines romantischen Ministerpoeten zu beschwichtigen vermag; möge der edle König sich selbst und das betroffene Volk von einem Ministerium befreien, welches das Vertrauen der Nation auf so unwürdige Weise verloren hat, oder vielmehr es nie besaß! Dr. S. __________________ Würzburg, den 4. Februar 1831. Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! [Allerunterthänigste Vorstellung der unterzeichneten Einwohner Würzburgs. ] Die Wahl des Bürgermeisters und Hofraths Behr als Abgeordneten zur Stände-Versammlung betreffend. Als in der Bekanntmachung vom 12. Dezember vorigen Jahrs, die Wahl der Abgeordneten zur Stände-Versammlung betreffend, Ew. königl. Majestät den Behörden Allerhöchstihren ernsten Willen zu erkennen gaben, sich jeder Beschränkung 7 der Freiheit der Wahlstimmen zu enthalten, erblickten alle Bayern darin mit stolzer Freude einen neuen Beweis Allerhöchstihrer Weisheit und Gerechtigkeit, die zu Mitgliedern der Stände-Versammlung nur solche Männer wollte, welche wirklich mit dem Vertrauen des Volkes beehrt, als dessen wahre Stellvertreter erscheinen. Mit dankbar gerührtem Herzen glaubten insbesondere die Bewohner des Unter-Main-Kreises in diesem Ihrem Volke bewiesenen Zutrauen die gnädigste Anerkennung der Treue zu finden, mit welcher Ihr Volk in Mitte der es umgebenden Stürme unerschütterlich dem Throne und den Gesetzen zugethan geblieben ist. Mit Eifer fanden sich die Wähler aus den für die Klasse der Städter bestimmten Gemeinden ein, und ihre Wahl fiel mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Stimmenzahl zu nahe auf den Hofrath und Bürgermeister Behr, den schon im Voraus die allgemeine Stimme ihnen als den würdigsten bezeichnet hatte. Mit tiefer und sich stets verbreitender Betrübniß haben nun die allerunterthänigst unterzeichneten Einwohner hiesiger Stadt die Nachricht empfangen, daß die Minister Ew. königl. Majestät angerathen haben, auf mehrere gewählte Abgeordnete und darunter auch den Bürgermeister Behr den §. 44 des Edicts über die Stände-Versammlung anzuwenden. Zeugen des lebendigen und schmerzlichen Eindruckes, den diese Bothschaft unter allen Bewohnern verbreitet hat, nahen wir uns Ihrem Throne mit dem Freimuthe, den Ihre Gerechtigkeitsliebe treu ergebenen Unterthanen nicht übel deuten wird, um Ew. königl. Majestät um die Zurücknahme einer Verfügung allerunterthänigst zu bitten, die Ihre Minister nur in gänzlicher Mißkennuug oder freventlicher Mißdeutung der wahren Lage der Sache herbeigeführt haben. Königl. Majestät! Der Würzburger liebt und ehrt seinen 8 König und steht in dieser seiner Liebe und Verehrung Niemanden nach; auch verbergen wir es nicht, die Verfassung und Ihr erhabenes, ewig denkwürdiges Wort, nur im Geiste der Verfassung zu regieren, sind das festeste, das erste Band welches uns mit Liebe und Treue an den Thron knüpft. Die Verfassung ist unser Stolz, unsere Hoffnung; in ihr erblicken wir die Bürgschaft unserer Rechte, daS Unterpfand eines besseren Glückes. Wir könnten aber in der Verfassung nur ein leeres Wort, nur eine glänzende und um so schmerzlichere Täuschung finden, wenn man Männer von der Volks-Vertretung ausschließt, die mit dem Vertrauen Aller beehrt, die Wahrheit vor den Thron zu bringen den Muth, die Kraft und die Kenntnisse haben, die frei gewählt worden sind, und deren Freiwahl der wahre Ausdruck der Volksstimme ist, die zu kennen, Ihrem königl. Herzen erstes Bedürfniß ist. Königliche Majestät! Damals, als im Westen die Flamme der Revolution hell loderte, als so manchem deutschen Fürsten das Feuer drohend in die Augen leuchten und ihn aus seiner Ruhe aufschrecken mochte, damals weilten Sie ruhig und sorglos, wie ein Vater im Kreise der Seinigen, mitten unter Ihrem Volke, in einem der Gesundheit und dem Vergnügen geweihten