museum-digitalrheinland-pfalz
CTRL + Y
en
Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Museum Schriftgut - Briefe Nationalsozialismus [2023/0914/001]
Brief von K. Hemmerich an Obervermessungsrat Frank, 26.4.1934 (Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir CC BY-NC-SA)
Provenance/Rights: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir / Gerhard Nilz (CC BY-NC-SA)
1 / 4 Previous<- Next->

Brief von K. Hemmerich an Obervermessungsrat Frank, 26.4.1934

Contact Cite this page Data sheet (PDF) Calculate distance to your current location Archived versions Mark for comparison Graph view

Description

Brief von K. Hemmerich an Obervermessungsrat Frank, 26.4.1934

Neben Schilderung des eigenen schlechten Gesundheitszustandes und Ereignissen in der eigenen Familie, wird vom Z ustand der Pollichia nach Gleichschaltung der Vereine und der Einstellung der Zeitschrift "Pfälzisches Museum - Pfälzische Heimatkunde" berichtet.
Gesundheitsbedingt besteht kein Kontakt zum örtlichen naturwissenschaftlichen Verein in Würzburg.

Material/Technique

Papier / geschöpft, handbeschrieben

Measurements

Höhe: 20,7 cm, Breite: 14,8 cm, Seitenzahl: 4

Transcript

Original: Deutsch

Würzburg, den 26. April 1934 Sehr verehrter Herr Obervermessungsrat! Ob Sie den Grund vermuten, warum Sie auf Ihr ren lieben, langen Brief täglich einer Antwort ver- geblich harren? Ich liege seit Monaten schwer darnieder, führe ein schmerzliches, jammervolles Dasein. Gleich nach Schulschluß mit Beginn der Pensionszeit setzte die Sache ein, verschlimmerte sich, ich hielt es für Ischias u. Rheuma, das freilich den ganzen Körper lähmte. Ich wandte mich schließlich an einen Un.-Prof. Förster, einer unserer Besten. Der diagonstizierte Neuritis u. zwar Polyneuritis, eine Nervenlähmung, die den ganzen Körper getroffen hatte. Schließlich musste ich 4 Wochen ins Julius- spital - trotz aller modernen Heilmethoden keine Hilfe, zu- gleicherzeit war Gelenk- u. Gliederrheuma über den ganzen Körper gekommen. So liege ich seit März zu Hause, hilflos wie ein Kind, muß gehoben, gesetzt werden. Wenn ich auf die Füße an manchen Tage komme, schleife ich mich unter Mühen u. Schmerzen von einem Divan zum anderen Sitzplatz, den ich aber nicht einnehmen kann ohne Hilfe. Ein Arm links ist ganz steif, den bringe ich seit Monaten nicht aus dem Schultergelenk, der rechte geht etwas in die Höhe, zeitweise funktioniert der Ratialisnerv f. Zeigefinger, Mittelfing. u. Daumen, der dann doch wie heute die Feder halten lässt, stärkere, schwerere Gegen- stände, kann ich nicht greifen, die Hände ballen sich nicht mehr. Welche Arbeit ich meinen Leuten Tag u. Nacht mache, können Sie Sich denken. Zum Glück bringen die un- zähligen täglichen Vorkommnisse komische Situationen, so daß man trotz der Schmerzen z. Lachen kommt als Säug- ling der Familie, bei dem die Verjüngungskur zu weit gegangen war. Es ist ein grauenvolles Dasein für mich. Ein bißchen Knochengerüst liegt Tag u. Nacht ohne Unterbrechung der Schmerzen herum. O die langen Nächte! - Meine Hoffnung auf den Frühling, den ich vom Fenster sehen darf, hat mich jetzt betrogen. Etwas besser wurde es; auf 7 - 10 Tage ein guter Tag, an dem ich herumgehen, d. h. [...]ichen kann. Es scheint, daß die Nervenlähmung oder entzündung, einen langsamen Heilprozess durchmacht, wie sie sicher schon längst im Schuljahr sich vorbereitet hat. Ich habe mir meinen Ruhestand anders gedacht. Bitter war es für mich am weißen Sonntag, wo unser Jüngster Lothar zur 1. Kommunion ging, vom Fenster aus seinen Eingang in die Kirche mit ansehen zu müssen. Nun genug von meinem Jammer. Es wird schon im Laufe des Sommers wieder aufwärts gehen. Die Hoffnung habe ich nicht verloren. - Unsere Jossi hat nach Absolv. des Lyc. den Eintritt ins Lehrerin- nenseminar in Aschaffenburg erreicht. 4 Kl. Nach 3 Jahren ist sie dann fertig. Sepp ist als Lehrer seit ein paar Tagen zum ersten- mal nach der Königshöfer Gegend zur bezahlten Aushilfe ge- holt worden (Großbardorf, in nächster Nähe des berüchtigten Schloss Waltershausen. - So ist das Haus etwas leer geworden. Resi arbeitet noch in den Kliniken, kommt aber auch bald zum Verdienst, wenn auch geringen. - So wäre in meiner Familie alles in Ordnung - abgesehen von meiner Armseligkeit. Ich bin wirklich armselig, trotzdem ich eine schöne Zahl von Jahren jünger bin, kann ich nicht mehr die geistige Spannkraft aufbringen, die Sie mit glücklicherer Konstitu- tion von der Vorsehung begabt, zeigen. Ich staunte über Ihr- en