Dieser Schuhlöffel ist ein kleiner, aus Metall gefertigter Alltagshelfer, in dessen Oberfläche eingeprägt sich folgende Inschrift findet: „Schuhhaus H. Seligmann / Castellaun Telefon 38 / Grösstes Spezialgeschäft am Platze“. Ähnlich wie geprägte Kleiderbügel waren Schuhlöffel ein Werbeartikel der Geschäfte, die Kunden beim Kauf eines Produktes erhielten. Sie gehören heute zu den wenigen erhaltenen Sachzeugnissen aus den zerstörten jüdischen oder arisierten Geschäften.
Heinrich Seligmann erwarb 1919 ein Fachwerkhaus in der Marktstraße in Kastellaun, in dem er ein Schuhgeschäft mit Werkstatt eröffnete, das sich bald zu einem der größten Schuhgeschäfte im gesamten Hunsrück entwickelte. Heinrich Seligmann und seine aus Bruttig an der Mosel stammende Frau Johanna, geb. Hirsch, hatten fünf Kinder: Elfriede, Hertha (1910), Kurt, Hans und Ruth (1920).
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten richteten sich die Boykotte jüdischer Geschäfte auch gegen das Schuhhaus Seligmann. Diese und die zunehmende Konkurrenz zwangen die Seligmanns das Geschäft aufzugeben. Bereits im Mai 1935 verkauften sie das Haus für 18.000 RM weit unter seinem eigentlichen Wert.
Als sie Kastellaun und ihr Geschäft zurückließen, zogen Heinrich Seligmann und seine Frau zur ältesten Tochter Elfriede und deren Mann nach Vallendar, doch allmählich wurde das Leben auch dort unerträglich. Noch vor der Reichspogromnacht gelang Friedel und ihrem Mann mit einem Wohnwagen die Ausreise nach Luxemburg und über Marseille nach Haifa. Heinrichs Sohn Kurt war bereits 1936 nach Palästina geflüchtet, der Sohn Hans überlebte den Krieg in Brüssel und wanderte später in die USA aus. Die jüngste Tochter Ruth kam mit einem Kindertransport nach England und folgte ebenfalls in die USA. Johanna Seligmann verstarb noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Vallendar.
Heinrich Seligmann verblieb bei seiner Tochter Herta und deren Familie in Neuwied. Ihr Mann Otto Loeb war Mitglied im „Centralverein Deutscher Staatsbürger Jüdischen Glaubens“, überzeugter deutscher Patriot und gewiss, dass ihnen in Deutschland nichts passieren könne. Im März 1942 wurden Heinrich Seligmann, Herta und Otto Loeb und ihre Tochter Ruth mit einem Transport aus Koblenz in das Ghetto Izbica deportiert, von wo sie in ihrer letzten Nachricht mitteilten, dass sie dort „alle zusammen“ seien.
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