Orte. Wer hat da für die Ruhe Ew. königl. Majestät gewacht? Bayonette? Zeitungs-Censoren? Gewiß nicht; es war die Liebe des Bayerischen Volkes. Als durch die Ereignisse in Frankreich das Signal für Unzufriedenheit auch in Deutschland gegeben war, als rings umher in benachbarten Ländern Unruhen ausbrachen, wo herrschte da die musterhafteste Ruhe? In Bayern. Was war die Ursache dieser Ruhe? Ist vielleicht in Bayern das Ideal der Glückseligkeit zu finden? Ist da nichts zu wünschen übrig? Sind keine Verbesserungen zeitgemäß? Sind die 9 Mauthverhältnisse, welche anderswo Stoff zu Unruhen gaben, in Bayern nicht drückender, als irgendwo? Dennoch blieb Alles ruhig, und diese Ruhe war die Frucht des festen Vertrauens auf Ew. königl. Majestät so deutlich ausgesprochenen unerschütterlichen Entschluß, nur im Geiste der Verfassung zu regieren, und jeder billigen Anforderung der Nation Gehör zu geben. Die musterhafte Haltung des Bayerischen Volkes in dieser stürmischen Zeit soll nun mit Mißtrauen belohnt werden! Wahrlich, wer diese Maßregeln Ew. königl. Majestät anrathen konnte, den hat nicht Liebe zu König und Vaterland geleitet, er hat die einzigen Mittel gefunden, die innige Liebe des Volkes zu seinem Könige, die unbedingteste Ergebenheit in ihren innersten Grundfesten zu erschüttern. Hätten nicht Ihre Minister, im Gefühle dessen, was unausbleiblich kommen mußte, und fortgezogen von einer unklugen Maßregel zur anderen durch verfassungswidrige Auslegung des dritten constitutionellen Edikts die Freiheit der Presse beschränkt, damit nicht der Schrei der Entrüstung sich Bahn breche zu den Stufen des Thrones, wir würden ruhig abgewartet haben, bis die öffentliche Stimme die Wahrheit an das Licht gebracht hätte; wenn aber das Volk seiner besten Vertreter beraubt, wenn die tüchtigsten mit König und Vaterland es redlich meinenden Männer von der Ständeversammlung ausgeschlossen werden, wenn die freie Aeußerung in Wort und Schrift, dieses wahre Palladium der Freiheit, diese Grundbedingniß der Volks-Repräsentation und verfassungsmäßigen Negierung überhaupt unmöglich gemacht wird; dann bleibt uns nur eine Hoffnung, nur ein Weg, der Weg zu dem edlen Herzen Ew. königl. Majestät, welches zum Besten Ihres Volkes vergeblich anzurufen kein Bayer zu fürchten hat. Verschmähen Ew. königl. Majestät die dringenden Bitten treu ergebener Unterthanen um Zurücknahme einer 10 Maßregel nicht, welche das Vertrauen zwischen Fürst und Volk, die sicherste Bürgschaft für die Ruhe des Landes und Sicherheit des Thrones zu vernichten droht. Wir bitten inständig darum, wir beschwören Sie bei Ihrem edlen Herzen, bei dem heiligen Feuer für das Volksglück, das in Ihrem Busen lodert, bei dem Schatten Ihrer edlen Ahnen; wir beschwören Sie bei Ihrer Vaterliebe zu den Ihrigen, die unter unseren Augen so herrlich erblühten, und denen eine ungetrübte Zukunft und das Glück zu Theil werden möchte, über ein zufriedenes Volk zu herrschen. Glauben Ew. königl. Weisheit nicht, daß diese Worte blos Unterzeichneten angehören, sie kommen aus Millionen Herzen. Möchten sie die Stärke haben, welche unser guter Wille hat und möchten Ew. königl. Majestät in solchen nichts anderes erblicken, als den Ausdruck der tiefsten Unterthanen-Liebe und allertiefsten Verehrung, womit verharren Ew. königl. Majestät allerunterthänigst treu Gehorsamste. _________________ Die neue bayerische Censur-Verordnung. _________________ Öffentliche Blätter theilen eine königliche Verordnung vom 28. Jänner d. J. mit, welche den Vollzug des §. 2. des Edicts über Preßfreiheit, das heißt die Censur betrifft. Die bayerische Verfassung, dieses Palladium unsrer Freiheiten, verkündigt nemlich mit großgedruckten Buchstaben: „Frei- „heit der Meinungen, mit gesetzlichen Beschränkungen gegen „den Mißbrauch." Der §. 