langen Brief mit seinen Sorgen. Diese bitteren Erfahrungen der Umschwungszeit speziell für unsere Pollichia haben Ihnen die wohlverdiente Freude Ihres Alters u. auch die Ihrer Frau Gemahlin geraubt. Hat Ihre rührende, unermüdliche Begei- sterung für die Sammlungen in Tagen, wo andere der wohlver- dienten Ruhe pflegen, meine Bewunderung u. Verehrung hervor- gerufen, so bringt jetzt der gemeinsame Schmerz über das Schicksal der Pollichia, für den ich nach manchen derben Erin- nerungen früherer Jahre das nötige Verständnis habe, Sie jetzt meiner Liebe näher. Doch wollen wir in alten Tagen die Hoffnung nicht aufgeben, daß jede Zeit auch wieder Ihre Männer findet, die vielleicht nach längeren Stockungen zu- greifen u. sich begeistern. - Die politische notwendige Eini- gung mußte nicht über Trümmer kultureller wichtiger Einrichtungen gehen. Daß die neue Zeitschrift "Westmark" zur politischen Aufrüttlung des Westens notwendig ist u. gute Abhandlungen bringt, ist erfreulich. Aber warum mußte die Zeitschrift, die die kulturellen Belange der einzelnen Diszipline pflegte, dabei die Kosten zahlen? Die Ereignisse bei der Hinrichtung der Pollichia blei- ben mir unverständlich. Leider bin ich durch meine Er- krankung noch nicht in die Lage gekommen, tieferen Einblick in den internen Betrieb des hiesigen naturw. Vereins zu ge- winnen. Darüber kann mir nur ein einziger Herr authen- tische Auskunft geben. So viel ist sicher: der Verein besteht mit alten Namen, hält seine zahlreichen Vorträge u. Exkursi- onen weiter. Über seine inneren Sorgen kenne ich mich nicht aus, besonders über Rückgang der Mitgliederzahl, Frage der Unterkunftsmöglichkeit der riesigen Sammlungen in der Residenz, wo man sie schon längst heraus haben möchte. Die Ver- hältnisse der Pollichia lassen sich nicht vergleichen mit denen der Würzburger Sammlungen. Hier eine Überzahl von Helfern, Universitätsprofessoren, - Privatdozenten - Assistenten Lehrern der Naturkunde der vielen Mittelschulen, sehr gute Naturwissenschaftler aus dem gehobenen städt. Volksschul- lehrer u. -lehrerinnenkreise, aus dem reichen Bürgerstand verständige Helfer. Und das Ganze doch mehr oder weni- ger unter dem geistigen Protektorate der Universität. Daher vielleicht auch ihr Schutz bei dem Zusammenlegungsbestrebun- gen. Aber Genaueres weiß ich bis heute noch nicht. Unter jedem Falle ist mir das Dürkheimer Vorgehen milde ausgedrückt eine unbedachte Voreiligkeit gewesen, deren Folgen recht schmerzlich sind für alle, die ihre Kraft auf die Rettung in gefährdeten Zeiten und wie Sie auf den glücklichen [...] verwendeten. - Es ist mir recht ärgerlich, daß ich bei meinem Zustand gar keinen Plan fassen kann mich persönlich in Dürkheim mit Ihnen aussprechen zu können. Hoffentlich ist es war, was mir tröstend ge- sagt wurde, daß manchmal solche nervöse Störungen schlagartig eintreten aber ebenso plötzlich aufhören. Möch- te mir dieser Sommer noch die Freude bereiten! Ich freue mich, daß dieser mein erster Brief in der Krankheitszeit mir so gut gelungen ist, die Finger u. das Handgelenk hielt aus, obwohl die Arme nur mit Mühe in der Höhe des Tisches gehalten werden könne; die Beine in Mantel u. wollene Decken. Närrische Stellage; Nun geht es wieder ins Bett der Schmerzen. Wenn Sie, verehrter Herr Obervermessungsrat, Ihren Jah- ren unangenehmen Tribut zahlen müssen, trösten Sie Sich damit, daß der Jüngere noch weniger verschont ist. Nun wünsche ich Ihnen und Ihrer werten Frau Gemahlin u. Frl. Tochter Wohlergehen und sende Ihnen allen meine u. meiner Familie besten Grüße. In Treue Ihr K. Hemmerich
Map
Written Written
1934
Würzburg
Received Received
1934
Frank, Max
1933 1936
Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Object from: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

Der über 2000-jährigen Tradition des Weinbaus in Bad Dürkheim entsprechend, ist das Stadtmuseum in einem ehemaligen Weingut untergebracht. Auf über...

Contact the institution

[Last update: ]

Usage and citation

The textual information presented here is free for non-commercial usage if the source is named. (Creative Commons Lizenz 3.0, by-nc-sa) Please name as source not only the internet representation but also the name of the museum.
Rights for the images are shown below the large images (which are accessible by clicking on the smaller images). If nothing different is mentioned there the same regulation as for textual information applies.
Any commercial usage of text or image demands communication with the museum.