11 des Tit. IV sagt: „Die Freiheit der Presse und des Buchhandels ist nach den Bestimmungen des hierüber erlassenen besondern Edicts gesichert." Wie aber in allen Stücken, so entzieht auch hier das beigefügte Edict, was die Verfassungsurkunde selbst großmüthig verliehen hat. Denn der §. 2 desselben nimmt von der Preßfreiheit alle politische und statistische Zeitungen und periodische Schriften aus, und unterwirft sie „der dafür angeordneten Censur," somit den wesentlichsten Theil der politischen Litteratur, eben jenen Theil, der dem innern und äußern Staatsleben Farbe und Bewegung verleiht. Bisher wurde diese Censur nach absoluter Willkühr ausgeübt, denn es bestand nicht nur kein Gesetz, keine Verordnung, wodurch wenigstens gewisse Regeln oder Anhaltspunkte gegeben wären, sondern nicht einmal eine bestimmte Instruction, wofür einzelne sich widersprechende Weisungen nicht gelten konnten. Diesem Mangel hilft die angekündigte Verordnung ab, und man muß es der Regierung allerdings Dank wissen, daß sie den Gegenstand zu ordnen versucht hat, wenn Willkühr, was alle Censur ihrer Natur nach ist und bleibt, geordnet werden könnte. Jeden Falls kommt einige Methode in die Willkühr, sofern sich die Weisheit der Polizeimänner methodisiren läßt. Man muß weiter anerkennen, daß die Bestimmungen dieser Verordnung klar und möglichst erschöpfend sind, und sogar einer gewissen Liberalität zu huldigen die Miene tragen. Selbst, daß die Verordnung nicht sagt, was unter politischen Zeitungen und Schriften zu verstehen sey, wollen wir ihr in unsrer Gutmüthigkeit nicht zum Vorwurfe machen, denn dies ist eine sehr schwierige Bestimmung, welche die Wissenschaft selbst kaum einigermaßen befriedigend zu geben vermag. Die Zeit wird lehren, was der §. 2 der Verordnung unter innerer und äußerer Politik versteht. Jeden Falls durften beim Mangel einer gesetzlichen Begriffsbestimmung nicht die Polizeimänner, denen der Corporalstock 12 bekannter zu seyn pflegt, als die Wissenschaft, und die in den Fieberschauern der Angst die Auflösung aller Schwierigkeiten in der Scheere zu finden pflegen, mit der Censur beauftragt werden. An wem hat man sich überall, wo Volksaufstände sich zeigten, zuerst vergriffen? An der Polizei, an jener Geißel des heutigen Staatslebens. Aber es scheint, die Polizei sey noch nicht verhaßt genug. Freilich, welcher honette andere Beamte oder Bürger würde sich auch zum verächtlichen Werkzeuge der Censur erniedrigen lassen? Für die Behandlung der äußern Politik der einheimischen und fremden Regierungen verheißt der §. 3, den Censoren besondere Instructionen, welche, versteckt und wandelbar wie die Politik selbst, den Schriftstellern somit unbekannt bleiben; für die innere Politik aber soll die Censur nur „dem rechtswidrigen Mißbrauche der verfassungsmäßig gewährten Preßfreiheit begegnen, nicht aber den rechtmäßigen Gebrauch derselben hemmen und beschränken." Diesen scheinbar liberalen Worten des §. 4 wird es ergehen, wie der armen Verfassungsurkunde: was sie verheißen, wird durch geheime Instructionen oder Unverstand und Seelenangst der Censoren genommen werden. Nachrichten über die Familienverhältnisse des Monarchen oder Mitglieder des königlichen Hauses sind untersagt, wenn sie nicht amtlich mitgetheilt werden. Die Schriftsteller werden daher wohl thun, von diesen Dingen, wovon das Herz der Bürger voll seyn soll, gänzlich zu schweigen! Ich dächte, dieses Verbot war zu entbehren, weil jeder Artikel, welcher eine Ehrenrührigkeit gegen das Regentenhaus enthielte, nur mit Mißfallen und Unwillen vom Volke aufgenommen wurde, jede Verläumdung oder irrige Nachricht von selbst zerfällt, übrigens Ereignisse denkbar sind, deren öffentliche Erwähnung ohne die amtliche Mit- 13 theilnng abzuwarten, Bürgerpflicht wäre. Man hätte wohl besser gethan, sich an das Zartgefühl der Schriftsteller zu wenden. Dasselbe gilt von dem Verbot, Ausdrücke in den Ständeversammlungen, weßhalb der Redner zur Ordnung verwiesen worden, zu berichten. Wenn der Präsident oder selbst die vielleicht irregeführte Mehrheit der Kammer einem Redner Unrecht gethan hat, so bleibt ihm keine andere Berufung, als an die öffentliche Meinung, welche sonach hier abgeschnitten ist. Der §. 10 gibt zwar den Censoren auf, die vorgelegte Zeitschrift ohne Verzug zu censiren, und der §. 12 den vorgesetzten Stellen, die Beschwerden gegen Verfügungen jener schleunig zu erledigen; inzwischen hätten peremptorische Fristen gestellt werden sollen, da man die Schleunigkeit des Geschäftsganges, zumal bei den Kreisregierungen und den Ministerien, kennt. Zu rühmen ist der §. 7, welcher „den Censoren untersagt, die freimüthige Aeußerung von Meinungen, Ansichten und Urtheilen über die von den Staatsministerien und andern verantwortlichen Stellen und Behörden ausgehenden Verordnungen und Verfügungen und über das amtliche Wirken derselben zu hindern, so lange nicht dadurch irgend ein bestehendes Gesetz übertreten wird, und insbesondere der ausgesprochene Tadel in Schmähung ausartet." Dies ist zwar ein sich von selbst verstehender constitutioneller Grundsatz, dessen Anerkennung aber der Regierung Ehre macht. Nur ist hier wieder das zu §. 4 geäußerte Bedenken herrschend, daß die Anwendung einen ganz andern Erfolg zeigen werde, als diese Worte versprechen; manche bezopfte Polizeimänner, die noch das goldene Zeitalter der Pompadour auf dem Rücken zur Schau tragen, werden sogleich eine Schmähung, ein Majestätsverbrechen entdecken, wenn irgend eine Exzellenz angetastet wird. Der §. 8, welcher befiehlt, daß die Behörden oder einzelnen 14 Staatsdiener, welche pflichtwidriger Handlungen beschuldigt werden, vollständig genannt werden sollen, ist nur zu billigen. Wer angreift, soll es nicht meuchlings oder zweideutig thun, sondern offen und vollständig, wie es dem Ehrenmanne geziemt. Wie ich z. B. gleich hier den Herrn Minister des Innern einer pflichtwidrigen Handlung beschuldige daß er ein Censuredict contrasignirt in einem constitutionellen Staate, dessen Natur, somit die Verfassung selbst, durch jede Censur vernichtet wird. Der Minister ist durch das Edict über die sogenannte Preßfreiheit vor rechtsförmlicher Anklage geschützt. Die Verordnung ist insofern nicht verfassungswidrig; aber sie ist pflichtwidrig, weil es jetzt, mehr als je, Pflicht des Ministers wäre, alle Beschränkungen, welche die Edicte gegen die weisen Verfügungen der Verfassungsurkunde enthalten, auf verfassungsmäßigem Wege zu beseitigen, nicht aber mit neuer Kraft zu beleben; die Verordnung ist pflichtwidrig, wenn je eine pflichtwidrig war, weil, wie gesagt, die erste und letzte Gewähr, ja die Lebensbedingung der Verfassung in der Preßfreiheit liegt, in der Preßfreiheit, wie die Verfassungsurkunde sie versteht, nicht wie das Edict sie vereitelt — „Preßfreiheit mit gesetzlicher Beschränkung gegen den Mißbrauch;!" nicht Preßfreiheit mit Censur, also Willkühr der Polizei. Sind unsere Volksdeputirten, woran wir nicht zweifeln, von dem Geiste des Volks durchdrungen, so verschwindet diese Instruction, sammt dem Edict, und sammt dem Minister, der jene unterzeichnet hat. Zu loben ist ferner die Verfügung, daß bei jeder gestrichenen Stelle die Motive, das übertretene Gesetz und der betreffende §. dieser Instruction vom Censor angeführt werden muß. Hiermit ist der Willkühr einiger Zaum angelegt und der Verfasser ist wenigstens im Stande, gegen die Verfügung des Censors geeignete Beschwerden zu erheben. Da- 15 gegen ist die Schlußbestimmung, daß die gestrichenen Stellen nicht einmal durch Lücken angezeigt werden dürfen, eine wahre Tyrannei, eine Strenge, welche der strengsten aller Censuren, der sächsischen selbst, nicht eingefallen ist. Es ist zuweilen ganz unmöglich, entstandene Lücken auszufüllen, was freilich die Zopfmänner nicht begreifen. So oft also Unsinn Herauskommt oder sonst vom Verfasser selbst begangen wird, fällt es der Censur zur Last. Dies unsere ersten Empfindungen über die gegen die politischen Blätter genommene Maßregel. Die Thronrede wird uns ohne Zweifel erkennen lassen, was der Herr Minister gegen die nicht politischen und nicht periodischen im Schilde führt. Beim Schlusse dieses kommt uns die Verwahrung zu, welche das Würzburger Volksblatt gegen die auf dasselbe angewendete Censur gestellt hat. Eine Protestation in gesetzlichem oder juristischem Sinne finden wir nicht begründet, weil, wie oben gezeigt worden, die neue Verordnung durch das Verfassungsedict geschützt ist. Eine Protestation — und so wird sie unser Herr Colleg wohl auch gemeint haben — kann nur den Sinn haben, entweder daß der Herr Minister, welcher durch diese Verordnung die bisher geduldete, sehr beschränkte Preßfreiheit im Momente, wo sie am nöthigsten und nützlichsten ist, zurückgenommen hat, als ein Feind der Verfassung dastehe, deren Lebensprinzip jede Censur vergiftet ; oder daß die Nothwendigkeit dargethan werde, das constitutionelle Edict von dem die Verfassung zerstörenden Auswuchs, der Censur, zu befreien. Ob der Herr Minister durch diese Verordnung an Popularität gewinnen werde, läßt sich bezweifeln; soviel ist aber gewiß, daß er nichts verlieren kann. Uebrigens werden die Leser des Volksblattes nicht zu 16 kurz kommen, da der wackere Herausgeber eine Fortsetzung nicht in periodischer Form, sondern wie unsere Zeitschrift „Rheinbayern" erscheinen lassen wird unter dem Titel: das „constitutionelle Bayern." Wir machen unsre Leser, sofern es nöthig seyn sollte, darauf aufmerksam. _______________ R. S. So eben verbreitet sich das Gerücht, daß auch unsere Zeitschrift Rheinbayern, obgleich weder periodisch, noch eigentlich politisch, der Censur der Polizei unterworfen werden soll. Wir werden gegen diese verfassungswidrige Gewaltmaßregel alle jene Kraft und Standhaftigkeit zeigen, welche das Gesetz und die Unabhängigkeit der rheinbayerischen Gerichte verleihen. Dr. S.

Literatur

  • Kurt Baumann Hrsg. (1982): Das Hambacher Fest - 27. Mai - Männer und Ideen. Speyer
Karte
Verfasst Verfasst
1831
Philipp Jakob Siebenpfeiffer
Zweibrücken
Gedruckt Gedruckt
1831
Georg Ritter (Verleger)
Zweibrücken
1830 1833
Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Objekt aus: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Der über 2000-jährigen Tradition des Weinbaus in Bad Dürkheim entsprechend, ist das Stadtmuseum in einem ehemaligen Weingut untergebracht. Auf über...

Das Museum kontaktieren

[Stand der Information: ]

Hinweise zur Nutzung und zum Zitieren

Die Text-Informationen dieser Seite sind für die nicht-kommerzielle Nutzung bei Angabe der Quelle frei verfügbar (Creative Commons Lizenz 3.0, by-nc-sa) Als Quellenangabe nennen Sie bitte neben der Internet-Adresse unbedingt auch den Namen des Museums und den Namen der Textautorin bzw. des Textautors, soweit diese ausdrücklich angegeben sind. Die Rechte für die Abbildungen des Objektes werden unterhalb der großen Ansichten (die über ein Anklicken der kleineren Ansichten erreichbar werden) angezeigt. Sofern dort nichts anderes angegeben ist, gilt für die Nutzung das gerade Gesagte. Auch bei der Verwendung der Bild-Informationen sind unbedingt der Name des Museums und der Name des Fotografen bzw. der Fotografin zu nennen.
Jede Form der kommerziellen Nutzung von Text- oder Bildinformationen bedarf der Rücksprache mit dem Museum.